Ist Es Möglich, Mutter zu sein, ohne Kinder zu haben? Die meisten Leute würden sagen: „Natürlich nicht!” Ich aber habe eine andere Antwort gefunden.
Für mich war es immer selbstverständlich gewesen, daß ich Kinder haben würde, wenn ich heiratete. Aus verschiedenen Gründen jedoch sprachen mein Mann und ich vor unserer Heirat nicht eingehend über dieses Thema. Mit den Jahren wurde mein Wunsch, Kinder zu haben, immer stärker. Ich sehnte mich danach, die zärtliche Liebe zu fühlen, die man mit Mutterschaft verbindet.
Das Problem war nur, daß mir zu dieser Zeit bereits völlig klar geworden war, daß mein Mann keine Kinder haben wollte. Wir hatten viele Auseinandersetzungen; es gab Tränen und Enttäuschung. Ich sah aber ein, daß er kein glücklicher Vater sein würde, und so betete ich voll Demut um eine Lösung. Ich liebte meinen Mann sehr, und es war mein großer Wunsch, daß unsere Ehe diese Liebe widerspiegelte und frei war von Spannungen und Enttäuschungen. Also rang ich mich schweren Herzens zu dem Entschluß durch, den Gedanken an Kinder aufzugeben.
Etwas später markte ich, daß schon ein paar Monate lang mein Menstruationszyklus nicht in Ordnung war. Schließlich rief ich eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft an und bat sie, für mich und mit mir zu beten. Sie brachte das Thema Kinder zur Sprache, und ich versicherte ihr, daß dieses Problem gelöst und alles in Ordnung sei. Wir arbeiteten und beteten einige Monate zusammen, und ich hatte wunderbare Inspirationen und machte große Fortschritte im geistigen Wachstum. Aber die körperliche Situation blieb unverändert.
Als wir uns eines Nachmittags wieder unterhielten, sagte die Ausüberin zu mir: „Denken Sie daran:, Der sterbliche Körper und das sterbliche Gemüt sind eins.‘ “ (Später fand ich den Satz, aus dem sie zitierte, in Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy: „Der sterbliche Körper und das sterbliche Gemüt sind eins, und dieses eine wird Mensch genannt; aber ein Sterblicher ist nicht der Mensch, denn der Mensch ist unsterblich.”) Während der nächsten Stunden kamen mir diese Worte immer wieder in den Sinn. Ich erkannte, daß der Körper nur die Vergegenständlichung des Denkens ist — von allem, was wir denken. Alle Gedanken, bewußte und unbewußte, drücken sich am Körper aus. Dabei wurde mir klar, daß die körperliche Disharmonie mit meinen Gedanken über die Mutterschaft zusammenhing — Gedanken, die ungeklärt geblieben und nicht zur Ruhe gekommen waren, obwohl ich mich entschieden hatte, keine Kinder zu haben. Jetzt aber war ich bereit, mich ehrlich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Bald flossen meine Tränen. Es waren Tränen ungeheilten Kummers um die Kinder, die ich, wie ich glaubte, nie haben würde. Ich gestand mir auch endlich ein, daß ich einen tiefsitzenden Groll gegen meinen Mann hegte. Ich bat die Ausüberin, mir weiter beizustehen, und verbrachte an jenem Abend viele Stunden damit, die Bibel und die Schriften von Mrs. Eddy zu studieren und intensiv darüber nachzudenken. Ich lernte mehr über das Wesen Gottes als Mutter. In der Bibel sagt Gott: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.”
Als ich am nächsten Morgen erneut etwa eine Stunde studiert und gebetet hatte, kam mir ein ganz wunderbarer Wahrheitsgedanke: Wenn Gott Vater-Mutter ist und ich Gott widerspiegele, dann besitze ich schon all die Eigenschaften einer wahren Mutter, von denen ich bisher angenommen habe, daß sie mir fehlen, denn jede mütterliche Eigenschaft kommt ja von Gott. Ich brauche nicht körperlich ein Kind zur Welt zu bringen, um Freude und Erfüllung zu empfinden. Sie gehören von Natur aus zu mir — weil ich Gott widerspiegele. Keine Person kann mich zur Mutter machen, und keine Person kann mir meine von Gott widergespiegelte Mutterschaft wegnehmen. Nachdem ich noch weiter gebetet und studiert hatte, um mir diese kostbare Erkenntnis ganz zu eigen zu machen, wußte ich, daß ich geheilt war. Ich fühlte mich frei. Und ich war frei von allem Kummer und allem Groll. Nach etwa zehn Tagen waren alle körperlichen Symptome verschwunden, und sie traten nie wieder auf.
Was für eine Freude war es, wieder ohne Vorbehalt lieben zu können! Eine neue Innigkeit und Einmütigkeit erfüllte die Beziehung zwischen mir und meinem Mann.
Im Licht dieser neuen geistigen Erkenntnis empfand ich auch immer mehr Liebe zu Müttern mit Kindern. Und ich erkannte, daß wir doch alle nur eine Aufgabe haben, nämlich unser Heil individuell unter Gottes Leitung auszuarbeiten (mögen auch an Mütter mit Kindern andere Anforderungen gestellt werden als an mich). Dies wurde mir noch klarer, als ich ein paar Tage nach dieser wunderbaren Offenbarung im Christian Science Sentinel einen Artikel las, den eine Mutter geschrieben hatte. Diese Frau wurde von einer Krankheit geheilt, als ihr bewußt wurde, daß sie im eigentlichen, im tiefsten Sinn gar keine Mutter war. Sie hatte Kinder und fühlte scih völlig überlastet, lieblos und ungeliebt. Dann erkannte sie, daß nicht sie persönlich, sondern Gott die Quelle der Muttereigenschaften ist — die Quelle von Fürsorge, Ausdauer, Geduld, Verständnis, Zärtlichkeit und so weiter. Das waren keine Charaktereigenschaften, die sie persönlich hervorbringen mußte. Genau wie ich erkannte diese Frau, daß Gott der wahre Vater und die wahre Mutter eines jeden von uns ist. Von da an hatte sie ein freieres, reineres Verständnis von Mutterschaft, und das körperliche Problem war geheilt.
Der Mensch ist bereits in jeder Hinsicht vollkommen, weil sein Wesen die vollkommene Widerspiegelung Gottes, des unendlichen Guten, ist. Jede menschliche Beziehung — zwischen Eltern und Kindern, Ehepartnern, Freunden oder Geschwistern — hat Anteil am unendlichen Wesen Gottes und an der unendlichen Natur der fundamentalsten aller Beziehungen: der Beziehung zwischen Gott und Seinem geistigen Ebenbild, dem Menschen. Treue, Geduld, Mut, Stärke und Weisheit haben alle ihren Ursprung in Gott, der göttlichen Liebe.
Je besser wir diese Tatsachen verstehen, desto bessere Mütter, Ehepartner oder Freunde der verschiedenen Menschen werden wir, und desto mehr drücken wir ganz allgemein kindliche Eigenschaften wie Staunen, Spontaneität, Vertrauen und Schlichtheit aus. Meine Liebe zu Kindern hat sich vertieft und erweitert, weil ich nun verstehe, daß sich meine Mütterlichkeit nicht auf diejenigen beschränkt, die ich „meine eigenen Kinder” nennen würde. Zum Beispiel habe ich große Freude daran, in der Sonntagsschule zu unterrichten und mich mit den Kindern zu unterhalten. Und aufgrund meines neuen Verständnisses von wahrer Mutterschaft schätze ich immer mehr die kindliche Unschuld, die ein wahrer Wesenszug eines jeden Menschen ist.
Früher betete ich oft: „Wenn es Gottes Wille ist, kann mich nichts daran hindern, Kinder zu haben. Und wenn es nicht Gottes Wille ist, dann möchte ich auch keine Kinder haben.” Obwohl an beiden Aussagen etwas Wahres ist, kam die erste doch mehr einem hoffnungsvollen Fatalismus gleich, und die zweite war nicht ganz ehrlich. Ich weiß jetzt, daß es nicht darum geht, ob Gott „will”, daß ich Kinder habe. Gott sieht und kennt mich bereits ganz und gar so, wie Er mich geschaffen hat — mit allen väterlichen und mütterlichen Eigenschaften — als „Mann und Weib” Seiner Schöpfung. Gott weiß, daß jedes Seiner Kinder vollständig und vollkommen ist, daß ihm nichts fehlt und daß es ununterbrochen Erfüllung und Frieden erlebt. Ich muß nur diese geistigen Eigenschaften als mein Eigentum beanspruchen und sie in mir und als mich zum Ausdruck kommen lassen.
Ob wir nun Kinder haben oder nicht: durch die göttliche Liebe können wir hier und jetzt ungehindert die ganze Freude erleben, die das Widerspiegeln der zärtlichen Vaterschaft und Mutterschaft der Liebe mit sich bringt. Diese Widerspiegelung ist eine feststehende Tatsache — das Ergebnis unserer geistigen Natur als das geliebte Kind Gottes —, und wir können uns täglich und immerwährend daran erfreuen.
