Im Laufe Der Jahrhunderte hat man Freiheit häufig als einen äußeren, möglicherweise politischen Zustand betrachtet. Auch einige der Juden, die an Christus Jesus glaubten, müssen dieser Ansicht gewesen sein. Als er ihnen nämlich sagte, daß sie frei würden, wenn sie die Wahrheit erkennten, antworteten sie, wie Johannes berichtet: „Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden?"
Das war eine gute Frage! Jesu Antwort verwies sie auf etwas, was über rein politische Freiheit hinausgeht und was man innere oder geistige Freiheit nennen könnte. Er erklärte ihnen, daß jemand, der sündigt, der Knecht der Sünde ist und die Freiheit leugnet, die Teil des gottgegebenen geistigen Erbes des Menschen ist. Er verband wahre Freiheit direkt mit der Kenntnis seiner selbst und der geistigen Gesetze, die er lehrte.
Weder Freiheit noch Sklaverei hängt nur von äußeren, politischen Zuständen ab. Wir können uns zum Beispiel durch Haß, Sinnlichkeit und Neid selbst versklaven. Aber ebenso — und das ist eine geistige Tatsache — können wir uns befreien, wenn wir bereit sind, zu beten und Jesu Beispiel zu folgen. Dadurch, daß wir uns diese geistige Freiheit zu eigen machen, können wir unseren Mitmenschen mehr Frieden bringen und auch unseren Nationen helfen.
Zuerst müssen wir erkennen, was unser Denken beherrscht. Fürchten wir uns vor bestimmten rassischen oder ethnischen Gruppen? Sind wir eifersüchtig? Hassen wir Menschen, die einer besonderen Religion angehören? Solches Verhalten zeugt von mentaler Sklaverei. Es liegt darin begründet, daß wir uns und andere in erster Linie als materielle Wesen sehen, die um Krumen begrenzter Ressourcen kämpfen — seien es Arbeitsplätze, Wohnungen oder sonstige Möglichkeiten.
Wenn es mit dem Menschen nicht mehr auf sich hätte, dann lägen die Dinge wirklich schlecht! Aber Jesus legte uns klar dar, daß die Beziehung des Menschen zu Gott geistig ist und daß wir niemals von Gott getrennt sein können. Akzeptieren und verstehen wir, daß diese göttliche Tatsache auf uns zutrifft, dann erlangen wir Freiheit von mentaler Sklaverei, ja von allem, was uns von Gott trennen will.
Das geschieht vielleicht nicht auf einmal. Wir müssen bereit sein, alte Haßgefühle und Furcht aufzugeben, und lernen, unser Leben der Herrschaft Gottes — der Liebe — anzuvertrauen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist, daß wir versuchen, anderen und uns selbst gegenüber mehr Liebe zum Ausdruck zu bringen. Liebe ist das Gegenmittel gegen Haß, Furcht und jede andere Form von Sklaverei. Aber diese Liebe ist mehr als eine rein menschliche Emotion, denn sie hat ihren Ursprung in Gott, der göttlichen Liebe. Sie drückt die reine, geistige Liebe aus, mit der Christus Jesus die Menschheit liebte.
Es ist nicht immer leicht, diese Liebe täglich zu leben! In Wissenschaft und Gesundheit erwähnt Mrs. Eddy die Befreiung der Sklaven, die das Resultat des amerikanischen Bürgerkriegs war, und sagt: „Es war schwer, die unbezahlte Sklavenarbeit in den Vereinigten Staaten auf gesetzmäßigem Wege aufzuheben; doch die Aufhebung der mentalen Sklaverei ist eine weit schwierigere Aufgabe.“ Und sie fährt fort: „Noch immer sind Männer und Frauen aller Länder und Rassen in der Knechtschaft des materiellen Sinnes und wissen nicht, wie sie ihre Freiheit erlangen sollen.“
Wenn wir aber unsere Mitmenschen tatkräftig lieben — ungeachtet ihrer Rasse und ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit —, tun wir zumindest den ersten Schritt, um diese Freiheit zu erleben. Wenn wir einsehen, daß Gott uns alle gleichermaßen liebt, werden wir auch begreifen, daß wir nicht der Liebe verlustig gehen, weil Gott jemanden liebt, den wir vielleicht zu hassen glauben. Nicht, daß Gott diese Person mehr oder weniger liebte als uns, sondern wir alle werden von der göttlichen Liebe geliebt.
Diese Einheit in der Liebe, in Gott, kann bedeutende Veränderungen in unserem Leben herbeiführen. Uns wird klar, daß wir ein aktives Interesse an der Freiheit haben. In dem Maße, wie ich meinen Nächsten oder „diese/n (setzen Sie selbst den Namen ein)“ hasse, bin ich unfrei, denn ich bin in der mentalen Sklaverei des Hasses gefangen.
Manchmal finde ich es hilfreich, mir klarzumachen, daß Gott die Person, die ich so abstoßend finde, liebt, und mich dann zu fragen: „Was liebt Gott?“ Als Antwort darauf kommen mir oft geistige Eigenschaften in den Sinn wie Intelligenz, Humor, Schönheit, Hingabe — Eigenschaften, die auch ich lieben kann. Wenn ich mich auf das konzentriere, was Gott liebt, erkenne ich die geistige Individualität des Betreffenden. Und dadurch ändert sich mein Verhältnis zu dieser Person für immer, und ich werde frei von den Ängsten und Sorgen, die ich vielleicht hatte.
Indem wir in geistigen Begriffen über unsere Mitmenschen denken und die geistigen Eigenschaften, die sie ausdrücken, zu erkennen suchen, folgen wir auf ganz konkrete Weise dem Beispiel Christi Jesu. Es hilft uns, Vorurteile über bestimmte Menschen oder Gruppen aufzugeben. Und was noch wichtiger ist: Wir fühlen uns zunehmend frei, Liebe umfassender auszudrücken.
Diese Freiheit, zu lieben, reicht über unsere gegenwärtige Situation hinaus, denn in dem Maße, wie unsere Liebe wächst, berührt sie andere, deren Liebe wieder andere berührt. Es ist eine Liebe, die unser Leben und schließlich auch unsere Völker umwandeln kann.
Habt ihr aber bittern Neid und Streit in eurem Herzen,
so rühmt euch nicht und lügt nicht der Wahrheit zuwider.
Denn wo Neid und Streit ist,
da sind Unordnung und lauter böse Dinge.
Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird gesät in Frieden
für die, die Frieden stiften.
Jakobus 3:14, 16, 18
