Viele Christliche Wissenschafter wenden sich an Die Mutterkirche um Rat bei Fragen über das Lesen in ihrer Zweigkirche. Unsere „Gespräche mit Lesern in christlich–wissenschaftlichen Kirchen” erwachsen aus diesen Fragen.
In einer Satzungsbestimmung im 1894 verfaßten Handbuch Der Mutterkirche ordinierte Mary Baker Eddy zwei Bücher — die Bibel und das Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift — zum Pastor ihrer Kirche. Dieser Pastor, so schreibt sie, wird „fortfahren, dieser Kirche und der Welt zu predigen” (Art. XIV Abschn. 1). Jede Woche wird in den Sonntagsgottesdiensten der christlich–wissenschaftlichen Kirchen auf der ganzen Welt von zwei Lesern eine Lektionspredigt gelesen, und auf den Mittwochabend-Zeugnisversammlungen liest der Erste Leser ausgewählte Abschnitte aus diesen beiden Büchern.
In den nächsten Monaten veröffentlicht der Herold Auszüge aus Gesprächen mit gegenwärtigen und ehemaligen Lesern. In diesem ersten Teil wurden die Teilnehmer gefragt, wie sie sich bei ihrer Arbeit als Leser von der Bestimmung im Kirchenhandbuch mit der Überschrift „Moralische Verpflichtungen” (unter „Artikel III, PFLICHTEN DER LESER DER MUTTERKIRCHE UND IHRER ZWEIGKIRCHEN”) haben leiten lassen.
Ich weiß noch, wie ich diese Satzungsbestimmung zum ersten Mal las, nachdem ich gewählt worden war. Ich fühlte mich schon etwas überfordert bei dem Gedanken, jede Woche Lesungen für die Mittwochabendversammlung zusammenstellen zu müssen und die Sonntagsgottesdienste zu leiten. Und obendrein sollte ich also „von der Welt unbefleckt” sein... Das schien mir recht viel verlangt, und ich dachte: „Du meine Güte, wie kann ich dem bloß gerecht werden?” Zunächst dachte ich an mein Verhalten, meinen Verhaltenskodex, unabhängig vom Lesen. Bedeutete es, daß ich wählerischer sein sollte hinsichtlich der Filme, die ich mir ansah, und der Bücher, die ich las? Mein Verhalten und meine Tätigkeiten, selbst meine Unterhaltungen wurden mehr und mehr vom Geist dieser Satzungsbestimmung geleitet. Je länger ich Leser war, desto klarer sah ich jedoch, wie die Bestimmung auf das Lesen selbst anzuwenden war.
Ich betrachtete mich in meiner Eigenschaft als Leser als eine Transparenz für das Wort, und ich fand es sehr wichtig, daß mir das ganz klar war. Ich war ein Fenster für das Wort. Die Gemeinde kam, um das Wort zu hören, und es war wichtig, daß ich — als dieses Fenster — nicht verschmiert und fleckig war, befleckt mit Furcht, Stolz und falscher Bescheidenheit. Und das nicht nur, um mich selber wohl zu fühlen. Vor jedem Gottesdienst bereitete ich mich gedanklich vor mit diesem Wunsch, ein Fenster zu sein — eine so reine und klare Transparenz wie nur möglich — und das Wort nicht mit einem Gefühl persönlicher Verantwortung oder mit persönlicher Interpretation zu verschmutzen. Es kam häufig vor, daß ich eine Stelle auf eine Weise las, an die ich vorher nicht gedacht hatte.
Kurz nachdem ich das Leseramt übernommen hatte, bekam ich die ersten Anrufe mit der Bitte um christlich–wissenschaftliche Behandlung. Ich hatte seit längerem den Wunsch gehabt, in der heilenden Ausübung tätig zu sein... Ich erinnere mich an das erste Mal, als mich jemand um Hilfe durch Gebet bat. Nachdem ich aufgelegt hatte, dachte ich: „Na ja, ist das nicht ganz natürlich? Wenn ich beim Lesen bis zu einem gewissen Grad als Transparenz für das Wort erfolgreich bin, dann kann ich auch beim Heilen eine gute parenz für das Wort sein.” Ich hatte das Gefühl, daß Gott mich auf diese Weise vorwärts-führte... Daß ich Ausüber wurde, war also eine direkte Auswirkung meines Leseramtes.
Diese Satzungsbestimmung ist ein großartiger Prioritätensetzer! Wenn man zum Leser gewählt wird, sieht man natürlich, wieviel mehr es nun täglich zu tun gibt — was man noch lernen und erforschen muß. Diese Bestimmung ist wie die Stimme Gottes, die zu Mose sprach: Ich bin bei dir, und ich werde dir die Worte in den Mund legen. Sie half mir, meine täglichen Pflichten ganz natürlich und mit geistiger Sicherheit zu erfüllen, mich nicht in das verwickeln zu lassen, was die Welt „so tut”. Das war es, was „unbefleckt” zu dem Zeitpunkt für mich bedeutete.
Alle unsere Tätigkeiten sollten sich eigentlich auf diese Satzungsbestimmung gründen... Ich wurde zu einer Zeit zum Leser gewählt, die vom menschlichen Standpunkt gesehen mit die ungünstigste war. Viele Geschäftsreisen und große Projekte und berufliche Faktoren, die zu berücksichtigen waren. Ich erinnere mich gut an eine Sitzung im Büro, die sich lange hinzog. Wenn ich nicht sofort ging, würde ich nicht rechtzeitig in der Kirche sein können. Ich wußte genau, wo ich zu sein hatte, und sagte: „Ich würde gern bleiben und bis zum Ende an dieser Sitzung teilnehmen, aber ich habe eine andere Verpflichtung.” Ein Kollege meinte: „Wenn Sie gehen wollen... Es ist Ihre Karriere.” Damals arbeitete ich für einen Mann, der die Firma immer an erste Stelle stellte, aber er fragte nur: „Was gibt's?” Ich sagte: „Ich leite heute abend einen Gottesdienst in meiner Kirche, und es wird erwartet, daß ich da bin.” Es war noch nie vorgekommen, aber dieser Mann sagte einfach: „Gut, dann machen wir eben morgen weiter.” Er klappte sein Notizbuch zu und ging. Alle andern standen nur mit offenem Mund da. So etwas hatten sie bei ihm noch nie erlebt.
Aber ich hatte nur das Gefühl, nicht von der Welt beschmutzt oder eingefangen zu sein, und war mir so sicher, wo mein richtiger Platz war, daß ich gelassen darüber sprechen konnte. Während meiner Zeit als Leser ist so etwas immer wieder vorgekommen.
So oft denken wir bei der Vorbereitung auf das Lesen der Lektionspredigt nur an das, was man akademische Vorbereitung nennen kann. Mit anderen Worten, wir lesen die Lektion, wir schlagen schwierige Wörter nach und lesen die Bibelkommentare. All das ist wichtig. Wir müssen die Lektion gut kennen, damit die Botschaft klar durchscheint. Für mich bedeutet das nicht unbedingt, daß man eine hohe Schulbildung haben muß. Es bedeutet, daß man willens ist, wirklich nachzuhaken und zu studieren, zu forschen, an der Aussprache und Ausdrucksweise zu arbeiten und all das mit großer Sorgfalt zu tun.
Aber bei all dieser sorgfältigen Vorbereitung ist uns vielleicht manchmal eines nicht ganz klar: Wenn wir den Geist jeder Lektionspredigt in uns aufnehmen und diese Ideen im täglichen Dasein für uns lebendig werden, dann denken wir über die Ideen nach und gebrauchen sie bei unserer Heiltätigkeit, und das ist die wirklich entscheidende Vorbereitung auf das Lesen am Sonntag. Ich glaube, wenn man mit den Ideen aus der Lektion heilt, dann ist man auf das Lesen der Lektion so vorbereitet, wie Mrs. Eddy es beabsichtigte.
Leser müssen vorbildliche Christen sein, denn wenn man das Wort Gottes mitteilen will, muß man es erst selbst. Sonst liest man es nur, wie man eine Einkaufsliste liest. Aber je mehr man täglich das Wort lebt, das man liest, desto mehr heilt man mit dem Wort. So wird man wirklich ein guter Leser. Wir müssen unbefleckt bleiben von jeder Kritik an Kirchenmitgliedern. Wenn man nämlich sonntags da oben steht und als erstes gewisse Leute sieht, deren Verhalten man nicht mag..., wie sie ein Komitee leiten oder so..., dann ist man plötzlich „befleckt”... Wenn der persönliche Sinn dazwischenkommt, ist man keine klare Transparenz des Wortes mehr.
Als ich mit dem Lesen anfing, fand ich eine schöne Stelle in Rückblick und Einblick von Mary Baker Eddy. Sie schreibt auf Seite 93: „Die beste geistige Art, auf christusgleiche Weise das Denken der Menschen zu heben und ihnen die göttliche Wahrheit zu vermitteln, ist beharrende Kraft, Stillesein und Stärke; und wenn wir uns dieses geistige Ideal zu eigen gemacht haben, wird es zum Vorbild für das menschliche Handeln.” Der Gedanke der beharrenden Kraft war sehr hilfreich — die Tatsache, daß Gott hier ist, daß Seine Kraft hier ist und wir nicht hin und her zu laufen brauchen, um die nötige Inspiration zu finden. Sie ist hier, wir können stille sein, von Seiner Kraft getragen, und durch den Christus wird Er uns die Inspiration geben, die wir brauchen... Der Christus wird die Gemeinde heilen und trösten und inspirieren.
Du aber rede, wie sich's ziemt nach der heilsamen Lehre.
Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen
und nimmt uns in Zucht, daß wir absagen
dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden
und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben
und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit
des großen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus,
der sich selbst für uns gegeben hat,
damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit
und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum,
das eifrig wäre zu guten Werken.
Titus 2:1, 11–14
„Moralische Verpflichtungen. ABSCHNITT 1. Die Leser Der Mutterkirche und aller ihrer Zweigkirchen müssen einen angemessenen Teil ihrer Zeit der Vorbereitung auf das Lesen der Sonntagslektion widmen — einer Lektion, von der die Wohlfahrt der Christlichen Wissenschaft in hohem Grade abhängt. Sie müssen sich von der Welt unbefleckt halten — rein vom Übel —, damit der mentale Einfluß, der von ihnen ausgeht, Gesundheit und Heiligkeit fördere, ja die geistige Gesinnung, die so allgemein not tut.”
Artikel III Abschnitt 1
Handbuch Der Mutterkirche
von Mary Baker Eddy
Diese Satzungsbestimmung, Artikel III Abschnitt 1, war ein Geschenk von Mrs. Eddy an die Menschheit. Da die Satzung mit der Aufforderung endet, die „geistige Gesinnung, die so allgemein not tut”, von uns ausgehen zu lassen, können wir sogar sagen, daß sie ein Geschenk an das Universum war — etwas, was universell not tut. Das half mir zu erkennen, daß es der Atem des Geistes ist, der durch das Leseramt ausströmt.
