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Mit unserem Gebet allein

Aus der Januar 1990-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Letztes Jahr erschien in der Zeitschrift The Christian Ministry eine Predigt, in der berichtet wurde, daß der große Komponist Georg Friedrich Händel einmal persönlich und beruflich viel Schweres durchmachen mußte. Er hatte gerade eine schwere Krankheit überstanden, durch die seine Hände teilweise gelähmt worden waren. Er schien nicht in die gesellschaftlichen Kreise des Europas des 18. Jahrhunderts zu passen, selbst nicht einmal in die seiner Kollegen in der Musik. Aber das Wissen, daß seine Musik nicht anerkannt wurde, hatte ihn wohl am meisten niedergeschmettert. Ja, seine neuen Opern waren — zumindest in den Augen der Öffentlichkeit — Mißerfolge. Seine Gläubiger waren ihm ständig auf den Fersen.

Er war ein einsamer Mann, dem kaum Anerkennung für sein Lebenswerk entgegengebracht wurde. Doch dann trat eine Wende in Händels Leben ein. Wie berichtet wird, war er eines Abends von anderen Musikern auf einem gemeinsamen Treffen brüskiert worden und danach sehr niedergeschlagen heimgekehrt. Ein Freund war jedoch vorbeigekommen und hatte „auf dem Schreibtisch ein Päckchen zurückgelassen, in dem sich eine Sammlung von Bibelversen befand; sein Freund nannte sie den, Messias'.“ Zuerst war Händel nicht danach zumute, sich mit diesen Versen zu beschäftigen, doch dann weckte eine Stelle seine Aufmerksamkeit. Sie steht im Alten Testament (Jes 40:1, 5): „Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott... Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen.“

Auf beinahe wundersame Weise eröffneten jene Bibelverse dem Komponisten neue Ausblicke aufs Leben. „Händels Einsamkeit verschwand nach und nach... Harmonien mächtiger Chöre und Musik für Orchester und Orgel durchfluteten seine ermattete Seele und gaben ihm neues Leben. Mit unglaublicher Schnelligkeit füllte er Seite um Seite. Er arbeitete die ganze Nacht, ohne zu schlafen.“

In den folgenden drei Wochen schrieb der Komponist ununterbrochen, allein durch das inspiriert, was gewiß seine eigenen Gebete waren. „Jene Tage der Einsamkeit waren der Höhepunkt in Händels Leben. Er sagte: ,Die Tore des Himmels taten sich weit auf, und ich befand mich in der Gegenwart des allmächtigen Gottes.' “ Siehe Dick Underdahl-Peirce, „When God Seems Far Away“, The Christian Ministry, Januar–Februar 1989, S. 24.

Wie wir natürlich wissen, zählt heute Händels Messias zu den größten, bewegendsten und beliebtesten Werken der ernsten Musik. Seine bemerkenswerte Erfahrung beweist, welche Macht der Heiligen Schrift innewohnt. Sie zeigt ferner, welche Gnade und welche Wunder in das menschliche Leben kommen können, wenn unsere Abgeschiedenheit im Gebet uns in die bewußte Gegenwart Gottes bringt.

Christus Jesus, der Messias, lehrte seine Nachfolger, wie überaus wichtig es ist, ein gebeterfülltes Leben zu führen. Er sprach über das ernstliche, inbrünstige Gebet — über die beständige Suche nach der Wahrheit und über die reine Anbetung Gottes. Aber er warnte die Jünger auch vor dem heuchlerischen Gebet. So lehrte er sie zum Beispiel, daß ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen der öffentlichen Zurschaustellung unserer Gebete, durch die wir vor allem andere beeindrucken wollen, und der privaten Zwiesprache mit unserem himmlischen Vater, die es uns ermöglicht, ganz ehrlich über unsere tiefsten Sehnsüchte zu sprechen. Nachdem Jesus seine Nachfolger vor der Eitelkeit derer gewarnt hatte, die „an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden“, gab er den Rat: „Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.“ Mt 6:5, 6.

Jeder von uns kann sich in der Stille unmittelbar Gott zuwenden, ohne daß er befürchten muß, er werde mißverstanden. An diesem „verborgenen“ Ort des Gebets haben wir Gelegenheit, demütig unsere Ziele, unsere Prioritäten und Wünsche zu prüfen. Und dort können wir auch die geistigen Wahrheiten über Gott und den Menschen entdecken, die die Regierung des göttlichen Prinzips in unserem Leben begründen. Solch hingebungsvolles Gebet öffnet den Weg zur Freiheit von der Sünde und merzt sie aus unserem Charakter aus. Gebet heilt uns von Krankheit und nimmt die Last des Kummers oder der Verzweiflung von uns. Gebet vertieft, bereichert und erweitert unsere Zuneigung zu Gott und Seiner Schöpfung.

Welche geistige Tatsache wird nun durch Gebet erhellt? Es kann neben vielen anderen Dingen die zunehmende Erkenntnis sein, daß Gott nahe ist, daß Er immer gegenwärtig ist und daß Seine Macht auf keinen Widerstand stößt, weil Er der eine unendliche Geist, das allwissende Gemüt die göttliche Liebe ist. Durch Gebet werden wir uns bewußt, daß Gottes Güte nicht abwesend ist, selbst wenn wir das meinen. Gebet bestärkt uns in der Überzeugung, daß Gott immer für Seine Kinder sorgt; und uns wird langsam klar, daß wir alle tatsächlich Gottes kinder sind.

Wer sich mit der Christlichen Wissenschaft befaßt, lernt, daß er die fundamentale Verantwortung zum Gebet aus freien Stücken akzeptieren muß, wenn er ein aufrichtiger Nachfolger Christi Jesu sein möchte. Im Handbuch Der Mutterkirche von Mary Baker Eddy wird uns diese christliche Pflicht mehrfach und nachdrücklich dargelegt. Es heißt dort, daß wir täglich die Pflicht haben, geistig zu wachen und beständig zu beten. Siehe Handb., Art VIII Abschn. 1, 4. Im Kirchenhandbuch wird ferner aufgezeigt, daß die selbstlosen Gebete in den Kirchen der Christlichen Wissenschaft von zentraler Bedeutung sind — Gebete, die die gesamte Gemeinde einschließen. Siehe ebd., Art. VIII Abschn. 5. Auch wird im Kirchenhandbuch auf die Stärke, Lebendigkeit und Freude hingewiesen, die sich einstellen, wenn wir dem geistigen Ruf, zu beten und zu studieren, von ganzem Herzen folgen. „Ein Christlicher Wissenschafter", so schreibt Mrs. Eddy, „wird nicht müde vom Beten und vom Lesen in der Bibel oder im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft." Ebd., Art. XVII Abschn. 1.

Das individuelle Studium der Bibel und des Lehrbuchs der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, gibt dem Christlichen Wissenschafter neue Kraft. Durch dieses Studium gewinnen wir ein tieferes Verständnis von der geistigen Bedeutung der Dinge, die uns im Gebet offenbart werden. Aus dem inspirierten Wort der Heiligen Schrift und aus den Lehren der Christlichen Wissenschaft wird folgendes deutlich: Wenn wir die Bedeutung unserer Gotteskindschaft erfassen, heißt das nicht, daß sich das menschliche Leben verbessert oder ein wenig angenehmer wird; es bedeutet vielmehr, daß wir umgewandelt, erneuert werden. Wir erwachen und entdecken, daß der Mensch das geistige Ebenbild, der reine Ausdruck Gottes ist. Und in dieser geistigen Beziehung, in der wir alle zu Gott stehen, wird die Macht zur Heilung und Erlösung realisiert.

In Wissenschaft und Gesundheit finden wir folgende Beschreibung der Erfordernisse, die an das gebeterfüllte Leben eines Christen gestellt werden: „Um recht zu beten, müssen wir in das Kämmerlein gehen und die Tür schließen. Wir müssen die Lippen schließen und die materiellen Sinne zum Schweigen bringen. In dem stillen Heiligtum ernsten Sehnens müssen wir die Sünde verneinen und die Allheit Gottes geltend machen."

Dann folgt die eigentliche Aufgabe und deren Erfüllung im Alltag: „Wir müssen uns entschließen, das Kreuz auf uns zu nehmen, müssen uns mit ehrlichem Herzen aufmachen und arbeiten und wachen, daß uns Weisheit, Wahrheit und Liebe zuteil werde. Wir müssen beten, ohne Unterlaß'. Solches Gebet wird in dem Maße erhört, wie wir unsere Wünsche in die Tat umsetzen. Des Meisters Weisung lautet, wir sollen im Verborgenen beten und unser Leben unsere Aufrichtigkeit bezeugen lassen."Wissenschaft und Gesundheit, S. 15.

Mit unserem Gebet allein zu sein bedeutet, mit Gott allein zu sein — eins zu sein mit der wahren Quelle und Substanz unseres Seins. Dort finden wir die Kraft, all das Gute zu tun, das wir rechtmäßig tun können. Wir mögen nicht wie Händel einen Messias komponieren. Sicherlich werden wir aber andere Mittel und Wege entdecken, wie wir unserer Welt helfen, unsere Mitmenschen aufrichten und Heilung bringen können. Und geistiges Heilen, das durch Gebet erfolgt, gehört sicherlich zu den wichtigsten Beiträgen, die wir individuell zum Wohle der Menschheit leisten können.

Jene Verheißung aus dem Buch des Propheten Jesaja inspiriert auch weiterhin jede demütige Anstrengung im Dienste unseres himmlischen Vaters: „Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott... Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden.“ Mit unserem Gebet allein zu sein bedeutet, die Gnade Gottes zu empfinden, Zeuge für Seine errettende Macht zu sein. Für dieses stille, vom Herzen kommende Gebet müssen wir uns täglich und häufig die Zeit nehmen — und wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um „ohne Unterlaß“ unserem Gebet gemäß zu leben.

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