Ein Geistlicher der Kongregationalistischen Kirche kam zum Bahnhof, um sich von mir zu verabschieden, als ich zum Militär einrückte.
Ein katholischer Nachbar unterstützte uns seelisch und ermutigte uns, als ein Familienmitglied krank war.
Die Kameradschaftlichkeit einer Gruppe von Baptisten inspirierte mich an einem Winterabend. Man hatte mich gebeten, mit ihnen über die Christliche Wissenschaft
Christian Science (kr'istjən s'aiəns) zu sprechen. Während des ersten Teils des Abends sangen sie einige erhebende, tief empfundene baptistische Lieder und berichteten, wie dankbar sie für das Wirken Gottes in ihrem Leben seien. Ihre aufrichtigen Bemerkungen flößten mir hohe Achtung davor ein, daß ihre Kirche ihnen so viel bedeutete.
Ich mußte kürzlich an all das denken, als die Medien über fragliches Verhalten in religiösen Kreisen berichteten. Traditionsgebundene Christen und andere geistig inspirierte Gläubige haben vieles, was wir hochschätzen müssen, vieles, was eindeutig Qualitäten darstellt, die das menschliche Leben besser machen.
Mary Baker Eddy, die Gründerin der Christlichen Wissenschaft, schrieb einmal: „Ich liebe die orthodoxe Kirche, und mit der Zeit wird diese Kirche die Christliche Wissenschaft lieben.“ Vermischte Schriften, S. 111. Mit dieser Äußerung wollte Mrs. Eddy bestimmt nicht die Exzesse der scholastischen Theologie übergehen oder die Unterschiede verwischen, die zwischen der Theologie der Christlichen Wissenschaft und dem, was manchmal als Orthodoxie bezeichnet wird, bestehen. Schließlich hatte sie sich mutig dafür entschieden, die orthodoxe Theologie zugunsten der Wissenschaft des Christentums aufzugeben; sie hatte erkannt, daß diese Wissenschaft dem ursprünglichen Christentum Christi Jesu entsprach und letztendlich für die Menschheit notwendig ist. Aber sie wußte auch, wie wichtig die traditionelle Kirche für die Gesellschaft ist; sie verstand, daß sie einen positiven Einfluß auf Millionen von Menschen ausüben kann, und sie liebte alles, was die traditionelle Kirche im höchsten Sinne darstellte und leisten konnte.
Der Grund, warum wir andere Christen lieben, darf natürlich nicht in der vagen Hoffnung liegen, daß wir dadurch anderen mehr gefallen oder beliebter werden. Noch kann es darum gehen, daß wir etwas „Interessanteres“ finden, für das wir uns engagieren können und das uns weniger abverlangt als das Praktizieren des wissenschaftlichen, heilenden Christentums. Aber wir müssen ohne Vorbehalte lieben — müssen bereit sein, jeden echten Ausdruck des Christus wahrzunehmen und anzuerkennen. Wie schon der Apostel Petrus vor langer Zeit eingestehen mußte: „Nun erfahre ich in Wahrheit, daß Gott die Person nicht ansieht.“ Apg 10:34.
Das ist tatsächlich der Standpunkt des wissenschaftlichen Christentums. Wenn wir von diesem Standpunkt ausgehen, verwundert es uns nicht, daß der Christus nicht lediglich innerhalb der Mauern einer bestimmten Kirche anzutreffen ist. Christus, der Geist Gottes, kann nicht an einen gesellschaftlichen Sittenkodex gebunden sein — an Wohlstand, Hautfarbe oder Umgangsformen. Und die Kirche Christi, Wissenschafter, wurde nicht gegründet, um den Christus, die Wahrheit, zu umgrenzen — das heißt, in Schranken zu halten —, sondern um die allumfassende, überfließende heilende Gegenwart des Christus jetzt zu erkennen und wieder in die menschliche Erfahrung einzuführen.
Im Rahmen meiner Arbeit wurde ich einmal gebeten, den Rektor eines theologischen Seminars aufzusuchen. Er hatte eine Reihe von Büchern veröffentlicht, und er interessierte sich für christliches Heilen. Als Vorbereitung hatte ich einige seiner Bücher gelesen und auch meine Kenntnisse über aktuelle wissenschaftliche und theologische Fragen aufgefrischt. Trotzdem war das Gespräch sehr steif. Dann erzählte mir der Geistliche jedoch von einer Heilung von Blindheit, die er in seinem Amt erlebt hatte. Es war ein ergreifender Bericht. Plötzlich wurde mir peinlich bewußt, wie sehr ich von dem Gedanken eingenommen war, den Christus dort hinzubringen, anstatt ihn dort vorzufinden. Als sich diese Einstellung änderte, floß das Gespräch, und während der restlichen Zeit tauschten wir zwanglos Erfahrungen über Heilungen und Erkenntnisse aus.
Wenn wir einen lediglich „religiösen“ Standpunkt, der meist streng konfessionell ist, zugunsten einer christlich wissenschaftlichen Betrachtungsweise aufgeben, wirkt dies unweigerlich befreiend. Wer in der geistigen Entdeckung, der Christlichen Wissenschaft, fest verankert ist, kann frei und furchtlos überall dort auf den Christus eingehen, wo er ihn antrifft. Das bedeutet nicht, daß er vom Standpunkt der Christlichen Wissenschaft abweicht, sondern daß er ihn lebt. Mrs. Eddy bemerkt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Das wahre Christentum müssen wir in Ehren halten, wo wir es auch finden, aber wann werden wir an dem Ziel anlangen, auf das dieses Wort hindeutet?“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 359.
In der heutigen Zeit wird es in zunehmendem Maße klar, daß die Menschen den Zusammenhalt brauchen, den die Kirche mehr als jede andere Institution bieten kann. Jemand muß die christliche Kirche mit einer Liebe lieben und verteidigen, die umfassend, unparteiisch und feinfühlig ist. Wer kann besser helfen als diejenigen, die die unwiderstehlichen wissenschaftlichen Tatsachen über das göttliche Prinzip, Liebe, lernen?
Mrs. Eddy schreibt: „Wenn die doktrinären Schranken zwischen den Kirchen beseitigt und die Bande des Friedens durch geistiges Verständnis und Liebe fest verknüpft sind, wird Einheit des Geistes herrschen, und die heilende Kraft des Christus wird den Sieg davontragen.“ Kanzel und Presse, S. 22.
Diese Einheit des Geistes, die der göttlichen Liebe entspringt, wird natürlich niemals das zusammenführen, was der Christus nicht tatsächlich zusammenruft. Das Christentum verlangt nach einer langfristigen Erneuerung und Reform, durch die es belebt und gereinigt wird — Naivität ist hier keine Hilfe. Aber eine umfassende geistige Schau und christlich wissenschaftliche Erkenntnis sind jetzt sehr vonnöten.
