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Endlich frei!

Aus der April 2000-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Nostalgie ist populär; jeder denkt gern an die „gute alte Zeit", und wenn alte Freunde zusammenkommen, erinnern sie sich oft an glückliche, sorgenfreie Tage.

Doch wie steht es mit weniger glücklichen Erinnerungen, Erinnerungen an Kummer oder schwere Bürden, an Schande oder Schmach? Sie scheinen uns manchmal an eine Vergangenheit zu ketten, die wir vergessen wollen oder aber uns weigern zu vergessen, sei's weil wir uns schuldig fühler und meinen, wir verdienten es zu leiden, oder weil wir die Erinnerung an einen Menschen oder eine verpasste Gelegenheit nicht aufgeben wollen.

Ich weiß das aus eigener Erfahrung, denn ich habe einmal gut sechs Jahre an einem Kummer festgehalten. Ach, nach außen hin glaube ich nicht, dass irgendjemand et-was davon gemerkt hat, doch innerlich nagte es an mir bis zu einem Tag in der Osterzeit, als ich gerade die wöchentliche Bibellektion aus dem Christian Science Vierteljahresheft studierte. Ich las einige Worte in Mary Baker Eddys Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, die mich augenblicklich von aller Trauer über den Verlust meines geliebten Bruders befreiten, der im 2. Weltkrieg Bomberpilot gewesen war.

Was ich las, schockierte mich ge-radezu: „Weder Mitgefühl noch die Gesellschaft sollten uns jemals in Versuchung führen, Irrtum in irgendeiner Form zu pflegen, und gewiss sollten wir nicht der Fürsprecher des Irrtums sein." Wissenschaft und Gesundheit, S. 153. Der Irrtum hier war der Tod eines jungen Mannes, verursacht durch einen Krieg und offensichtlich durch Zufall. Aber wirklich entsetzt war ich über den Gedanken, dass ich den Tod meines Bruders „gepflegt" hatte.

Als Kinder waren wir — leider — nicht immer gut miteinander ausgekommen. Wir versuchten uns gegenseitig zu übertrumpfen, haben uns beschwert über das, was der andere tat, usw. Doch als wir dann heranwuchsen, entdeckten wir, wie viel wir einander bedeuteten und was wir alles gemeinsam hatten. Es machte Spaß mit ihm zusammen zu sein. Er war klug, gutaussehend und einfach rundum ein netter junger Mann. Plötzlich wurde mir dann mitgeteilt, dass er nicht mehr da war — ein Opfer des Krieges.

Als ich diese Nachricht erhielt, bekam ich viel Mitgefühl und liebevolle Anteilnahme von den Menschen in meiner Umgebung. Obwohl ich ihre Liebe annahm, war ich doch untröstlich. Die Zeit würde die Wunden heilen, so sagte man mir. Ich rebellierte dagegen. Niemals würde ich es zulassen, dass die Zeit meinen Kummer heilte. Irgendwie dachte ich wohl, dass ich ihm nahe sei, wenn ich um ihn trauerte. Wie unsinnig war das. Es führte mich dazu einen Zustand des Trauerns zu pflegen — womit ich meinen Bruder kaum ehrte, denn der hätte solches Verhalten niemals von mir gewünscht.

Durch mein Studium von Christian Science hatte ich gelernt, dass Gott Leben ist und dass der Mensch, das Kind Gottes, nie von seinem Schöpfer, seinem Vater-Mutter, getrennt ist. Da Gott Geist ist, muss auch der Mensch, Seine Schöpfung — Sein Kind —, geistig sein und so ewig wie Gott. Für mich bestand die eigentliche Bedeutung von Christi Jesu Mission darin, jedem von uns das Wesen des wahren Daseins zu zeigen, das keinem Wandel und keinem Zufall unterworfen ist. Doch diese Erfahrung mit meinem Bruder schien mich von dem zu trennen, was ich zutiefst wusste und verstand. So dauerte meine Trauer an, weil ich mich gegen das als wahr Erkannte sträubte und mich an die Verwirrung klammerte.

In der Zwischenzeit begann ich eine Lehrtätigkeit, heiratete und hatte an jenem Ostern zwei kleine Kinder. Ich war glücklich und dankbar, aber entschlossen, die Vergangenheit nicht loszulassen.

Dann stieß ich auf jene Worte aus Wissenschaft und Gesundheit, ein Buch, das ich zusammen mit der Bibel mein Leben lang studiert hatte und das ich sehr schätze. Meine störrische Haltung löste sich auf, als ich erkannte, dass sie völlig unvereinbar war mit den Lehren Christi Jesu und den geistigen Einsichten, die ich durch das Studium von Christian Science erlangt hatte. Es war wie ein abruptes Erwachen. Der Kummer war verschwunden. Er hatte nicht mehr Substanz gehabt als ein Traum. Ich war frei! Der Traum war vorbei.

Das Beste an diesem Erwachen war, dass das Gefühl der Trennung nicht mehr da war und ich die ungestörte Kontinuität des Guten besser begriff. Ich wusste, dass weder mein Bruder noch ich jemals außerhalb der Allgegenwart Gottes gewesen waren, der Leben und Liebe ist.

Doch das sollte erst der Anfang sein. Von dem Moment an stellte ich die Vergangenheit in Frage und entdeckte, dass es noch viele andere Begrenzungen gab, die ich im Laufe der Jahre gepflegt hatte. Es waren ganz eindeutig „Irrtümer", falsche Vorstellungen, die ich aufgrund dessen, was die materiellen Sinne mir als wirklich präsentierten, akzeptiert hatte.

Irgendwie dachte ich wohl, dass ich ihm nahe sei, wenn ich um ihn trauerte. Wie unsinnig war das.

Die mentalen Bilder, die ich von verschiedenen Vorfällen im Gedächtnis hatte, waren so lebendig, dass ich jedesmal innerlich zusammenzuckte, wenn ich an sie dachte. Zunächst fühlte ich mich von diesen Bildern bedrängt und grübelte von Zeit zu Zeit darüber nach. Ich wurde gewissermaßen von selbst geschaffenen oder angenommenen Illusionen „heimgesucht". Da keine von ihnen gut war, konnten sie nicht zur Schöpfung Gottes gehören. Sie waren im Grunde eine Form von Aberglauben.

In Wissenschaft und Gesundheit las ich Folgendes: „Wir müssen das Gespenstische in allen Punkten aufgeben. Wir dürfen nicht weiter zugeben, dass der Aberglaube etwas wäre, sondern wir müssen allen Glauben an ihn aufgeben und weise sein. Wenn uns klar wird, dass Irrtum nicht wirklich ist, werden wir für den Fortschritt bereit sein und vergessen„ was dahinten ist'." Ebd., S. 353.

Alle materiellen Ansichten oder begrenzten Perspektiven aus der Vergangenheit, an denen wir festhalten, sind sozusagen „Gespenster". Sie besitzen keine Wirklichkeit. Die Zeit selbst ist nur ein von der Menschheit ersonnenes Konzept. Wir alle wissen zutiefst, dass morgen nur eine künstliche Festlegung ist, eine Art und Weise Zeit zu definieren. Man braucht sich nicht danach zu sehnen noch sich davor zu fürchten. Und genauso ist es mit dem, was wir gestern oder die Vergangenheit nennen.

In einem Artikel mit dem Titel „Jetzt und dann" schreibt Mrs. Eddy: „Uns gehört keine Vergangenheit und keine Zukunft; wir besitzen nur das Jetzt. ... Der Glaube an die göttliche Liebe verleiht die immergegenwärtige Hilfe, und zwar jetzt, und gibt die Kraft„ in der lebendigen Gegenwart zu handeln'." Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 12.

In dieser „lebendigen Gegenwart" werden vergangene Fehler zu Gelegenheiten jetzt geistigen Fortschritt zu machen. Moralisches Fehlverhalten wird durch moralische Stärke ersetzt. Was ein unwiederbringlicher Verlust zu sein scheint, erweist sich als Gewinn im Verständnis der ewigen und unveränderlichen Natur des Guten. Wir bestehen zugleich mit Gott, und zwar jetzt. Daher konnte es niemals eine Trennung vom Guten geben noch wird es sie je geben.

Die Schriften des Apostels Paulus enthüllen eine menschliche Geschichte, die aus zahlreichen „schlechten Erinnerungen" besteht und emotionales, physisches und geistiges Ringen schildert. Den gleichen Trost und die gleiche Freiheit, die Paulus durch das Verständnis des immer-gegenwärtigen Christus entdeckte, können auch wir erwarten.

Seine folgenden Worte in der Bibel sind eine Richtschnur und eine Verheißung für uns: „Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn." Röm 8:35, 37-39.

Wir können nicht nur von der Vergangenheit frei werden, wir sind schon jetzt frei.

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