Zahlen — in Form von Statistiken — informieren uns in zunehmendem Maße über die Welt, in der wir leben. Es gibt tatsächlich so viele statistische Angaben und Vergleiche — von Tendenzen im Wetter bis zu Wirtschaftstrends —, daß es nicht ungewöhnlich ist, wenn man sich gegen all die Zahlen auflehnen möchte. Und doch gibt es Statistiken, die ich unmöglich ignorieren kann und die mich an die Menschen denken lassen, die sich hinter den Zahlen verbergen.
Ich möchte Ihnen einige Beispiele aus jüngster Zeit geben. Im vergangenen Jahr erreichte die Weltbevölkerung die Fünfmilliardengrenze. Sie hat sich damit in etwas mehr als einer Generation verdoppelt. Gerade lese ich, daß zum Zeitpunkt, als das International Bulletin of Missionary Research im letzten Jahr in Druck ging, die Bevölkerung schätzungsweise auf 5 104 522 300 angewachsen war. Martin E. Marty, „But Who's Counting?“ The Christian Century, 6.–13. Juli 1988, S. 655. Ich kann anfangen, die Veränderungen in der Welt zu verstehen, wenn ich über die zusätzlichen 104 522 300 nachdenke. Allein dieser Zuwachs, der in nur ein paar Monaten zu verzeichnen war, entspricht der gesamten Bevölkerung der Vereinigten Staaten im Jahr 1920. Und ich kann mir einen nahezu vollständigen Begriff machen von diesen letzten 300. Ungefähr genauso viele Menschen sah ich gewöhnlich bei einem Basketballspiel an unserer Schule.
Aber was sagt uns die nächste Statistik? Die Anzahl christlicher Märtyrer pro Jahr ist laut letzter Statistik von rund 270 000 im Jahr 1980 auf etwa 310 000 angestiegen. Denken Sie mal eine Minute darüber nach. Für mich ist das ungefähr die Einwohnerzahl meiner Heimatstadt.
Reden wir hier nicht im Grunde über den Wert der Menschen? Was sind die Menschen wert? Oder vielleicht sollten wir sagen, was ist der einzelne Mensch wert? Die Tausende und Millionen und Milliarden führen letzten Endes zum Wert eines jeden Menschen in der Welt hin — immer des einzelnen. Diese einzelnen sind Sie und Ihre Mutter und Ihr Vater, Ihre Großeltern, Ihr Sohn oder Tochter, Ihr Ehemann, Ihre Frau, ja, auch Ihr geschiedener Mann oder Ihre geschiedene Frau, der Nachbar von nebenan, der Gefangene, der wegen seiner Überzeugung inhaftiert ist, vielleicht auf der anderen Hälfte der Erdkugel.
Nun denken Sie einmal über die Bibel nach, besonders über die Evangelien. Scharen von Menschen folgten Christus Jesus; eine wütende Menge versuchte ihn zu töten; und schließlich forderte das Volk seine Hinrichtung und die Freilassung von Barabbas. Aber lassen Sie sich nicht durch diese Mengen täuschen. Worum es den Evangelien eigentlich geht, sind nämlich die einzelnen Menschen. Jesu Gleichnisse befassen sich damit, wer wir als einzelne sind. Und das 15. Kapitel im Lukasevangelium könnte man fast als eine Achse ansehen, um die sich eine zentrale Botschaft der Christlichen Wissenschaft dreht: Gott ist göttliche Liebe, und die göttliche Liebe ist immer gegenwärtig; sie ist unser Leben und unsere Hoffnung. Das Kapitel beginnt mit dem Hirten, der nach dem einen verlorenen Schaf sucht und es findet.
Hier beginnt die geistige Erkenntnis der Beziehung Gottes zu uns. Jeder Mann und jede kann die realistische Hoffnung haben, daß Gottes Liebe das menschliche Leben errettet und erlöst. Die Zahlen können nur andeuten, was es bedeutet, daß es in der Welt in einem Jahr 310 000 christliche Märtyrer gibt. Wie auch die Lebensumstände in jedem einzelnen Fall sein mögen, wir wissen schon, daß es viel Brutalität in der Welt gibt. Wir sind Zeugen der Brutalität. Wir mögen uns zwar nicht unbedingt selbst für christliche Märtyrer halten. Und vielleicht ist das auch gut so. Aber eine der grundlegenden Botschaften in den Evangelien besagt, daß wir ein Kreuz auf uns nehmen müssen, um Christus wirklich nachzufolgen.
Wie sehr wir uns dagegen sträuben mögen, unseren Glauben auf einem solchen Verständnis aufzubauen, so dürfen wir doch Jesu Worte nicht vergessen, daß wir das Kreuz auf uns nehmen und ihm nachfolgen sollen. Weniger zu tun wäre töricht, wenn wir tatsächlich Jesu Lehren ernst nehmen und versuchen wollen, ihnen gemäß zu leben. Die Kraft und Bedeutung des Kreuzes liegt nicht bloß in der Botschaft, daß man für seinen Glauben leiden muß. Die tiefere kraft des Kreuzes liegt darin, daß wir von dem geistigen Verständnis, daß unser Leben von Gott stammt, so durchdrungen werden, daß uns nichts veranlassen kann, diese lebenspendende geistige Wahrheit aufzugeben.
Die Botschaft der Evangelien endet nicht mit dem Kreuz. So wie Matthäus, Markus, Lukas und Johannes unsere Bedeutung als einzelne für Gott — und füreinander — in den Mittelpunkt stellen, beschließen sie ihren Bericht insgesamt mit der Auferstehung, der Versöhnung, dem Heilungsauftrag und der Himmelfahrt. Die Evangelien beschreiben einen geistigen Sieg, einen Sieg, der keinen einzelnen von der Herde des Hirten ausschließt. Daran müssen wir denken, während wir zugleich in der Christlichen Wissenschaft die absolute, unveränderliche Tatsache zu verstehen beginnen, daß wir in unserem wahren Selbst das geistige Bild und Gleichnis Gottes sind — sündlos, vollkommen, gottähnlich. In Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Die Göttlichkeit des Christus wurde in der Menschlichkeit Jesu offenbar." Wissenschaft und Gesundheit, S. 25.
In der Christlichen Wissenschaft finden wir in der Tat ein Ja zur Menschheit, einer Menschheit, die durch Geistigkeit — durch das göttliche Gesetz — erhoben ist. Eine solche Geistigkeit zerstört Krankheit und wandelt den Sünder um, und wir können die Tatsache nicht übersehen, daß sie dies aus einer tiefen, ausströmenden Liebe bewirkt, die von Gott kommt. Die Christliche Wissenschaft ist der Freund der Menschheit. Und die Christlichen Wissenschafter sollten nicht nur die beinahe unbeschreibliche Schönheit der Heiligkeit spüren und erkennen, sondern auch den natürlichen Impuls, hier auf Erden im Namen und im Geiste Christi den Menschen behilflich zu sein. In der Christlichen Wissenschaft überwindet man das Sterbliche und Materielle durch die Verchristlichung und Vergeistigung des Denkens, nicht durch die Vernachlässigung der Menschheit. Und das Erbarmen, das durch die Christliche Wissenschaft gepflegt wird, ist für ihre Heilarbeit grundlegend — für uns und für diejenigen, denen wir helfen möchten.
Manchmal können Zahlen dienlich sein, wenn sie uns wieder auf den Wert der Menschheit verweisen, auf den Wert jedes einzelnen. In dem Maße, wie diese geistige Bewegung in uns gefördert wird — und dies ist Gottes Wirken —, zeigen sich Heilung und Liebe und geistige Versöhnung. Das ist eine Verheißung. Sie stammt nicht von mir, sondern von Gotte!
.. . echte Religion drückt sich in ganz alltäglichen Dingen aus, wie darin, daß man Leute besucht, die mit Schwierigkeiten kämpfen, und daß man trotz äußerer Umstände standhaft am Glauben festhält. Das Neue Testament sieht natürlich nichts Schlechtes darin, daß man ein klares Leitbild von Gott hat, aber es beharrt darauf — und das ist gut so —, daß man sich ein derartiges Leitbild durch tätige Nächstenliebe erarbeiten muß.. . [Jesus] entspricht keineswegs dem Bild eines „mystischen Heiligen“.
Nachdruck aus Your God is Too Small von J. B. Phillips.
Copyright © 1952 Epworth Press.
Nachdruck mit Genehmigung.
