Zuallererst ist ein christlich-wissenschaftlicher Pfleger Christlicher Wissenschafter — ein Christlicher Wissenschafter, der sich für das Pflegen, für einen heiligen Dienst am Nächsten entschieden hat. Und was ist nun ein Christlicher Wissenschafter? Mrs. Eddy hat darauf eine genaue und eindeutige Antwort gegeben. Sie sagt es so: „Ein echter Christlicher Wissenschafter ist etwas Außerordentliches, ein Wunder im Universum des sterblichen Gemüts. Mit selbstloser Liebe schreibt er die lebendige, fühlbare Gegenwart der Güte — ihre Macht und Majestät — in das Herz der Menschheit und überträgt sie in das Buch der Wirklichkeit." Vermischte Schriften, S. 294 Welch hohe Anforderungen werden an einen christlich-wissenschaftlichen Pfleger gestellt — und somit an jeden Christlichen Wissenschafter —, um dieser Norm gerecht zu werden!
Muß nicht erst diese Grundlage — die Ausbildung zu einem „echten Christlichen Wissenschafter" — vorhanden sein, damit jemand für das christlich-wissenschaftliche Pflegen qualifiziert ist? Ganz entscheidend ist es, daß diese Priorität klar gesehen wird, noch ehe man, wie es allgemein genannt wird, an einem „Pflegelehrgang" teilnimmt.
Und steht das nicht in Einklang mit dem, was Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit als Norm für das Pflegen festgelegt hat? In dem Kapitel „Die Betätigung der Christlichen Wissenschaft" lesen wir neben der Randüberschrift „Hilfen bei Krankheit": „Eine übellaunige, mürrische oder unaufrichtige Person sollte nicht Pflegerin sein. Die Pflegerin muß fröhlich, ordentlich, pünktlich, geduldig und voll Vertrauen sein — empfänglich für Wahrheit und Liebe." Wissenschaft und Gesundheit, S. 395. (Vielleicht liegt auch uns die Frage auf der Zunge, wie dem jungen Pfadfinder, der gerade zum ersten Mal gehört hatte, welche guten Eigenschaften alle einen Pfadfinder auszeichnen: „Und das alles auf einmal?")
Wenn man es sich überlegt, so werden in dieser Beschreibung hohe Anforderungen gestellt! Vielleicht sogar höhere als uns auf den ersten Blick deutlich werden. Pflegerin und Pfleger stoßen oft auf negative Symptome, mentale und physische, und die können manchmal recht aggressiv sein. Auf diese Weise werden die Pfleger ganz gewiß auf die Probe gestellt, ob sie beständig „fröhlich, ordentlich, pünktlich, geduldig und voll Vertrauen" sein können — ob sie beständig eine klare Transparenz sind, durch die das Sonnenlicht der Wahrheit und Liebe unbehindert hindurchscheinen kann.
Im Handbuch Der Mutterkirche macht Mrs. Eddy in Artikel VIII Abschnitt 31 unter der Überschrift „Christlich-wissenschaftliche Pfleger" kurz und bündig klar, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Es ist von Bedeutung, daß sich diese Bestimmung unter jenen Satzungen befindet, die mit „Disziplin" überschrieben sind.
Wer um Pflege bittet, braucht meistens sowohl Disziplin als auch Anleitung, um sein Denken so zu läutern, daß Heilung eintritt. Manchmal mag es so scheinen, als bestehe die Aufgabe des Pflegers darin, anzuleiten und zur Disziplin anzuhalten. Aber dem ist nicht so. Ein derartiges persönliches Verantwortungsgefühl wäre für das Pflegepersonal eine unmögliche Belastung.
Wenn man jedoch erkennt, daß das Kirchenhandbuch die Grundlage für die notwendige Disziplin und Anleitung ist, wird dem Pfleger die Arbeit sehr viel leichter gemacht, denn sie ist dann nicht mehr auf rein persönliche Anstrengungen begrenzt. Die strengen Forderungen der Wissenschaft des Christus brauchen nicht belastend zu erscheinen und sind es auch nicht, wenn die Forderungen des göttlichen Prinzips willig und liebevoll befolgt werden.
Wird nicht hierdurch allen Christlichen Wissenschaftern, die sich auf das christlich-wissenschaftliche Pflegen vorbereiten oder schon als Pfleger gemäß Kirchenhandbuch tätig sind, der Weg gewiesen? Eine gute Pflegerin oder ein guter Pfleger ist wie eine gute Mutter. Die Mutterschaft Gottes, als liebevolle, intuitive Koordination verstanden und demonstriert, stärkt den geistigen Sinn, der weit hinausgeht über alles bloß menschliche Wissen mit seinen Verästelungen in medizinischen Theorien und Hygienepraktiken.
Mit das erste, was ein christlich-wissenschaftlicher Pfleger lernt, ist, den Patienten Gott anzuvertrauen. Während der Pfleger liebevoll für den Patienten sorgt, wird er achtsam jedes persönliche Verantwortungsgefühl zurückweisen.
Dieses falsche Verantwortungsgefühl kann sich auf vielen Wegen ins Denken einschleichen und so unbemerkt das Handeln beeinflussen. Der Irrtum oder tierische Magnetismus drängt sich zum Beispiel durch die Suggestion auf, daß man in Eile sei. In der Bibel heißt es bei Jesaja, daß Gott sagt: „Wer glaubt, der flieht nicht." Jes 28:16. Ja, Druck, Zeitmangel, dringende Forderungen, Sorge, Furcht und falsche Verantwortung können uns beunruhigen und zur Verzweiflung bringen, wenn sie erst einmal in uns Fuß gefaßt haben.
Vor Jahren kannte ich eine Pflegerin der Christlichen Wissenschaft, der es schwerfiel, mit den fordernden Krankheitsfällen fertig zu werden, zu denen sie gerufen wurde. Schließlich beschloß sie, nur noch leichte Fälle anzunehmen. Zu ihrer Bestürzung mußte sie aber bald feststellen, daß das nicht so lief, wie sie es sich gedacht hatte. Die Fälle, die sie übernommen hatte und die sie für „leicht“ gehalten hatte, entwickelten sich zu sehr schweren Fällen.
Schließlich pflegte sie einen Patienten, dessen Schlafzimmer im oberen Stockwerk lag, während sich alle Einrichtungen, selbst fließend Wasser, im Parterre befanden. Immer schneller und schneller rannte sie die Treppen rauf und runter. Sie betete ernsthaft, und als sie eines Tages halb die Treppe hinaufgelaufen war, kam ihr die Frage: „Willst du ewig so herumrennen?“ Und sie dachte: „Du lieber Himmel, nein!" Dann wurde ihr klar: „Dann mußt du sofort damit aufhören."
Sie wußte, sie mußte dieser geistigen Eingebung folgen, aber es fiel ihr schwer, nicht mehr herumzueilen und langsam und ruhig die Treppen hinauf- und hinunterzugehen, schwerer als alles, was sie je getan hatte. Doch als sie es tat und in Ruhe betete, um sich die geistige Wahrheit über den vollkommenen Gott und Seinen vollkommenen Menschen bei jedem Schritt zu vergegenwärtigen, stellte sie freudig überrascht fest, daß sich die ganze Atmosphäre änderte. Danach empfand sie nie mehr die Bürde falscher Verantwortung, die „schwere" Fälle mit sich gebracht hatten.
Im Kapitel „Die Betätigung der Christlichen Wissenschaft" Finden wir zwei besonders anschauliche Beispiele für das Pflegen. Das erste betrifft Florence Nightingale; Mrs. Eddy schildert sie als einen Menschenfreund, den das göttliche Gesetz bei Ermüdung und Gefährdungen, die über das gewöhnliche menschliche Maß hinausgingen, gestärkt hat. Siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 385.
Das zweite Beispiel betrifft den Mann in der allegorischen Gerichtsverhandlung. Angeklagt vom Persönlichen Sinn vor dem Gerichtshof des Irrtums, wird er der Wohltätigkeit für schuldig befunden, weil er seinen kranken Freund gepflegt hat. Er wird „verurteilt, zu Tode gefoltert zu werden". Doch als der Fall vor das Gericht des Geistes kommt, wird das Urteil widerrufen, und am Ende erklären ihn die Geschworenen, die Geistigen Sinne, für nicht schuldig. Der „Pfleger" wird entlastet und auf freien Fuß gesetzt. (Siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 430—442.)
Die Tatsache, daß der christlich-wissenschaftliche Pfleger herbeigerufen wird, um für einen Kranken zu sorgen, bedeutet, daß er oft unmittelbar mit alarmierenden körperlichen Symptomen oder bedrückender Launenhaftigkeit konfrontiert wird. Die Herausforderung des persönlichen Sinnes muß überwunden werden.
Das bedeutet, daß eine materielle Identitätsvorstellung dem unkörperlichen Gottesund Menschenbild weichen muß — der wachsenden Erkennntnis, daß von einem geistig wissenschaftlichen Standpunkt aus, wie Mrs. Eddy schreibt, „Identität. .. die Widerspiegelung des Geistes [ist], die Widerspiegelung in mannigfaltigen Formen des lebendigen Prinzips, Liebe" Ebd., S. 477..
Die Funktion des christlich-wissenschaftlichen Pflegers ist besonders wichtig, wenn diese wissenschaftliche Vorstellung auf jenen dringlichen Bereich menschlicher Not angewendet wird, wo sich die Heilung nur langsam zu vollziehen scheint. Die hingebungsvolle tägliche Disziplin, die dem Bewußtsein des Pflegers beständige Erneuerung bringt, kann für den Patienten eine wichtige Hilfe sein und für seinen Sieg den Ausschlag geben.
Am Schluß des Buches Rückblick und Einblick schreibt Mary Baker Eddy: „Ich bin überzeugt, daß die Christlichen Wissenschafter nur durch die Bescheidenheit und die ungewöhnliche Liebe, die Jesu Laufbahn kennzeichnete, bei der Aufrichtung des Reiches Christi auf Erden helfen können."
Und sie beschließt dieses Buch mit dem folgenden Gedicht von A. E. Hamilton:
Bitt um die Fähigkeit,
zu trösten zart.
Dein Leben wird gesegnet sein,
dazu bewahrt,
dem Nächsten Mitgefühl zu weih'n.
Schwer drückt hinunter doch das Leid
ein jedes Herz,
und Tröstende mit sanfter Hand
braucht jedes Land.Rückbl., S. 94, 95.
Welch ein tief inspirierender Aufruf ergeht mit diesem Gedicht an alle Christlichen Wissenschafter, und wie wunderbar wird mit diesen Worten die Rolle des christlich-wissenschaftlichen Pflegers beschrieben.
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes,
der uns tröstet in aller unserer Trübsal,
damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind,
mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.
2. Korinther 1:3, 4
