Manchmal sieht es so aus, als bestehe Gefahr, dass die heilenden Eigenschaften von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verloren gehen. In den Medien werden Gerechtigkeit und Barmherzigkeit häufig als Gegensätze dargestellt. In der Sprache der Politik ausgedrückt: die „Gerechtigkeitspartei“ hat ein Parteiprogramm, das Auge für Auge, härtere Urteile und schnellere Bestrafung für Verbrechen zum Ziel hat. Das Programm der „Barmherzigkeitspartei“ dagegen sieht Gesetzesbrecher als Opfer sozialer Ungerechtigkeiten, die für ihre Taten nicht verantwortlich gemacht werden dürfen, und behauptet, Strafen seien grausam und bewirkten nur das Gegenteil dessen, was man zu erreichen sucht.
Diese überspitzt formulierten Definitionen sind natürlich beide unfair — aber sind sie nicht das tägliche Brot im Talk-Radio oder bei vielen Fernsehdiskussionen? Und auf diesem Wege beeinflussen sie die Meinung von Millionen Hörern und Zuschauern über ihr Leben und über das, was in der Welt geschieht.
Ein Mensch, dessen Lebensanschauung durch solche Programme geprägt worden ist, würde nie vermuten, dass ein geistiges Verständnis von Gerechtigkeit und barmherziger Gnade heilt. Der 89. Psalm in der Bibel ist voller Lobpreis Gottes. Hier lesen wir: „Gerechtigkeit und Gericht sind deines Thrones Stütze, Gnade und Treue gehen vor dir einher. Wohl dem Volk, das jauchzen kann! Herr, sie werden im Licht deines Antlitzes wandeln (Vers 15, 16). Eine moderne Übersetzung gibt den ersten Teil so wieder: „Dein Thron ist gegründet auf Recht und Gerechtigkeit, Güte und Treue gehen vor dir her.“ Die Gute Nachricht Bibel.
Wo ist hier der Konflikt? Er existiert nicht mehr. Sowohl Gerechtigkeit als auch Barmherzigkeit werden als Elemente der göttlichen Ordnung dargestellt. Sie leben in Frieden miteinander. Damit lässt sich zwar kein tolles Fernsehen machen, aber es klingt ganz nach der Grundlage für ein glücklicheres Leben!
Doch viele Menschen können sich nicht so einfach Gott zuwenden. Gott wurde ihnen als rachsüchtiger Bestrafter dargestellt, der peinlich genau Buch führt über die Übeltaten der Menschen und immer bereit ist, rücksichtslos Vergeltung zu üben. Dieses theologische Durcheinander hat jahrhundertelang unnötig Leiden verursacht. Aber sobald wir erkennen, dass die göttliche Gerechtigkeit nur Sünde zerstört — d. h. bestraft —, um uns von Leiden und Tod zu erretten, verstehen wir auch, wie Gerechtigkeit und barmherzige Gnade zusammenwirken.
Gott hasst den Menschen nicht. Er ist nicht zornig oder von Seinem eigenen Bild und Gleichnis entfremdet. Der Mensch ist weder verderbt und sündig noch neigt er zur Sünde. Der Mensch ist zu Gottes eigenem Bild erschaffen. Die Attribute Gottes sind Heiligkeit, Güte, Reinheit und Liebe. Was also sind die Eigenschaften des Menschen, der zum Ebenbild Gottes geschaffen wurde? Vielleicht schrieb deshalb der Psalmist: „Ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde“ Ps 17:15.. Ich werde zufrieden sein, ich werde mich sicher fühlen, wenn ich mich als das Werk Gottes, als Sein Gleichnis, erkenne.
Aus Barmherzigkeit gegen die Sterblichen zerstört die göttliche Gerechtigkeit Sünde. Sie zerstört das, was unser innerstes Wesen beschmutzt und es uns unmöglich macht, die Güte und Liebe Gottes zu erleben. Welch ein Riesenunterschied zwischen dem Zerstören von Sünde und dem Zerstören eines Menschen! In Wirklichkeit kann der Mensch ebenso wenig zerstört werden wie Gott zerstört werden kann. Gottes Geschöpf ist nicht sündig und daher auch kein Sünder.
Verlieren Sie zum Beispiel öfter die Beherrschung? Die göttliche Gerechtigkeit zerstört den Hang dazu. Aber zerstört oder verletzt die göttliche Gerechtigkeit Sie? Nein — sie befreit Sie von Sünde. Ist es lieblos von der göttlichen Gerechtigkeit, dass sie diesen Charakterzug zerstört? Nein, es ist ein Beweis der göttlichen Barmherzigkeit und Gnade, ein Beweis der niemals endenden Liebe Gottes.
Kann die göttliche Gerechtigkeit irgendeine Sünde übersehen? Nein. Würden wir es wollen, dass sie das tut? Auf keinen Fall! Denn was bewirkt diese Gerechtigkeit bei uns? Wir sind reiner, glücklicher und gesünder als je zuvor. Wir fühlen mehr denn je Gottes große Barmherzigkeit und Liebe. Das Johannes-Evangelium drückt das sehr einfach aus: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“ Joh 3:16,17. In Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift bemerkt Mary Baker Eddy: „Christus kam, um den Glauben an Sünde zu zerstören.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 473.
Der Christus wirkt in alle Ewigkeit. Mrs. Eddy sagt: „Abraham, Jakob, Mose und die Propheten erlebten herrliche Lichtblicke von dem Messias oder Christus, die diese Seher mit der göttlichen Natur, dem Wesen der Liebe, tauften.“ Ebd., S. 333. Diese geistige Kraft, die damals am Werk war, wirkt auch heute noch.
Sicher — in der Bibel gibt es Verse, die vom Zorn Gottes sprechen. Aber das ist ein Zorn über Untreue, Ungerechtigkeit, Sinnenlust, Trunkenheit und dergleichen. Christian Science hebt die wichtige Tatsache hervor, dass die göttliche Wahrheit diese Sünden zerstört — und das Ergebnis ist, dass die Menschen aus deren Würgegriff befreit werden. Die geistige Bedeutung der Heiligen Schrift offenbart, dass die göttliche Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nicht Menschen zerstört, sondern Sünde. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit arbeiten beide zusammen, um die Menschen von allem zu erretten, was ihnen Kummer und Krankheit oder Tod bringt. Die Bibel zeigt, dass alles, was sich Gott widersetzt oder den Menschen beschmutzt, zunichte gemacht wird.
Christus, die göttliche Wahrheit, lässt uns Gottes unwandelbare Liebe konkret fühlen. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit liegen nicht im Streit. Sie sind Attribute der göttlichen Liebe. Sie arbeiten zusammen und bringen uns Gesundheit, Frieden und Freude.
