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Grau und Grün

Aus der Juni 1990-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein kürzlich erschienenes Kinderbuch erzählt die Geschichte von zwei Inseln, die die grüne und die graue Insel genannt werden. Am Schluß der Geschichte gedeiht und überlebt die grüne Insel aufgrund ihrer Liebe und ihres Respekts für das Leben. Die graue Insel aber ist unter dem Gewicht eines schonungslos verfolgten Materialismus auf den Grund des Meeres gesunken. Ivan Gantschev, Die grüne Insel und die graue Insel (Salzburg: Verlag Neugebauer Press, 1985).

Interessanterweise bewegt der anerkannte Physiker Freeman Dyson in seinem Buch Disturbing the Universe ähnliche Gedanken. „Bei allem, was wir auf der Erde oder im Weltall unternehmen“, schreibt er, „haben wir die Wahl zwischen zwei Wegen, die ich den grauen und den grünen nenne.“Disturbing the Universe (New York: Harper Colophon Books, 1981), S. 227. Mit „grau“ meint er offensichtlich eine seichte, eigennützige, negative, „nehmende“ Haltung. Unter „grün" versteht er auf der anderen Seite eine „gebende" Haltung, die Mensch und Natur respektiert und bereichert, statt sie auszuplündern.

Der Physiker, der Kinderbuchautor, Wirtschaftswissenschaftler, Rockmusiker und noch viele andere scheinen heutzutage darin übereinzustimmen, daß die Welt sich grundlegend ändern muß, wenn Menschheit und Umwelt überleben sollen. Aber die Menschen müssen nicht so sehr das ändern, was sie produzieren und konsumieren, als ihre Denkweise — und insbesondere ihr Verhalten anderen Menschen gegenüber.

Sie oder ich sind vielleicht nicht in der Lage, direkt an großen gesellschaftlichen Problemen zu arbeiten. Und doch unterstützen — oder behindern — wir mit jedem Schritt, den wir tun, den großen Wandel, den viele für so nötig halten. Jeden Tag treffen wir die Wahl zwischen grau und grün. Und man könnte sagen, daß die Summe dieser Entscheidungen die Atmosphäre der Erde bildet oder eine „Umwelt“ schafft.

Jeder weiß von Fällen, wo Menschen eine bemerkenswert gute Entscheidung getroffen haben. Als Beispiel fällt mir ein Angestellter bei der Kraftfahrzeugzulassungsstelle ein, der immer wieder von seinem Schreibtisch aufsteht und mit den Menschen spricht, die gelangweilt und oft mißmutig in der langen Warteschlange stehen. Er beruhigt sie, redet ihnen gut zu und verbreitet Fröhlichkeit. Er verwandelt eine ausgesprochen graue Erfahrung in etwas Lebendiges, Menschliches — in etwas „Grünes“. Oder nehmen wir den Mann, der vom Bostoner Marathon begeistert ist und seinen innig geliebten Sohn jedes Jahr im Rollstuhl die 42 Kilometer lange Strecke vor sich hin schiebt. Er hat die Lebensgeister von Tausenden, die ihn beobachtet haben, beflügelt.

Was uns dabei hilft, Entscheidungen wie diese zu treffen, ist die tiefe Gewißheit, daß das „Grün“, über das wir sprechen, tatsächlich existiert. Ein Psalm aus der Bibel enthält eine hilfreiche Botschaft: „Der Herr ist mein Hirte“, heißt es dort. „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.“ Ps 23:1, 2. Lehrt uns dieses bekannte Bild aus der Bibel nicht, daß wir auch unter schwierigen Umständen ein nährendes, wachsendes, lebendiges Bewußtsein vom Guten finden können, weil dieses Gute ja stets gegenwärtig ist? Weil Gott existiert, existiert auch das Gute immer und braucht nur wahrgenommen zu werden.

Durch ein größeres Vertrauen auf diese Gegenwart des Guten können wir statt einer nach innen gekehrten, „nehmenden“ eine „gebende“, anderen zugewandte Haltung einnehmen. Ja, das absolute Verständnis der Allgegenwart des Guten führt zu einem Leben wie dem, das Jesus gelebt hat, einem nur gebenden, nur heilenden Leben.

Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, um auch nur in Anfängen die Möglichkeiten zu verwirklichen, die Jesus aufgezeigt hat. Sein Leben aber ist zweifellos das Vorbild — und ein Vorbild nicht nur für das erste Jahrhundert, sondern auch für das zwanzigste und einundzwanzigste.

Wir müssen uns jedoch vergegenwärtigen, daß sein Leben viel mehr ist als lediglich ein Ideal. Die Christliche WissenschaftChristian Science (kr’istjən s'aiəns) erklärt, daß das, was wir in Jesus sehen, die wahre Natur des Menschen ist, die auf konkrete Weise sichtbar geworden ist. Und wie er verheißen hat, erkennen wir, wenn wir ihm nachfolgen, immer mehr, daß dies auch unsere eigene wahre Natur ist.

Die Einstellung, sich alles zu holen, alles zu nehmen und für sich selbst zu behalten, die so weitverbreitet scheint, beruht auf einem falschen Verständnis davon, wer und was wir sind. Sie setzt voraus, daß der Mensch materiell und begrenzt ist und daß das Gute, das er besitzt, nur aus Materie besteht, die wiederum begrenzt ist. Dementsprechend glauben wir, daß wir keine Zeit hätten, uns um andere zu kümmern; daß das Gute eines anderen etwas von unserem Guten wegnehme; daß wir mehr Materie, Geld oder Macht brauchten, um mehr Gutes zu haben.

In Wahrheit ist jedoch alles völlig anders. Unserer wahren Natur nach sind wir der Ausdruck Gottes, der Geist ist. Er ist die Quelle alles Guten, und deshalb ist das Gute unerschöpflich und unendlich und wird von uns wie auch von der gesamten Schöpfung widergespiegelt. Wir können es niemals besitzen oder uns daran klammern wie an einen persönlichen Besitz. Es gehört allen und wird von Gott uneingeschränkt verteilt. Und es ist immer da und kann gefunden werden. Vom Standpunkt eines Chrsitlichen Wissenschafters aus ist dies die wahre Wissenschaft des Seins.

Wir können selber entdecken, wie bemerkenswert beständig das Gute ist. Die kleinsten Erlebnisse bauen aufeinander auf. Wir werden überrascht feststellen: Wenn wir für einen Nachbarn etwas Selbstloses tun, wozu wir geistig geführt worden sind, nimmt das vorhandene Gute nicht ab, sondern zu. Wir erleben mehr Ordnung und Freiheit, nicht weniger. In einer anderen Situation, in der die Umstände vielleicht gar nicht mehr schlimmer sein könnten, in einer von Haß und Skepsis erfüllten Atmosphäre, finden wir die Möglichkeit, zu erkennen, daß die göttliche Liebe für jeden gegenwärtig ist, und entsprechend zu handeln.

Schrittweise wird uns bewußt, daß wir weniger von einer Situation zur nächsten leben und mehr und mehr auf der Grundlage, daß das Gute immer da ist. Mary Baker Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Wir Dunst vor der Sonne zerfließt, so würde das Böse vor der Wirklichkeit des Guten vergehen. Eins muß das andere verbergen. Wie wichtig ist es also, das Gute als die Wirklichkeit zu wählen!ä Wissenschaft und Gesundheit, S. 480.

Wenn wir auf diesem Weg vorangehen, beginnen wir etwas Neues zu begreifen: Die graue, materialistische Vorstellung vom Menschen ist in der Tat stets falsch. Sie ist veraltet und unproduktiv. Das „Grüne“ auf der anderen Seite, das man lediglich als ein Ideal betrachtete, ist das Eigentliche, das zutrifft und praktikabel ist. Was es über unsere Natur sagt, ist wissenschaftlich, wesentlich und zutiefst wahr. Es sagt alles über die Zukunft der Menschheit.

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