Mit dreizehn Jahren fing ich an zu trinken, und in den nächsten 28 Jahren wurde ich siebenundsechzigmal wegen verschiedener Vergehen im Zusammenhang mit Alkohol verhaftet. Ich saß ständig im Gefängnis. Vierzehn Jahre lang ging ich auch zu den Anonymen Alkoholikern, die vielen anderen Alkoholsüchtigen geholfen haben.
Trinken ist eigentlich eine Art Suchen. Wer trinkt, greift nach etwas, sucht es ganz verzweifelt. Aber er sucht das Glück in der verkehrten Richtung.
Ein Bekannter gab mir einmal ein paar Heftchen, in denen die Lehre der Christlichen Wissenschaft erklärt wurde, und das war das erste Mal, daß ich etwas darüber erfuhr. Jahre später erzählte mir mein Onkel von einer wundervollen Heilung, die er zwanzig Jahre vorher durch die Christliche Wissenschaft erlebt hatte. Er hatte sich dann nicht weiter mit dieser Lehre befaßt, aber ich erinnere mich noch, daß er sagte: „Ich glaube nicht nur, daß die Christliche Wissenschaft heilt — ich weiß es.“
Ein paar Jahre danach arbeitete ich in einem Fotolabor, und es stellte sich heraus, daß ich gegen einige der dort verwendeten Chemikalien allergisch war. Ein Freund riet mir, doch einen Ausüber der Christlichen Wissenschaft aufzusuchen, und aus reiner Neugier tat ich es. Ich wurde von der Allergie geheilt, aber das schrieb ich eigentlich kaum der Christlichen Wissenschaft zu. Doch vergessen habe ich die Heilung nie.
Damals besaß ich schon das Buch Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy. Immer wenn etwas Schlimmes passiert war, las ich darin oder ging in einen Leseraum der Christlichen Wissenschaft. Wenn ich ins Gefängnis mußte, nahm ich das Buch mit. Ich versuchte beharrlich, so gut ich konnte zu verstehen, was es mir zu sagen hatte. Ganz langsam begann ich daran zu glauben, daß die Lehren in diesem Buch die Wahrheit waren. Und sie halfen mir, langsam ein Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Viele Jahre lang las ich Wissenschaft und Gesundheit nur, um gerade so viel geistiges Verständnis zu erlangen, daß die schlimmen Folgen meines Trinkens abgemildert wurden — doch ansonsten machte ich unverändert weiter mit meiner weltlichen Lebensweise. Ich mußte lernen, daß es in der Sünde keine bleibende Freude gibt. Was Mrs. Eddy über den mentalen Zustand eines Alkoholikers erkannte und über das, was er braucht, um geheilt zu werden, trifft genau zu.
Der Alkoholiker ist überzeugt, daß Glück in der Materie zu finden ist. Wenn Sie jemanden an einer Straßenecke stehen und Wein trinken sehen und Sie versuchen, ihm die Flasche wegzunehmen, dann wird er sich daran klammern wie an sein höchstes Gut auf Erden. Die Flasche hat ihm bereits alles genommen, was er besessen hat — seine Selbstachtung, seine Familie, sein Geld, ja alles. Aber er kann nicht davon lassen, denn er klammert sich an die Überzeugung, daß in der Materie Freude zu finden ist. Willenskraft nützt überhaupt nichts, denn sie läßt die zugrundeliegende Ursache außer acht. Wissenschaft und Gesundheit aber erklärt, wie solch ein Mensch für immer von der Annahme von Leben und Freude in der Materie befreit werden kann.
Ich erinnere mich sehr genau, wie ich wieder einmal nach der Flasche griff und dabei deutlich hörte, als spräche eine Stimme zu mir: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ 2. Mose 20:3. Und ich verstand diese Worte mit einem Mal ganz anders als je zuvor. Ich erkannte, was für mich wertvoll gewesen war, was ich zu meinem Gott gemacht hatte! Ich wurde nicht augenblicklich vom Trinken geheilt, aber dieses Erlebnis war ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin. Es war, als hätte sich in meinem Denken eine Tür geöffnet.
„Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.” Plötzlich verstand ich diese Worte ganz anders.
Nicht lange danach erlebte ich eine herrliche, schnelle Heilung durch mein eigenes Gebet, als ich von einem Dach gefallen war. Gleichzeitig wurde ich auch vom ständigen Kritisieren an anderen, einschließlich meinen Eltern, geheilt.
Ich fing an, regelmäßig die Gottesdienste einer Kirche der Christlichen Wissenschaft zu besuchen, und ich machte die Ohren mehr auf als früher. Ich ging nur hin, um zuzuhören und etwas über die Wahrheit zu erfahren. Als ich eines Tages in der Kirche saß, las der Leser die Bibelstelle: „Wißt ihr nicht: wem ihr euch zu Knechten macht, um ihm zu gehorchen, dessen Knechte seid ihr und müßt ihm gehorsam sein, es sei der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit?“ Röm 6:16. Das traf mich tief.
Im Jahr 1980 war ich einmal in einem Leseraum der Christlichen Wissenschaft und sprach mit einer Besucherin. Sie fragte mich, ob ich vielleicht mithelfen könne bei einer ganz besonderen Olympiade — einer Sportveranstaltung für körperlich oder geistig behinderte Kinder. Ich sagte ja — und seitdem habe ich immer mit Kindern gearbeitet. Bei der Behinderten-Olympiade traf ich viele freiwillige Helfer, die unwahrscheinlich selbstlos waren. Danach half ich zunächst bei einem Reitprogramm für Kinder aus und dann vier Monate in einem Sommerlager.
Während dieses Sommers lernte ich einen Ausüber der Christlichen Wissenschaft kennen, und ein paar Monate später entschloß ich mich, ihm zu schreiben und ihn zu bitten, wegen des Trinkens und Rauchens für mich zu beten. Er antwortete umgehend und schickte mir eine Liste von Zitaten aus der Bibel und aus Wissenschaft und Gesundheit, die ich studieren sollte. Ich weiß noch, daß ich zur gleichen Zeit ein Buch über eine Frau las, die Juden vor den Nazis versteckt hatte, und daß mich ihre Selbstlosigkeit und Tapferkeit sehr bewegte. Ich war ganz in dieses Buch und in die Zitate versunken — und auf einmal stellte ich fest, daß ich fünf volle Tage weder an eine Zigarette noch an Alkohol gedacht hatte. Meine Heilung war vollständig. Das ist nun fünfzehn Jahre her. Ich hatte vor meiner endgültigen Heilung jahrelang hin und wieder in Wissenschaft und Gesundheit gelesen. Mrs. Eddy schreibt: „ ...Selbstverleugnung, Aufrichtigkeit, Christlichkeit und Ausdauer allein gewinnen den Preis, wie es gewöhnlich auf jedem Gebiet des Lebens der Fall ist.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 462. In meinem Fall brauchte es eine ganze Menge Ausdauer!
Einmal hatte ich wegen einer Straftat im Gefängnis gesessen — wegen unbewaffneten Raubes. Jahre später, nachdem ich den zweiwöchigen Klassenunterricht in der Christlichen Wissenschaft in Kanada besucht hatte, wollte ich zu meiner alljährlichen Schülerversammlung wieder in dieses Land einreisen. Die Einreise wurde mir aber wegen der Verurteilung verweigert.
Sieben Jahre lang bemühte ich mich redlich um eine Rehabilitierung, damit ich wieder nach Kanada reisen konnte. Mein erster Antrag, für den ich gemeinsam mit meinem Anwalt vor dem Staatlichen Beratungsausschuß für Begnadigungen erschienen war, wurde abgelehnt. Man sagte mir aber, ich könne nach achtzehn Monaten einen neuen Antrag stellen. Als ich zum zweiten Mal vor den Ausschuß geladen wurde, beschloß ich, allein hinzugehen. Mein Anwalt riet mir, nicht allzuviel über die Christliche Wissenschaft zu sagen. Ich hätte ihn fragen sollen, warum er mir diesen Rat gab, denn ich begründete doch meinen Antrag gerade mit meiner Umwandlung durch die Christliche Wissenschaft. Aber ich versuchte eben, nicht allzuviel darüber verlauten zu lassen. Nachdem die mir zugestandenen fünfzehn Minuten Verhandlung vorüber waren, fuhr ich zu dem College zurück, das ich damals in einem anderen Landesteil besuchte. Dort bekam ich dann einen Brief, in dem mir mitgeteilt wurde, der Ausschuß wolle mich noch einmal sprechen. Diesmal bat ich einen befreundeten Christlichen Wissenschafter, der in diesem Bundesstaat das Komitee für Veröffentlichungen war, mit mir hinzugehen. Vor dem Ausschuß erklärte ich genau, warum ich an der Schülerversammlung teilnehmen wollte. Mir waren wieder fünfzehn Minuten Verhandlungszeit zugestanden worden, aber das Gespräch dauerte 42 Minuten. Die Ausschußmitglieder sagten: „Vielen Dank. Wir werden Sie von unserer Entscheidung unterrichten.“
In diesem Augenblick fiel mir ein, daß ich einen Christian Science Sentinel mitgebracht hatte, in dem mein Zeugnis über die Heilung vom Alkoholismus abgedruckt war. Ich gab ihn den Damen und Herren vom Ausschuß. Auf dem Heimweg sagte mir mein Freund, er habe gesehen, daß sich ihre Gesichter zu einem Lächeln erhellten, als ich ihnen den Sentinel gab und mein Zeugnis zeigte. Ich wurde völlig rehabilitiert. Das war wirklich ein schönes Geschenk — aber es war noch mehr: Ich fühlte mich wie neugeboren. Eine volle Rehabilitation löscht das Vergehen aus allen Akten, als sei es nie geschehen.
Ich habe schon erwähnt, daß ich ein College besuchte. Jetzt arbeite ich vollberuflich als Erzieher. Wie oft steht hinter den Fragen eines Kindes in Wirklichkeit der Schrei: „Hilf mir! Versteh mich doch!“ Und wenn ein Kind nicht gut und richtig geleitet wird, kann es später in seinem Leben schwere Problemen haben. So ist es mir selbst auch ergangen, aber seit meiner Heilung weiß und fühle ich, daß ich nichts verloren, nichts versäumt habe. Wenn ein Kind mit einem Problem zu mir kommt, bin ich einen Augenblick still und frage Gott, was ich tun oder wie ich antworten soll.
Was ich früher einmal war, ist so vollständig vergangen, daß ich es nicht einmal mehr im Bewußtsein habe, es sei denn, ich halte inne, drehe mich in Gedanken um und sage: „Himmel — da bin ich einmal gewesen!“ Und dann denke ich: „Wie dankbar kann ich jetzt sein.“ Es ist, als sei alles nur ein Traum gewesen, als wäre es in Wirklichkeit nie geschehen, als sei es von der Tafel gewischt worden.
Denn welche der Geist Gottes treibt,
die sind Gottes Kinder.
Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen,
daß ihr euch abermals fürchten müßtet;
sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen,
durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!
Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist,
daß wir Gottes Kinder sind.
Römer 8:14-16
