Auf Dem Rückflug von einem Klassentreffen — zehn Jahre nach meinem Schulabschluß — erforschte ich mein Gewissen wie kaum jemals zuvor in meinem Leben. In den vergangenen drei Jahren war ich zunächst Mitglied einer Zweigkirche der Christlichen Wissenschaft geworden und dann Der Mutterkirche, Der Ersten Kirche Christi, Wissenschafter, in Boston, Massachusetts, beigetreten.
Und als ich jetzt im Flugzeug saß, war ich voller Gewissensbisse, denn mein Verhalten während des vergangenen Wochenendes hatte weder im Einklang mit den Zehn Geboten noch mit den Normen der Christlichen Wissenschaft gestanden. Diese Normen waren mir während der letzten drei Tage irgendwie abhanden gekommen. Die Scham und das Schuldbewußtsein, die mich erfüllten, schienen fast unerträglich. Durch mein Studium der Wissenschaft hatte ich jedoch gelernt, daß solche negativen Gefühle überwunden werden können und daß man von falscher Anziehung und falschen Verlockungen frei werden kann. Aber wie?
Ich hatte viel über die wahre Natur Gottes und Seiner Schöpfung gelernt, einer Schöpfung, die ganz und gar geistig ist und nicht die geringste Beziehung hat zu dem, was die materiellen Sinne wahrnehmen. All die sogenannten materiellen Gesetze, die wir als feste Gegebenheiten hinnehmen — von den Gesetzen der Schwerkraft bis zu den Theorien, die davon ausgehen, daß die Menschen selbständig handelnden materiellen Körpern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind —, beruhen auf einer falschen Auffassung von der Schöpfung.
Wenn man diese materielle Vorstellung von einer Schöpfung, in der Sünde, Krankheit, tod und Ungerechtigkeit existieren, als Wirklichkeit ansieht, dann ist man den „Gesetzen“ unterworfen, die zu dieser Wirklichkeit gehören. Und wenn materielle Gesetze das Universum regieren — von den einzelligen Amöben bis zur Unermeßlichkeit des Weltalls —, welche Hoffnung bleibt da der Menschheit, von körperlichen Einflüssen und Neigungen frei zu werden, die unser Dasein so weitgehend zu bestimmen scheinen?
Wie dankbar können wir sein für das erste Kapitel des ersten Buches Mose in der Bibel! Dort finden wir den Weg heraus aus der Tretmühle der materiellen Annahmen, die die Menschheit versklaven. In diesem Schöpfungsbericht steht nichts von der Macht materieller Anziehungskräfte — weder der Planeten noch des Menschen. Alles ist durch das Wort Gottes, des göttlichen Geistes, erschaffen worden — und dem Menschen wurde Herrschaft über diese geistige Schöpfung verliehen! Er wird allein von seinem himmlischen Vater, Gott, regiert.
In Wissenschaft und Gesundheit stellt uns Mrs. Eddy Gott, Gemüt, als Schöpfer und Beherrscher aller wahren Gesetze dar. Sie schreibt: „Adhäsion, Kohäsion und Anziehungskraft sind Eigenschaften des Gemüts. Sie gehören dem göttlichen Prinzip an und halten das Gleichgewicht jener Gedankenkraft aufrecht, die die Erde in ihre Bahn hinaussandte und zu der stolzen Woge sagte:, Bis hierher ... und nicht weiter.‘ “ Wissenschaft und Gesundheit, S. 124. In dieser geistigen Schau wird uns Gott als Allmacht und als die einzige Anziehungskraft gezeigt. Und so wird auch Sein Geschöpf, der Mensch, der zu Seinem Bild und Gleichnis gemacht wurde, allein von geistigen Gesetzen und Wahrheiten regiert und angezogen. Materielle Hypothesen und Gesetze kommen in dieser wahren Schöpfung nicht vor.
Wenn wir unser Denken zu dieser geistigen Auffassung erheben, werden wir frei von den Begrenzungen einer auf Materie basierenden Realität. So können wir von der Tretmühle der menschlichen Annahmen abspringen, die uns dauernd einreden wollen, daß wir von physischen Kräften, Impulsen und Einflüssen beherrscht werden. Solche Einflüsse können uns zu menschlichen Verhaltensweisen verleiten, die den Zehn Geboten widersprechen, die man uns aber als natürliche Konsequenzen unserer biologischen Natur darstellt — etwa aggressiver Wettbewerb, Haß, Trunksucht, sexuelle Freizügigkeit und sogar Mord.
Das Vorbild Christi Jesu, unseres Wegweisers, kann uns helfen, wenn wir sündige Versuchungen überwinden und unseren geistigen Ursprung verstehen wollen. Einmal war Jesus teuflischen Einflüsterungen ausgesetzt, die ihm alle Annehmlichkeiten der Welt versprachen, wenn er nur niederfallen und den Teufel anbeten würde — „das Gegenteil von Wahrheit“, Ebd., S. 584. wie Mrs. Eddy den Teufel in Wissenschaft und Gesundheit nennt. Aber Jesus verstand, daß er eins war mit Gott, Geist, und das stärkte ihn. Er antwortete mit einem Verweis: „Weg mit dir, Satan! denn es steht geschrieben:, Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.‘ “ Mt 4:10. Und damit wurde für ihn der Weg frei zu dem unvergleichlichen Heilungswerk, das dann folgte.
Jesus weigerte sich ein für allemal, an die materielle Schöpfung mit ihren falschen Freuden und dem endlosen, durch Sünde, Krankheit und Tod verursachten Jammer zu glauben. Doch seine Herrschaft über die Materie war nicht das Ergebnis menschlicher Willenskraft. Nicht durch sterbliche Gemütskräfte wandelte er auf dem Wasser Siehe Mt 14:23–25. oder erweckte er Lazarus von den Toten Siehe Joh 11:1–44., sondern durch göttliche Kraft und Herrschaft, die ganz natürlich aus dem Verständnis erwachsen, daß die Schöpfung geistig ist, ohne ein einziges materielles Element.
Dies mußte ich begreifen lernen, als ich mit meiner eigenen Vorstellung von einem in Materie eingeschlossenen und falschen Reizen und Versuchungen ausgesetzten Leben rang. Es wurde mir klar, daß ich bisher meistens mit menschlicher Willenskraft versucht hatte, mich an die Zehn Gebote und die Normen der Christlichen Wissenschaft zu halten. Ich hatte nicht wirklich verstanden, daß ich ja von den materiellen Gesetzen frei bin, weil ich als Idee im Reich des Geistes existiere.
Jeder Versuch, mit menschlicher Willenskraft von der Sünde loszukommen, ist zum Scheitern verurteilt. Wir müssen uns auf die Kraft des Geistes verlassen. Und das wollte ich nun tun. Ich betete in aller Demut darum, von den sündigen Versuchungen befreit zu werden, indem ich auf meiner natürlichen Geistigkeit und Reinheit bestand. Und bald hatte das Verhalten, dem ich voher kaum hatte widerstehen können, keinen Reiz mehr für mich: Es hörte auf, eine Versuchung zu sein, und ist es auch in den Jahren seither nie wieder gewesen.
Der Rat des Paulus an die Philipper, wie er in der Übersetzung des Neuen Testaments von J. B. Phillips wiedergegeben wird, hat mir viel bedeutet. Es heißt dort: „Denn jetzt ist mein Platz in ihm [Christus], und ich bin nicht abhängig von einer aufgrund eigener Leistungen erreichten Gerechtigkeit nach dem Gesetz; Gott hat mir wahre Gerechtigkeit zuteil werden lassen, die aus dem Glauben an Christus kommt. ...Doch auf eines richte ich mein Denken: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und gehe mit ausgestreckten Händen auf das Ziel zu, das vor mir liegt — mein Lohn ist die Ehre meiner hohen Berufung durch Gott in Christus Jesus.“ Phil 3:9, 13, 14.
Es gibt auch für Sie einen Weg heraus aus der Falle sündiger Versuchungen, aus Scham und Schuldgefühlen — einen klaren Weg zur Heilung. Sie können die herabziehenden Gedanken und das sündige Verhalten abweisen. Wenn Sie sich an Gott wenden, nicht an menschliche Willenskraft, wird Ihnen Schritt für Schritt der Weg zur Freiheit gezeigt. Es mag viel Selbsterforschung erfordern und Tränen und Reue kosten; aber wenn Sie nicht aufgeben — wenn Sie sich beharrlich an Gott wenden, die geistige Reinheit Seiner Schöpfung anerkennen und sich bemühen, in Übereinstimmung mit Ihrer wahren Natur zu leben —, dann wird die geistige Heilung eintreten.
