Was für eine Kirche würde man auf einem neuen geistigen Territorium brauchen? Sie müßte einfach sein, auf das Wesentliche beschränkt, nicht wahr?
Das Betreten von Neuland ist immer anstrengend. Man hat einfach keine Zeit, viel unnötiges Gepäck mit sich herumzuschleppen. Man muß bereit sein, das Notwendige in Angriff zu nehmen.
So ist es auch mit dem geistigen Neuland. Und an der Grenze zu geistigem Neuland befindet sich die Menschheit jetzt eindeutig — im Begriff, eine geistige Ära wahrzunehmen. Es ist eine Zeit großer Möglichkeiten, aber manchmal auch großer Anforderungen, wie es auch früher an der Grenze zu unerforschten Gebieten war.
Besuchern in einer Kirche Christi, Wissenschafter, mag als erstes auffallen, daß es keine Geistlichen und keine persönlichen Prediger gibt. Ferner werden sie entdecken, daß es keine Rituale oder Symbole gibt. In der Kirche und in den Gottesdiensten herrscht eine klare Einfachheit.
So hatte es die Gründerin der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr'istjən s'aiəns), Mary Baker Eddy, geplant. Sie war für Einfachheit, damit menschliche Geschäftigkeit nicht das beherrschende Element werden würde. Die Betonung sollte darauf liegen, Gott zu verehren, Gott zu dienen und über Gott nachzudenken.
Im frühen 19. Jahrhundert wurden diejenigen, die in die westlichen Grenzgebiete der Vereinigten Staaten zogen, von den Verheißungen eines unermeßlich großen, unerforschten Landes angezogen. Die Aussicht auf Raum und Freiheit bedeutete ihnen so viel, daß sie bereit waren, gesellschaftliche Konventionen hinter sich zu lassen und ihre ganze Kraft darauf zu richten, in neues Territorium vorzudringen. Heutzutage geht es denen, die die Christliche Wissenschaft studieren, ähnlich. Das Entscheidende ist nicht, sich dem anzupassen, was die Gesellschaft für gut und bequem hält in bezug auf die Kirche. Es gibt eine Menge Neuerungen, mit denen man sich befassen könnte, wenn das das Ziel wäre. Aber das ist es nicht.
Manch einer mag sich wohl fragen, ob solch eine Kirche nicht etwas zu schlicht, zu anstrengend sei, um in unserer Zeit die Menschen anzuziehen. Nein, das ist bestimmt nicht. Sie ist genau das, wonach heute so viele suchen. Viele haben die gewohnte, herkömmliche Frömmigkeit satt. Sie suchen nach einer neuen Wahrhaftigkeit und nach unmittelbarer geistiger Erfahrung, so wie wir sie in der Bibel finden. Sie fragen, ob es nicht doch möglich sei, in einem komplizierten, selbstbewußten, wissenschaftlichen Zeitalter noch so zu leben.
Wenn jedoch Gott so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, bleibt dann nicht zu wenig Herzenswärme und Liebe übrig für unsere Mitmenschen? Nicht, wenn wir Gott wirklich lieben. Echte Liebe läßt unvermeidlich etwas von dem Menschen als Gottes Bild durchscheinen. Sie bringt mehr, nicht weniger Liebe zu unseren „Nächsten“ und Glaubensbrüdern hervor. Eine echte, christlich-wissenschaftliche Grundlage vertieft unsere Liebe und macht sie beständiger. Und dazu trägt auch die Struktur der Gottesdienste in christlich-wissenschaftlichen kirchen bei. In den Gottesdiensten zum Beispiel, die in der Mitte der Woche gehalten werden, öffnen wir uns füreinander, haben wir Gelegenheit, voneinander über geistige Heilungen zu hören.
Diese Zeit kann besonders herzerwärmend und stärkend sein, wenn wir mit der richtigen Einstellung hingehen. Hier sind alle gleichberechtigt. Es ist ein Gefühl wie in der frühchristlichen Kirche. Der Apostel Paulus gibt es wieder, wenn er schreibt: „Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen... Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern." 1. Kor 2:1, 3. Niemand predigt von einem erhabenen, persönlichen Standpunkt aus, keiner sollte es jedenfalls tun. Jeder lauscht auf Gott, um zu erfahren, wie er etwas mitteilen kann, was für andere Bedeutung hat, und dann kommen die Worte spontan und natürlich. Solch ein Gottesdienst ist nicht starr, er wird buchstäblich von der Inspiration des Augenblicks geformt.
Wir fanden es interessant, welchen Eindruck die christlich-wissenschaftlichen Gottesdienste vor Jahren auf einen Berufsmissionar machten. In einer Ansprache vor anderen Missionaren sagte er: „Wir bedauern die Tendenz in der modernen Kirche, die Bedeutung der ,Predigt' so hervorzuheben; es ist doch so, daß die Zahl der Kirchenbesucher zum großen Teil von der Beliebtheit des Predigers abhängt, und ein unterhaltsamer Diskurs zieht gewöhnlich mehr Anhänger an als die reine Darlegung der Wahrheit des Evangeliums.“ Mit Bezug auf die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift und ihre Funktion als Pastor fügte er hinzu: „Statt der unterschiedlichen Lehren verschiedener Prediger und der persönlichen Ausstrahlungskraft, die bei ihrem Vortrag zur Geltung kommt, hören wir die reinen Worte der Bibel, die durch wenige Sätze aus einem Buch, das sie mit gutem Grund für besonders vertrauenswürdig halten, erklärt werden... Wir müssen zugeben, daß eine solche Kirche sehr wenig Organisation erfordert, um Gottesdienste abhalten zu können... Es ist gut, daß jemand uns dieses Beispiel, wie man eine Kirche so einfach leiten kann, gegeben hat, und wir wären froh, wenn unsere Kirchen, die sich in den neuen Territorien abmühen, davon hören könnten."The Christian Science Journal, September 1896, S. 281.
In gewissem Sinne ist die Kirche Christi, Wissenschafter, noch heute eine Kirche in neuem Territorium — in dem geistigen Neuland, das heute so wichtig ist für die Menschheit.
Als Mrs. Eddy einmal von ihren Schülern zu einer interessanten Ausstellung in Chikago eingeladen wurde, bemerkte sie: „Ich habe eine Welt der Weisheit und Liebe zu betrachten, die mich und euch angeht und die unendlich höher ist als alle irdischen Ausstellungen oder Schaustellungen. In Erwiderung eurer Freundlichkeit lade ich euch ernstlich ein, mit mir über diese Welt nachzusinnen und euch darauf vorzubereiten, sie zu erschauen." Vermischte Schriften, S. 321.
Sie wußte, daß es bei der Kirche, die sie gegründet hatte, nicht um menschliche Wahl oder menschliche Meinungen ging. Diese Kirche war vor allem das Resultat des Geistes und würde sich ständig erneuern, wenn sie dem Geist gehorchte. Nichts anderes kann die Lebendigkeit, Energie, unerläßliche Frische, Herzenswärme und Einheit vermitteln, die ganz natürlich sind, wenn man der Wissenschaft des Christentums folgt. Heutzutage — an der Schwelle des 21. Jahrhunderts in einem wissenschaftlichen Zeitalter — danach zu streben, in den Fußtapfen Jesu zu gehen, ist ein erlebnisreiches Abenteuer.
Wenn wie uns vor Augen halten, daß eine bemerkenswerte, christliche, geistige Entdeckung, an der wie alle teilhaben, das Herzstück dieser Kirche ist, ändert sich dramatisch unsere Vorstellung davon, was wertvoll oder notwendig ist. Wir suchen nicht länger nach zusätzlichen Anreizen. Wir erkennen, daß wir sozusagen an der Schwelle eines unermeßlichen geistigen Universums leben. Und vielleicht geht uns dann mit einem Mal auf, daß wir genau die Kirche haben, die wir brauchen — eine Kirche, deren einzigartige Aufgabe es ist, der Menschheit eine Tür zu einer geistigen Ara zu öffnen.
