Weihnachten Ist Nicht immer eine einfache Zeit. Manchmal entspricht es ganz und gar nicht unseren idyllischen Vorstellungen: eine wunderschöne Schneelandschaft und Familien, die im trauten Heim um den warmen Ofen sitzen. Ja, viele Menschen kennen nur ein trostloses Weihnachtsfest in düstergrauer Großstadtumgebung, in Armut oder Obdachlosigkeit oder mit Kummer und Einsamkeit im Herzen.
Andere fühlen sich von den tausend kleinen Unannehmlichkeiten der Weihnachtszeit genervt — den hektischen Besorgungen in letzter Minute oder den endlosen Stunden, die sie in der Küche mit Kochen verbringen müssen, und dem Abwasch nach dem Festmahl.
Einen bestimmten Weihnachtstag werde ich nie vergessen. Mein Mann und ich hatten gut zwanzig Verwandte und Freunde zu einem festlichen Weihnachtsessen am späten Nachmittag eingeladen. Und ich hatte mir ein ganz besonderes Menü ausgedacht, das bestimmt allen munden würde.
Zwei Tage vor Weihnachten jedoch beging eine liebe Freundin von mir Selbstmord. Sie hatte ihre unglückliche Ehe nicht länger ertragen können.
Am Weihnachtsmorgen überkam mich eine große Traurigkeit. Das Letzte, was ich mir wünschte, war, den ganzen Tag in der Küche zu verbringen. Das Beschenken, die besonderen Rezepte, die umständlichen Vorbereitungen für das Essen — das alles schien angesichts der Tragödie mit meiner Freundin so sinnlos. Ich hätte alles darum gegeben, wenn ich die ganze Einladung hätte absagen können. Aber so viele Menschen, besonders mein Mann und meine Kinder, freuten sich schon so sehr auf das Essen, daß ich sie einfach nicht enttäuschen konnte. Und so deckte ich den Tisch und kochte das Essen — und ich betete.
Ich versuchte, die wahre Bedeutung von Weihnachten zu verstehen. Ich wußte, daß es dabei um weit mehr ging als um Truthähne, Torten, Geschenke und Gäste. Ja, selbst um mehr noch als das Gedenken an die epochemachende Geburt Jesu vor zweitausend Jahren in Palästina. Weihnachten erinnert — damals wie heute — an das Aufdämmern des geistigen Lichts in einer materiellen Zeit. Es ist die eigentliche Wahrheit der Allmacht Gottes und Seiner nie endenden Fürsorge für Seine geliebten Kinder, die das Leid und Dunkel des Materialismus durchbricht. Es feiert das Kommen des Christus, der wahren Idee Gottes, in unser Herz. Es bedeutet, daß wir herausfinden, was das Leben wirklich ist, was Gott wirklich ist und wer wir wirklich sind. Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Buch Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes: „Weihnachten erinnert mich eindringlich an Gottes große Gabe — Seine geistige Idee, Mensch und Universum —, eine Gabe, die sterbliches, sinnengebundenes Geben derart übersteigt, daß die Lustbarkeiten, die törichten, ehrgeizigen Bestrebungen, der Wetteifer und die Gebräuche unseres üblichen Weihnachtsfestes als menschlicher Hohn auf die wahre Anbetung zum Gedächtnis des Kommens Christi, als possenhafte Nachahmung erscheinen.“ Verschiedenes, S. 262.
Dieses wahre Weihnachten hört nie auf. Der Christus kommt ständig zu uns. Wenden wir uns nur einen Moment von dem ab, was er verkündigt, so kommt die gute Botschaft des Christus, der Wahrheit, schon im nächsten Augenblick wieder zu uns — und im darauffolgenden —, behutsam, sanft, gewinnend. Mag es Stunden, Tage oder Jahre dauern, bis wir wirklich auf diese Botschaft lauschen: sie kommt trotzdem immer wieder, bis unser Herz sich schließlich ihrem Segen öffnet.
Ich erinnere mich ganz deutlich, wie ich an diesem Weihnachtsmorgen an der Küchenspüle stand und tatsächlich spürte, daß der Christus in mein Herz kam. Er wusch es rein von allem Kummer über den Tod meiner Freundin und erfüllte es mit neuer geistiger Liebe zu ihr — und mit welch tiefem Frieden!
Und dann weiß ich noch, wie mir bewußt wurde, daß meine Freundin ja denselben Christus fühlen konnte wie ich. Auch sie konnte Weihnachten erleben. Der Tod konnte sie nicht vom Kommen des Christus scheiden. Er konnte nicht verhindern, daß Gott sie immerdar liebt.
Der Verfasser des Römerbriefs fragt: „Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“ Und er antwortet: „Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ Röm 8:35, 38, 39.
Ich erkannte: Weihnachten feiern heißt die Macht des Christus feiern, des Christus, der für immer über Sünde und Tod triumphiert. Es bedeutet, daß wir uns durch diese Christus-Macht zu neuer Geistigkeit erheben lassen, unsere Ängste stillen, uns heilen, für uns sorgen und uns lieben lassen. Und es bedeutet, daß wir aktiv christusgleiche Liebe gegenüber unseren Mitmenschen ausdrücken. Auch wenn uns gar nicht danach ist. Mary Baker Eddy, die Verfasserin von Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, schrieb einmal in einem Artikel für die New York World: „Die Grundlage der Weihnacht ist Liebe, die ihre Feinde liebt, die Böses mit Gutem vergilt, Liebe, die, langmütig und freundlich’ ist. Der wahre Geist der Weihnacht hebt die Heilkunde in den Bereich des Gemüts empor; er treibt Übel aus, heilt die Kranken, weckt die schlummernden Fähigkeiten, ist jeder Lage gewachsen und versorgt den Menschen mit allem, was ihm not tut.“ Verschiedenes, S. 260.
Diese Gedanken setzten sich in mir in Tätigkeit um, so daß ich mich augenblicklich mit Schwung und Liebe in das Kochabenteuer des Tages stürzte. Vielleicht klingt es seltsam, wenn ich hier von „Kochen mit Liebe“ rede. Aber ich gehöre zu den Menschen, denen Hausarbeit oft lästig ist — und daher war dieses Aufwallen christlicher Liebe, das meine Küchenarbeit an diesem Tage beflügelte, wirklich ein Wunder. Es fiel der ganzen Familie auf. Und das Essen war, wie ich mich erinnere, auch wirklich gut. Aber vor allem glaube ich sicher, daß auch alle unsere Gäste von der Liebe und dem Frieden, die ich an diesem Tag in der Küche empfunden hatte, berührt wurden.
Langsam, aber unaufhaltsam erfüllte eine stille Freude mein Denken. Es war Weihnachtsfreude, das unwiderstehliche Glücksgefühl, das uns umfängt, wenn wir den Christus in unser Herz einlassen.
Wir können diese Weihnachtsfreude tagtäglich empfinden — und sie heilend in die Welt um uns herum überfließen lassen. Und wir können sie überall und immer fühlen, weil Gottes Christus immer bei uns ist. Weihnachten kommt ständig, um uns Heilung zu bringen — in Stunden der Einsamkeit, in Augenblicken der Verzweiflung, in Zeiten unbeschwerter Freude. Es kommt sogar, wenn wir in der Küche stehen.
Der Herr ist meine Stärke und mein Schild;
auf ihn hofft mein Herz, und mir ist geholfen.
Nun ist mein Herz fröhlich,
und ich will ihm danken mit meinem Lied.
Psalm 28:7
