Vor Etwa Zehn Jahren hatte ich viel Freude an meinen drei kleinen Kindern und war dankbar für einen guten Ehemann. Aber immer wieder quälte mich ein dumpfes, nagendes Gefühl der Unzufriedenheit. Ich fühlte mich mehr und mehr gefangen, belastet und unausgefüllt. Was war los? Fiel ich einfach auf das moderne Gerede herein, das hartnäckig behauptet, „nur“ Hausfrau zu sein könne eine intelligente Frau nicht ausfüllen? Obwohl ich nicht glaubte, daß dies der Grund für meine Empfindungen war, blieb doch die Unzufriedenheit mit dem Status quo als Hausfrau.
Schließlich wurde ich auch mit unserer Ehe unzufrieden. Mir drängte sich der Gedanke auf, daß ich mich vielleicht so oft allein, unausgefüllt und eingeengt fühlte, weil mein Mann meine geistigen Wertvorstellungen nicht teilte und kein Christlicher Wissenschafter war. Wieviel leichter scheint es doch zu sein, einer anderen Person oder Sache die Schuld zuzuschieben, anstatt das eigentliche Problem, die ungelösten persönlichen Fragen, anzugehen! Bald stellten sich — verbunden mit Selbstrechtfertigung — Launenhaftigkeit, Selbstmitleid und Depressionen ein.
Ich wußte, daß die Lösung für die periodisch auftretenden Depressionen in einem tieferen Verständnis meiner Beziehung zu Gott lag. So arbeitete ich in solchen Zeiten mit der Bibel und mit Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy, um meine wahre Identität als Kind Gottes, der göttlichen Liebe, klarer zu erkennen. Jedesmal wenn ich diese geistige Arbeit tat, verschwanden die Depressionen. Doch wenn ich über meine Ehe und meinen Mann nachgrübelte, fühlte ich mich immer noch gefangen und unausgefüllt — und das führte wieder zu neuen Depressionen.
Auf Anregung meines Mannes machte ich eine sehr anstrengende zweiwöchige Wildnistour mit. Auf dieser Reise öffneten die ungeheilten Zweifel und Sorgen über meine Ehe die Tür weit für ein Gefühl starken physischen Hingezogenseins zu einem anderen Mann. Wie dankbar war ich für die einfache, klare Forderung des siebenten Gebots (gegen die Untreue). Es half mir, der Versuchung zum Ehebruch zu widerstehen. Obwohl ich dankbar war, daß ich die Kraft hatte, diese Versuchung zu überwinden, verstärkte das Erlebnis die Zweifel an meiner Beziehung zu meinem Mann. Ich fragte mich ernsthaft, ob ich ihn wohl jemals wirklich geliebt hatte. Immer kälter wurde mein Herz, wenn ich an unsere Ehe dachte.
Im darauffolgenden Jahr war ich — auf einer ähnlichen Reise — sehr auf der Hut und wies jeden Gedanken sinnlicher Attraktion zurück. Einen Teil eines Satzes aus Wissenschaft und Gesundheit hatte ich bei meiner Vorbereitung auf die Reise oft im Herzen bewegt: „ ... laß nicht das Fleisch, sondern den Geist in mir zum Ausdruck kommen.“ (Der Satz bezieht sich auf Christi Jesu Ringen in Gethsemane und lautet vollständig: „Als das menschliche Element in ihm mit dem göttlichen rang, sagte unser großer Lehrer: Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe! — das bedeutet, laß nicht das Fleisch, sondern den Geist in mir zum Ausdruck kommen.“) Die sinnliche Versuchung war zum Schweigen gebracht worden. Aber dieses Mal entwickelte sich eine platonische, intellektuelle Freundschaft mit einem anderen Mann.
Erinnern Sie sich, wie der Teufel mehrere unterschiedliche Wege ausprobierte, um Jesu menschliche Gefühle während seines Kampfes gegen die Versuchung auszunutzen? Hier war jemand, dem ich mein Herz ausschütten konnte über meine seelischen Nöte und meine Enttäuschungen, jemand, der mich teilnahmsvoll verstand. Das vernünftige, besorgte und einfühlsame Eingehen meines Freundes auf mich tat mir unendlich wohl. Doch dies war eine ganz andere, viel subtilere Versuchung. Dieser Anziehung war nicht so einfach zu widerstehen! Letztendlich lief seine ganze Argumentation auf den altbekannten Ratschlag hinaus: „Wenn du dich in einer Beziehung nicht glücklich, ausgefüllt und zufrieden fühlst, dann gib sie auf, solange du dein Leben noch vor dir hast!“ „Sei gut zu dir selbst!“ Selbst, selbst, selbst, darum drehte sich alles.
Zutiefst verwirrt kam ich nach Hause, nahe daran, alles stehen- und liegenzulassen. Freiheit! Glück! Erfüllung! Wartete all das nicht direkt vor der Haustür — und dazu ein aufregender, intelligenter Mann, der mir helfen würde, diesen verlockenden Traum wahrzumachen? Zwar widerstand ich äußerlich, aber in mir tobte der Kampf mit den selbstsüchtigen Interessen und Wünschen.
Diese letzte Versuchung forderte mir eine Entscheidung ab: Sollte ich diesen Konflikt menschlich lösen, indem ich einfach fortging, oder geistig, mit Hilfe der Christlichen Wissenschaft? Machtvoll kam die Antwort, als ich auf folgende Worte im Artikel „Die Ehe“ in den Vermischten Schriften von Mary Baker Eddy stieß. Der Satz wies mir klar und bestimmt die Richtung und wurde mein persönliches elftes Gebot: „Haltet Eure Familienbande heilig; sie führen zu höheren Freuden ...“
Zu jenem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, worin die „höheren Freuden“ wohl bestehen könnten, aber ich war fest entschlossen, gehorsam und treu zu sein und geduldig die Erfüllung der Verheißung abzuwarten. Ich wußte, wollte ich dies ehrlich tun, so mußte ich den Kontakt mit meinem Freund aufgeben und mich auf die vor mir liegende Aufgabe konzentrieren. So machte ich in meinem Bewußtsein endlich reinen Tisch und war fähig, mit der geistigen Arbeit zu beginnen, die zur Heilung meines Denkens und meiner Ehe erforderlich war.
Der erste Schritt bestand — wie das bei einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung oft der Fall ist — in echter Dankbarkeit. Irgendwie hatten Selbstmitleid, Eigenwillen und Selbstrechtfertigung all das Gute vernebelt, das es in unserem einfachen, hübschen Heim gab. Das Dankbarsein machte mir das gegenwärtige Gute wieder bewußt. Und eines Tages konnte ich einfach nicht mehr verstehen, daß ich jemals versucht gewesen war, den Segnungen der Liebe und all dem Guten, das ich besaß, davonzulaufen! Ich nahm die guten Eigenschaften, die mein Mann zum Ausdruck brachte, unter die geistige Lupe und erkannte sie dankbar an — Eigenschaften, die auf seine wahre Identität als Kind Gottes hinwiesen, zu Seinem Bild und Gleichnis geschaffen —, und meine Liebe zu ihm erneuerte sich. Diese neu erwachte Liebe wurde immer tiefer und geistiger. Meine echte geistige Zuneigung für ihn dauerte an und wandelte sich nicht.
Der zweite Schritt bestand darin, daß ich bewußt menschlichen Willen und persönlichen Ehrgeiz verneinte, mich immer wieder still meinem Vater-Mutter Gott anvertraute und sagte: „Dein Wille geschehe.“ Einige Zeilen eines Liedes aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft halfen mir zu erkennen, was wahre Lebenserfüllung ist: „Nimm mein Leben, laß es Dir, / Gott, geweiht sein für und für.“ Ich betete ständig darum, daß jeder Tag sich nach Gottes und nicht nach meinem Plan entfalten möge und daß ich erkannte, daß sich Sein Plan für mich Schritt für Schritt offenbart und unendliche Segnungen, Zufriedenheit und Erfüllung in sich birgt.
Zwar sehnte ich mich danach, meine Liebe zu Gott und zur Christlichen Wissenschaft mit einem gleichgesinnten Ehepartner zu teilen, aber schließlich wurde mir klar, daß mir mein Einssein mit Gott viel wichtiger sein mußte. Ich mußte lernen — wie es in einem anderen Lied heißt —, Gott, „den ew’gen Freund“, zu meinem Gefährten und Vertrauten zu machen und mit Ihm Gemeinschaft zu haben. Was für eine unbeschreibliche Freude war es, wahre Freundschaft, Vertrauen, tiefe Zuneigung und enge Beziehungen mit unserem Vater zu pflegen und mit Ihm durch Inspiration und Gebet wirklich verbunden zu sein! Ich begann, Seine Hand in alltäglichen Vorkommnissen und Heilungen zu erkennen. Ich fühlte Ihn mir nahe, um mich — fühlte, wie Er mich und alle führt, beschützt und liebt. Die Erlösung und Sicherheit, der Frieden und die Freude, die sich aus dieser engeren Beziehung zu Liebe, Gemüt und Seele ergaben, ließen mich ahnen, was jene „höheren Freuden“ sind, die Treue mit sich bringt!
Schließlich tauchte das Wort Freiheit immer wieder in meinem Denken auf, und ich befaßte mich eingehender damit, was Freiheit für mich bedeutete. Eines Tages wurde mir plötzlich klar, daß ich mich während meiner Studienjahre zum letzten Mal wirklich frei gefühlt hatte, zu einer Zeit, als ich mit großer Freude die Christliche Wissenschaft gelebt, angewandt und mit anderen geteilt hatte. Aber nun entdeckte ich, daß meine Freiheit nicht anderswo lag; sie hing nicht davon ab, ob ich neben meiner Arbeit als Hausfrau und Mutter noch etwas anderes tat. Meine Freiheit mußte als Heilung in meinem eigenen Denken beginnen.
Ich erkannte, was die Freiheit war, nach der ich mich in Wahrheit sehnte, nämlich den Christus, den Geist der Wahrheit und Liebe, ausdrücken zu können — ungehindert, ohne Furcht vor Opposition oder Unterdrückung, ohne Stolz und Eigenwillen, sondern natürlich, freudig, liebevoll, geradeheraus und selbstverständlich mit heilender Wirkung. Ich wünschte mir, den Christus innerhalb und außerhalb meiner Ehe, wo immer ich auch war, so frei ausdrücken zu können. Dazu mußte ich als erstes die Natur des Christusgeistes verstehen und erkennen, daß der Christus in der Tat die einzige Macht ist, die in allen und durch alle wirkt — auch durch meinen Mann. Christus kann in keinem einzigen Menschen gefesselt, unausgedrückt, unterdrückt oder begrenzt werden, denn er ist der heilende Sauerteig der Wahrheit und Liebe, der in der ganzen Schöpfung am Wirken ist! Voller Freude machte ich mich daran, die Heiltätigkeit des Christus überall zu unterstützen.
So war ich nicht überrascht, aber tief dankbar, als ich nach einigen Monaten entdeckte, daß es den Widerstand gegen die Christliche Wissenschaft, den ich in unserer Ehe zu spüren geglaubt hatte, überhaupt nicht gab! Mein Mann unterstützte von Herzen meinen tiefen Wunsch, Liebe freier und in vollerem Maße zum Ausdruck zu bringen und das christlich-wissenschaftliche Heilen zu studieren und auszuüben. Mein Herz floß über vor Dankbarkeit und Liebe für meinen Mann und für unsere Ehe — wie auch für Christus, Wahrheit, und die Zehn Gebote, die unsere Ehe erhalten hatten. Als „mitfolgendes Zeichen“ dieser Demonstration fing mein Mann damals an, die Christliche Wissenschaft zu studieren und anzuwenden. Er wurde Mitglied unserer Zweigkirche und Der Mutterkirche. Unsere Einigkeit in dieser Beziehung stärkt und segnet unsere Familie.
Die Verheißung „höherer Freuden“ wurde in überreichlichem Maße wahr. Die Wahrheiten, die ich im Verlauf dieser Heilung erkannt und bewiesen hatte, führten mich ganz natürlich in eine hauptberufliche Tätigkeit als Ausüberin der Christlichen Wissenschaft. Die „höhere“, die wahrhaft überwältigende geistige Freude, die mit dem Christusgeist kommt, wenn seine Kraft gelebt und demonstriert wird, ist unbeschreiblich. Ich weiß nun, daß wir wahre Freiheit, Erfüllung, Zufriedenheit, Segnungen und Freude finden, wenn jeder von uns willens ist, getreulich in unseres Meisters Fußtapfen zu treten. Dann klingen Christi Jesu Worte voller Wahrheit, Verheißung und Erfüllung durch unser Leben: „Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.“
