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„Spiritualität und Heilen in der Medizin — II”

Erster Teil

Aus der Mai 1997-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Im vergangenen Dezember veranstalteten die Abteilung für Weiterbildung an der Medizinischen Fakultät der Harvard-Universität und das Mind/Body Medical Institute am Deaconess-Krankenhaus in Boston ihr zweites jährliches Symposium zum Thema „Spiritualität und Heilen in der Medizin — II”. Daran nahmen tausende Ärzte, Psychologen, Krankenschwestern und Vertreter anderer Heilberufe teil, ferner Sozialarbeiter, Geistliche und andere, die einfach kamen, weil sie an der Beziehung zwischen Spiritualität und Heilen interessiert waren. Sie hörten Vorträge über afrikanische, buddhistische, jüdische, katholische, islamische, hispanischpentekostale und christlich-wissenschaftliche geistige Heilpraktiken und allgemeine Diskussionen über die Wirksamkeit geistigen Heilens und seinen Platz in der medizinischen Praxis heute.

Das Folgende sind einige Beobachtungen über die Reichweite der Bostoner Tagung und Auszüge aus verschiedenen Referaten:

Spiritualität und Kinder

In einer Ansprache bei einem Dinner, das vor Beginn der Tagung stattfand, sagte Dr. Robert Coles, Forscher und Lehrer der Psychiatrie an der Harvard-Universität, dass wir alle unsere Spiritualität verstehen müssen — und das nicht nur für uns selbst, sondern für die Welt. Er erklärte: „Wir sind dazu da, einander weiterzuhelfen ... Tun wir's doch, damit wir rundum gesund sein können.”

Dr. Cole ist Autor von sechsundfünfzig Büchern; viele davon behandeln die Psyche von Kindern. Er erzählte, was für eine nachhaltige Wirkung auf sein Leben und seine Karriere der geistige Mut eines kleinen schwarzen Mädchens namens Ruby Bridges hatte, die durch Gebet dem heftigen Widerstand gegen ihren Besuch einer öffentlichen Schule in New Orleans standhielt und denen vergab, die ihr so viel Hass entgegengebracht hatten.

Dr. Coles sagte, das Wichtigste in dieser Welt sei, eine Sprache zu finden, die unser selbst würdig ist — ein Leben zu finden, das für andere einen Wert hat. Entscheidend sei, wie wir unser Leben leben und nicht unbedingt, ob wir es biologisch, physiologisch oder neurologisch verstehen. So wie Stahl, der durch Feuer geprüft wird, gewinnt auch ein Leben an Stärke, das gelebt und geprüft wird.

Über die geistige Intuition von Kindern sprach ferner Dale A. Matthews, außerordentlicher Professor der Medizin an der Universität Georgetown in Washington. Er sagte, sein derzeit gerade sechs Jahre alter Sohn habe ihm eine unvergessliche Lehre erteilt. Um zwei morgens war dem Kind einmal furchtbar übel. Dr. Matthews wandte sich an den Medizinschrank um Hilfe und steckte seinen Sohn wieder ins Bett. Eine halbe Stunde später passierte das gleiche noch einmal. Wieder verabreichte er dem Kind eine Dosis Medizin und brachte es ins Bett zurück. Bald darauf war der Junge wieder auf. Diesmal marschierte er direkt ins Schlafzimmer seiner Eltern und bat: „Daddy, diese Medikamente helfen nicht. Können wir jetzt beten?” Dr. Matthews betete mit seinem Sohn und „der Junge schlief die restliche Nacht, wie ein Sechsjähriger schlafen sollte!”

Historische Perspektive

In seiner Eröffnungsrede sprach der Veranstaltungsleiter, Dr. med. Herbert Benson, davon, wie positiv das Echo auf die erste Tagung in Boston gewesen sei. Er sagte, es scheine einen Hunger zu geben nach einer Synthese von Spiritualität und Heilen in der Medizin. Ja, viele hätten gesagt:

„Danke, Herb. So etwas war schon lange fällig.” „Diese Arbeit geht weiter”, kündigte Dr. Benson seinen Zuhörern an, „und sie ist sehr spannend! Aber”, machte er klar, „wir haben hier nichts Neues entdeckt.” Ärzte und Pflegepersonal nähmen nur jahrhundertealte Praktiken, prüften sie wissenschaftlich und brächten diejenigen in die Medizin, die funktionierten. Und es sei an der Zeit, dass man die verschiedenen religiösen Erfahrungen, die die Menschen gemacht haben, einmal zusammenträgt und neben die Wissenschaft hält, um zu sehen, wie sie mit körperlicher Heilung im Zusammenhang stehen könnten. „Suchen wir doch nach den Gemeinsamkeiten”, schlug er vor.

„Die Medizin schenkt der Flut von neuen Daten, die eine Beziehung zwischen Spiritualität und Gesundheit aufzeigen, neue Aufmerksamkeit.”

George H. Gallup jr., Vorsitzender des Gallup Instituts, stimmte Dr. Benson zu, dass die Verbindung zwischen Glauben und Gesundheit nicht neu ist, meinte jedoch, die Entdeckung dieser Verbindung sei bis vor kurzem nur langsam vonstatten gegangen. „Die Medizin schenkt der Flut von neuen Daten, die eine Beziehung zwischen Spiritualität und Gesundheit aufzeigen, neue Aufmerksamkeit”, sagte er. „Die Medien haben das Thema endlich entdeckt und berichten nun darüber. Aber die Öffentlichkeit und die Heiligen und Propheten haben es schon lange gewusst und haben nur darauf gewartet, dass die Wissenschaftler und andere schließlich auch dahinter kommen würden.

Mr. Gallup begrüßte den Dialog zwischen Wissenschaft und Religion — zwei manchmal disparate Welten, wie er es bezeichnete. „Es ist eine erstaunliche Welt da draußen”, fuhr er fort, „und viele glauben, dass es eine Welt ist, die bereichert wird durch die aktive Beteiligung Gottes — die göttliche Macht, die unmittelbar heilt oder die den Menschen hilft sich zu heilen. Der Zweck dieser Konferenz ist nicht, einen Gottesbeweis zu erbringen, aber wir können die Wirkung demonstrieren, die Gott auf das Leben der Gläubigen hat.”

Florence Nightingale

Janet A. Macrae, außerordentliches Mitglied des Lehrkörpers im Fach Pflege an der Universität New York hob ebenfalls hervor, dass solche Denkprozesse nicht neu sind. Sie gründete sich bei ihrer Ansprache auf das Leben und Werk von Florence Nightingale im späten 19. Jahrhundert, die glaubte, dass Geistigkeit nicht das Eigentum einer einzelnen Religion sei, sondern dass alle Menschen gottähnliche Eigenschaften hätten, die über das persönliche Ich hinausgehen. Dazu gehörten Mitgefühl, Großzügigkeit, Weisheit, innerer Frieden, Mut, schöpferische Einsicht und künstlerischer Ausdruck. Dies sei unsere wahre Natur, schrieb Florence Nightingale, und Spiritualität sei die Entfaltung dieses höheren Bewusstseins. Sie war der Meinung, dass alle religiösen Traditionen als Mittel zu diesem größeren Zweck geachtet werden und die Menschen ihre gottgegebenen Kräfte nutzen sollten, um die universalen Gesetze zu entdecken und anzuwenden, die Schmerz und Schmerzlinderung auf physischer, psychischer und geistiger Ebene regulieren.

Macrae, die viele dieser Ansätze in ihrer eigenen Pflegeund Lehrtätigkeit verwirklicht hat, erklärte ferner, dass Florence Nightingale Geistigkeit als etwas Evolutionäres ansah und dies ganz mit ihrem Begriff von Gott übereinstimmte. Sie habe Gott als ein vollkommenes Wesen betrachtet, der das Universum durch Gesetz und nicht Willkür regiert, der die Essenz von Ordnung und Wohlwollen ist und die Menschheit niemals einem zustand des Leidens und der Fragmentierung überlassen würde.

Zwischen Wissenschaft und Spiritualität habe für sie absolut kein Konflikt bestanden. Ja, sie hielt die Wissenschaft sogar für unerlässlich für die Entwicklung eines umfassenderen Begriffs von Gott.

Das Denken öffnen

Noriko Kinjo, eine japanische Psychologin, die vor einigen Jahren in die Vereinigten Staaten kam, um hier ihr Studium fortzusetzen, erzählte dem Christian Science Journal, dass sie im Geist der Offenheit zur Konferenz gekommen sei. „Ich möchte alles über die neuesten Entwicklungen erfahren”, sagte sie. „Ich halte es für sehr wichtig, dass man sich für die geistigen Elemente der modernen Medizin öffnet, besonders in einer so schnelllebigen Gesellschaft wie den Vereinigten Staaten. Hochtechnologie und Statistiken allein können die Verbindung nicht schaffen. Etwas Grundlegenderes ist nötig, wenn wir die Seele eines anderen Menschen berühren wollen.

Eine Neudefinierung wird von uns allen verlangt”, fuhr sie fort. „Niemand sollte dogmatisch sein. Der eigene Fortschritt muss evaluiert werden. Wir müssen das richtige Verhältnis finden zwischen Wissenschaft und geistiger Kraft, dann einen Schritt zurück machen und uns ansehen, wie es funktioniert.”

Dr. Larry Dossey, Sprecher, Autor und Berater für Gesundheitsfürsorge und Spiritualität, sah die jüngsten Entwicklungen in seinem Feld aus einer umfassenden Perspektive und forderte von der Zuhörerschaft die Bereitschaft, ihren Kopf zu riskieren. „Wenn eine neue Sicht auf ein schwieriges Thema gebraucht wird, ist es oft sehr nötig, etwas Abstand zu gewinnen und sich alte Vorstellungen aus der Entfernung anzuschauen.”

Eins der „schwierigen” Themen, die er ansprach, war das fürsprechende Gebet. Er forderte die Leute auf, neu über die kontroverse Vorstellung nachzudenken, dass die empathischen, mitfühlenden, liebevollen, gebeterfüllten Gedanken eines Einzelnen einen Unterschied machen im physiologischen Zustand eines anderen, selbst wenn derjenige sich auf der anderen Seite der Erde befindet. Dr. Dossey sagte, dass empirische Studien „die Korrelation zwischen positiver mentaler Intention und physiologischen Wirkungen” gezeigt hätten, und er deutete an, dass diese Studien revolutionäre Konsequenzen für jeden Bereich menschlicher Forschung haben, insbesondere für die Neurologie, die Medizin und die Psychologie.

„Man stellt solche Thesen nur zögernd auf”, setzte er hinzu, „denn es ist von vornherein klar, dass sie im höchsten Maße geeignet sind, nicht nur Skeptik hervorzurufen, sondern auch Zynismus und Spott. ... Die Frage ist jedoch nicht, ob unser gegenwärtiges Modell von der Beziehung zwischen Gehirn und Körper sich ändern wird, sondern wie das neue Modell aussehen wird.”

Marilyn J. Schlitz, Forschungsleiterin am Institute of Noetic Sciences in Kalifornien, ging weiter auf dieses „neue Modell” ein. Sie sagte voraus, dass die heilenden Wirkungen des fürsprechenden Gebets die vielversprechendste und fruchtbarste Domäne nicht nur für die Wissenschaft, sondern für eine humanere Gesellschaft sein werden. „Ich glaube, diese Arbeit ist äußerst wichtig”, sagte sie. „Sie ist Teil eines größeren Ganzen, das mit unserem Platz und dem Vorwärtsschreiten der Menschheit ins 21. Jahrhundert zu tun hat.”

Schlitz ist der Meinung, die verfügbaren Daten unterstützten die Vorstellung, dass die Menschen auf einer Ebene miteinander verbunden sind, die von der westlichen Gesellschaft erst noch voll anerkannt werden muss und die noch längst nicht in unser Weltbild integriert ist. Diese Entwicklungen im Denken machten es erforderlich, dass wir „nicht nur aufmerksamer und verantwortungsbewusster auf unsere eigenen Handlungen achten, sondern auch auf die Art, wie wir über andere denken und mit ihnen interagieren. Es ist wichtig”, sagt sie, „zu erkennen, dass wir hier Neuland erforschen und es viel mehr Fragen gibt, als wir Antworten haben. Aber das ist das Spannende daran.”

Die Sprache der Spiritualität

Im weiteren Verlauf der Tagung beteiligte sich Dr. Dossey an einem Podiumsgespräch, bei dem es um weitere Formen des Gebets ging. „Wir möchten anderen, die vielleicht anders beten als wir, nicht das Recht dazu aberkennen”, sagte er. Im Bereich des Gebets und der Transzendenz sollten wir nicht auf präziser menschlicher Sprache bestehen, um auszudrücken, was wir fühlen. Manchmal könne sich unser Vokabular auf allzu festen Bahnen bewegen. „In gewisser Weise muss man die Begriffe schweben lassen in dem, was der Forscher Lewis Thomas (Dr. med.) einmal einen „bewussten Zustand deliziöser Ambiguität” nannte. Ich bin nicht für Ungenauigkeit”, sagte Dr. Dossey, „doch es geht etwas verloren, wenn wir glauben, wir könnten tatsächlich [geistige] Begriffe speziell durch Sprache erfassen.”

Bei dieser Diskussion über die Sprache der Spiritualität sprach Dr. Matthews aus Georgetown „weder als Philosoph noch als Theologe, sondern als Kliniker, der täglich Patienten sieht”. Er sagte, keine einzelne Sprache könne die ganze Wirklichkeit Gottes umfassen. „Wir haben es mit einer unendlichen Wirklichkeit und einem unendlichen Wesen zu tun. ... Daher wäre das Bestreben, Gott oder das Transzendentale auf irgendeine Weise ganz in Sprache zu erfassen, letztendlich zum Scheitern verurteilt. Dennoch sollten wir alle so viel wir nur können über das unendliche Reich herausfinden.”

An dieser Stelle fügte Diskussionsteilnehmerin Virginia S. Harris, die zu einem früheren Zeitpunkt auf der Tagung über das Heilverfahren der Christlichen Wissenschaft gesprochen hatte, hinzu: „Kommunikation ist wichtig, denn darum geht es auf dieser Tagung — dass wir versuchen, einander zu verstehen. Und wenn wir darauf hinarbeiten, bin ich überzeugt, dass wir die gewünschten Resultate sehen werden. Aber das geht nicht ohne Anstrengung. Mein Gebet für diejenigen, die in dieser Zeit forschen und suchen, bezieht sich auf das, was Dr. Matthews gerade gesagt hat. Der Allmächtige, der unendliche Unsichtbare, die erhaltende Gegenwart, hat uns bis hierher gebracht. Und ich vertraue darauf und bete, dass der erhaltende Unendliche so sehr für alle Seine Kinder sorgt, dass Er es nicht zulässt, dass wir einander nicht verstehen könnten.”

Wunder und Verantwortung

Am Schluss der Tagung bemerkten mehrere Teilnehmer, wie überwältigend die dargestellten Forschungsergebnisse seien und dass mehr Kommentare von Seiten religiöser Menschen wünschenswert wären. Eine Fragestellerin, die ihren Namen nicht nannte, sagte: „Mir scheint, es gibt etwas, was über alles wissenschaftlich Meßbare hinausgeht — und das liegt im Bereich des Gebets.” Steven Matthyse, Professor der Psychologie an der psychiatrischen Abteilung der Medizinischen Fakultät von Harvard setzte hinzu: „Die meisten gläubigen Menschen sind überzeugt, dass Gebet in gewisser Weise wirksam ist, eben weil es funktioniert!”

Darauf antwortete vom Podium Dr. Samuel Solivan, außerordentlicher Professor für christliche Theologie an der Andover Newton Theological School von Massachusetts. Er war der Meinung, die Menschen betrachteten verschiedene Aspekte der Wirklichkeit. „Ich begrüße die Daten — die empirischen Untersuchungen —, aber diese Daten machen zugleich die Begrenzungen der Wissenschaft deutlich”, sagte er. So wie er es sieht, sind die Filter der Wissenschaftler einfach nicht in der Lage, ganz zu identifizieren, wie ein Leben des Gebets beschaffen ist; sie weisen nur auf die Spitze des Eisbergs. Und wenn nun die wissenschaftliche Forschung die Wirksamkeit des Gebets bestätige, so fuhr er fort, würden einfache Menschen in ärmeren Gegenden sagen: „Jetzt erkennen die Wissenschaftler, was wir schon längst wussten — und nicht erst in Harvard lernen mussten!”

„Das Wirken des Geistes”, setzte Dr. Solivan hinzu, „bietet etwas, was sich nicht leicht domestizieren oder kontrollieren oder quantifizieren lässt. Es ruft uns auf zu einer Reise voller Wunder, aber auch einer Reise voller Verantwortung, bei der wir nicht umhin kommen, weiter harte Fragen zu stellen und weiter zu forschen.”

Lesen Sie nächsten Monat im Bericht über das Harvard-Symposium die Ansprache von Virginia S. Harris, der Vorsitzenden des Christian Science Vorstands.

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