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Vergiß deine Worfschaufel nicht!

Aus der Oktober 1991-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der erste Schultag war immer aufregend. Ich konnte ihn kaum erwarten. Und wie gründlich ich mich darauf vorbereitet hatte! All meine Schulsachen lagen bereit, und ich hatte überall meinen Namen draufgeschrieben.

An dem Sonntag im September, bevor die Schule wieder anfing, trug ich meine neuen Schuhe und mein neues Schulkleid in der Sonntagsschule. Während der ganzen Autofahrt guckte ich auf meine Schuhe und band immer wieder die Schleife an meinem neuen karierten Kleid.

Als wir bei der Kirche ankamen, sagte meine Mutter: „Judith Ann“ (sie meinte es immer sehr ernst, wenn sie mich so nannte), „jetzt vergiß mal dein Kleid für eine Stunde. Die Schule fängt erst in zwei Tagen an. Aber jetzt ist Sonntagsschule, also konzentriere dich darauf.“

Ich kam ein paar Minuten zu früh in meine Klasse, und meine Sonntagsschullehrerin (Miss Woodson) fragte mich, ob ich schon all meine Schulsachen gepackt hätte. Ich erzählte ihr von meinen neuen Buntstiften. Und daß ich nagelneue Bleistifte hätte (keine Stummel mehr mit abgekautem Radiergummi). Ich erzählte ihr, daß Miss Colvin (meine Lieblingslehrerin an der Schule) meine Klassenlehrerin sein würde und daß meine Freundin Jackie auch in meiner Klasse war!

Dann kamen Sandra und Glenn (andere Kinder aus der Klasse), und die Sonntagsschule begann. Miss Woodson sagte: „Heute wollen wir einmal über Worfschaufeln sprechen.“

Ja, und da saßen wir nun, so aufgeregt über diesen wichtigen ersten Schultag, der vor der Tür stand — und sie wollte mit uns über Worfschaufeln sprechen. Ich denke mir, sie sah uns an, daß wir nicht besonders daran interessiert waren, denn sie hörte plötzlich auf zu sprechen. Und wir auch. Alles war still.

Dann sagte sie: „Nun, ihr denkt doch, daß ihr alles für die Schule am Dienstag vorbereitet habt. Aber eure Worfschaufel werdet ihr sogar noch dringender brauchen als eure Bleistifte, Füller, Radiergummis und Bücher.” Wir dachten bei einer Worfschaufel alle an so etwas wie das hier:

Aber Miss Woodson sagte, sie meinte eine ganz andere Schaufel. Sie zeigte uns ein Bild von einer Worfschaufel in ihrem Bibellexikon und sagte, wir würden wahrscheinlich in unserem ganzen Leben nie so eine zu sehen bekommen. (Und ich dachte: Warum müssen wir denn dann darüber sprechen?) Aber Miss Woodson meinte, wir müßten wissen, was die Worfschaufel tut. Sie trennt nämlich die Spreu — den Abfall — vom Getreide. Die Leute warfen damit Weizen hoch in die Luft. Das Korn, das schwer ist, fällt herunter auf einen Haufen, und der Wind bläst die Spreu weg.

„Das wird eine endlos lange Stunde werden", dachte ich. Einen Augenblick lang schaltete ich ab, aber Miss Woodson holte mich zurück. Sie bat mich, etwas aus der Bibel vorzulesen, aus Jesaja: „Siehe, ich habe dich zum scharfen, neuen Dreschwagen gemacht, der viele Zacken hat, daß du Berge zerdreschen und zermalmen sollst und Hügel wie Spreu machen. Du sollst sie worfeln, daß der Wind sie wegführt und der Wirbelsturm sie verweht.”

Dann fragte sie uns, was das wohl mit unserem ersten Schultag zu tun hätte. Wieder Stille. („Nichts”, dachte ich, aber ich sagte es nicht. Ich sehnte mich nach dem Ende des Unterrichts.)

Miss Woodson gab uns einen Tip: daß Christus Jesus nirgendwo ohne seine Worfschaufel hinging und sie immer benutzte. Wir waren noch immer still. „Seine Worfschaufel war nicht aus Holz, sondern mental”, fügte sie hinzu, „sie trennte das, was ist, von dem, was nicht ist.” Und wir hätten auch Worfschaufeln. Noch immer sagten wir nichts. Da erklärte uns Miss Woodson, daß unsere Worfschaufel das ist, was wir über Gott wissen. Das ist unser „scharfer. .. Dreschwagen, der viele Zacken hat.” „Zacken” zu haben bedeutet, wirksame Arbeit zu leisten. Und „Berge” können gewaltige Probleme sein, die uns manchmal zu überwältigen scheinen.

Dann fragte uns Miss Woodson, was wir über Gott wüßten. Das war leicht, und wir wußten alle etwas darauf zu antworten. Er ist gut, ja, der Meinung waren wir alle. Und Er sorgt für alle Seine Kinder. Er liebt und beschützt uns und erinnert uns ständig daran, daß wir immer gut und ehrlich sind, nie gemein oder dumm oder ängstlich oder krank.

Dann las uns Miss Woodson eine Erklärung aus Wissenschaft und Gesundheit vor. (Und nun wußten wir, wo sie ihre Ideen herhatte!) „Worfschaufel. Das, was die Fabel von der Tatsache trennt; das, was dem Gedanken Tätigkeit verleiht”, schreibt Mrs. Eddy.

Jesu Worfschaufel also — sein Wissen vom Unterschied zwischen dem, was wirklich, und dem, was nicht wirklich ist — zeigte ihm, daß er nicht in Gefahr war, als er durch eine zornige Menschenmenge ging. Selbst dann, als man ihm sagte, daß ein zwölfjähriges Mädchen gestorben sei, zeigte ihm seine Worfschaufel, daß Leben wirklich ist und immer von Gott erhalten wird. Weil er das wußte, konnte er sie wieder zum Leben erwecken. Und später konnte Jesus, indem er die Worfschaufel benutzte, sogar die lieben, die ihn kreuzigten.

Dann fragte die Lehrerin, wie viele von uns schon einmal erlebt hätten, daß es in der Schule ungerecht zuging. Das hatten wir alle.

„Zank und Streit? Tränen? Jemand, der verletzt oder krank war?” Dazu konnten wir alle viel erzählen. „Da seht ihr, wie sehr ihr eure Worfschaufel braucht!” sagte Miss Woodson. „Wenn jemand in eurer Klasse sehr lange braucht, um etwas zu begreifen, dann müßt ihr sehen können, was über Gottes Kind wahr ist. Gottes Kinder sind rein, und so könnt ihr, wenn jemand zu mogeln versucht, mit Hilfe eurer Worfschaufel erkennen, was gut und richtig ist. Wenn sich jemand auf dem Spielplatz verletzt, dann trennt eure Worfschaufel die Fabel von dem, was wahr ist, und gibt euch die Gewißheit, daß Gott da ist und für Seine Kinder sorgt.”

Wie die Zeit verflog! Plötzlich war die Sonntagsschule zu Ende, und als wir gingen, sagte Miss Woodson: „Vergeßt nicht, eure Worfschaufel zu euren Füllern, Bleistiften und Heften mit einzupacken!”

Endlich kam der Dienstag. Ich zog los mit meinen neuen Schuhen und meinem neuen Kleid, mit meiner Schultasche und allen Schulsachen darin. Aber meine Worfschaufel hatte ich völlig vergessen. Kaum war ich in der Schule, da erfuhr ich, daß die Schule einen Fehler gemacht hatte und Miss Colvin nun doch nicht meine Klassenlehrerin war! Mein Zwillingsbruder hatte sie bekommen, und ich bekam die einzige Lehrerin an der ganzen Schule, vor der ich Angst hatte — Miss Reese, die, so meinte ich, immer finster dreinschaute. Als erstes wies sie uns Plätze für das ganze Jahr zu, und der größte Rowdy der ganzen Schule saß direkt neben mir. Den ganzen Tag lang nannte er mich eine dürre Bohnenstange.

Ein sehr trauriges Mädchen kam aus der Schule nach Hause. Vor dem Abendessen rief Miss Woodson an und fragte, wie es gewesen sei. (War das nicht nett von ihr?) Ich fing an zu weinen. Sie tröstete mich und sagte, daß Gott nur Gutes für mich bereithalte und daß ich das Gute auch überall sehen könne! Sie erwähnte nicht einmal meine Worfschaufel, aber ihr Anruf erinnerte mich daran.

Als ich am Abend im Bett lag, kam meine Mutter herein, um mir gute Nacht zu sagen, und ich erzählte ihr, daß ich meine Worfschaufel benutzen mußte. (Sie wußte, was ich meinte, denn ich hatte ihr von der Sonntagsschule erzählt.) Sie half dabei. Als erstes erinnerten wir uns daran, was vorne an der Wand in der Sonntagsschule stand, nämlich „Gott ist Liebe.” Dann dachte ich an Miss Reese. Gott, Liebe, hatte auch sie gemacht, so konnte sie nicht wirklich gemein sein. Aber immer noch wünschte ich ganz im stillen, sie möchte doch so wie Miss Colvin werden.

Mutti erinnerte mich dann daran, wie viele verschiedene Sorten von Blumen wir in unserem Garten hatten — Maiglöckchen, Iris, Pfingstrosen, Flieder —, jede Sorte schön auf ihre eigene Weise. Ich nahm mir vor, auch Miss Reeses besondere Schönheiten zu entdecken, und Mutti sagte, daß es mir helfen würde, wenn ich Gottes Liebe widerspiegelte.

Dann dachte ich an Butch, den Rüpel, der neben mir saß und mich aufzog. Mutti sagte, daß gerade jemand, der sich so benahm, dringend Liebe brauchte, und ich könne ihn lieben, weil Gott ihn liebt. Egal, was Butch sagte, ich könne Gutes in ihm sehen und ihm vielleicht helfen, es auch selbst zu entdecken.

Der nächste Tag war besser. Ich bemühte mich sehr, meine Worfschaufel zu benutzen. Miss Reese lächelte dreimal und schien gar nicht so barsch zu sein. Sie sagte sogar, daß wir eine gute Klasse seien.

Butch trug ein leuchtendrotes Kordhemd. Es gefiel mir, und das sagte ich ihm. Für einen Jungen war auch seine Handschrift sehr ordentlich. Es tat gut, etwas Gutes zu entdecken — und bald bemerkte ich immer mehr. Ein Mädchen aus der ersten Klasse weinte im Waschraum, und ich tröstete sie. Ich sagte, daß die Schule sie genauso sehr brauchte wie sie die Schule.

Es wurde ein richtig schönes Schuljahr. Einmal kam Butch mir auf dem Spielplatz zu Hilfe, als ein noch größerer Bursche mir ein Bein stellte. Ich durfte Miss Reeses Seidenraupen den ganzen Sommer lang pflegen, als sie verreist war. (Ich fütterte sie mit Maulbeerblättern und konnte sehen, wie sie ihre Kokons spannen.)

Seitdem hat sich vieles ereignet. Ich bin nun erwachsen, und wenn ich euch erzählen würde, wie oft ich meine Worfschaufel benutzt habe, um die Tatsache von der Fabel zu trennen, so würde das Dutzende von diesen Zeitschriften füllen. Ich danke Gott wirklich dafür, daß er uns seinen „scharfen Dreschwagen” gegeben hat, „der viele Zacken hat”.

Und Jesus ging ringsum in alle Städte und Dörfer,
lehrte in ihren Synagogen
und predigte das Evangelium von dem Reich
und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen.
Da sprach er zu seinen Jüngern:
Die Ernte ist groß,
aber wenige sind der Arbeiter.
Darum bittet den Herren der Ernte,
daß er Arbeiter in seine Ernte sende.

Matthäus 9:35, 37, 38

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