Früher hatte ich Christi Jesu Gebot „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ Mt 22:39. eher als eine Forderung aufgefaßt, meinen Nächsten ebensosehr wie mich selbst zu lieben. Durch Gebet und mein Studium der Christlichen Wissenschaft erkannte ich, daß das Gebot, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst, auch eine Bedingung in sich schließt: Wir müssen erst uns selbst lieben, um andere lieben zu können.
Die Liebe, mit der wir uns selbst lieben müssen, ist weit von Eigenliebe entfernt. Sie ist vielmehr eine Liebe zu unserem wahren Selbst als Gottes Ebenbild, Seiner Idee. Sie bedeutet, daß wir uns selbst als Gottes vollkommene, geistige Schöpfung erkennen müssen. Wenn wir das beständig tun, wird uns klar, daß unsere scheinbaren Schwächen und Charakterfehler keinen Teil unseres wahren Seins ausmachen können und daß wir sie deshalb überwinden können. Je mehr wir unser wahres Wesen anerkennen und uns bemühen, es zum Ausdruck zu bringen, desto zuversichtlicher könne wir sein, daß negative Charakterzüge aus unserem Denken und Leben verschwinden werden. Vermögen wir erst einmal uns selbst auf diese Weise zu lieben, dann sind wir fähig, andere auf die beste Weise zu lieben — indem wir sehen, wer sie wirklich als Gottes Kinder sind.
Durch sein Gleichnis vom barmherzigen Samariter Siehe Lk 10:30–37. macht uns der Meister klar, daß unser Nächster nicht nur unsere Nachbarn sind, sondern alle, denen wir begegnen, unabhängig von ihrem sozialen Status, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Glaubensbekenntnis, ihrer Rasse. Ja, unser gedanklicher Wirkungskreis und unsere geistige Liebe sollten sich immer weiter ausdehnen über unsere Familie, unsere Gemeinde und sogar unser Vaterland hinaus, bis sie die ganze Menschheit umfassen. Die Familie dient sozusagen als Vorschule der Liebe. Wir lernen von klein auf, unsere Eltern, Geschwister und sonstigen Verwandten zu lieben. Wir lernen, uns zu entschuldigen für Fehler, die wir begangen haben, und die Fehler anderer zu verzeihen. Wir bringen dann dieselbe Liebe und Versöhnlichkeit in alle unsere Beziehungen und in unsere Gebete für die Welt.
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