Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Hass, unauflösbar?

Aus der Februar 2003-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Hass war die treibende Kraft im Leben des Teenagers Franz Mohr. Aber dieser Hass fraß ihn auch auf. Dann änderte sich etwas. Wieso? Der Herold sprach mit ihm.

Herold: Herr Mohr, Sie haben das Buch verfasst Pianisten, wie sie keiner kennt. Da sprechen Sie aus Ihrer Erfahrung als Chefkonzerttechniker von Steinway & Sons in New York. Diese Betätigung hat Sie mit vielen Pianisten und politischen Führern zusammengeführt.

Franz Mohr: Das ist richtig. Ich habe Horowitz kennen gelernt, Van Cliburn, Rubinstein. Ich war im Weißen Haus, ich habe Hände geschüttelt mit Hirohito, dem Kaiser von Japan, oder mit Gorbatschow.

Herold: Nun sind Sie auch ein sehr religiöser Mensch.

Mohr: Ich verdanke alles meinem lieben Gott. Gott hat etwas in meinem Leben getan, was keine Philosophie oder Macht dieser Erde tun kann.

Herold: Können Sie das kurz beschreiben?

Mohr: Meine Heimatstadt ist Düren im Rheinland. Am 16. November 1944 kamen die Amerikaner mit ihren B17 und haben uns ausbombardiert. Innerhalb von 20 Minuten starben 24 000 Menschen, 89% der Einwohnerschaft. Ich war damals 16 Jahre alt. Einmal gab es eine Unterbrechung im Bombenteppich, da lief ich raus und unser Haus brannte und es war furchtbar, was man draußen sah. Der Phosphor, dieses dicke gelbe Zeug, das brannte, und Menschen starben und sanken hinein.

Meine Mutter schrie zu Gott um Hilfe und mit den Eindrücken, die ich gerade draußen gesehen hatte, schrie ich: „Mutter, es gibt keine Hilfe, es gibt keinen Gott! Wie kann Er so was zulassen?” Und ich bin hinausgekrochen und weggelaufen von diesem furchtbaren Inferno.

Ich brach in einem nahen Vorort von Düren zusammen. Dort haben mich Bauern aufgenommen und ich habe dort 10 oder 12 Tage unter Schock vegetiert. Ich traf meine Eltern, wir waren wieder verbunden, aber es gab keine Macht dieser Erde, die mich je in die Kirche zurückgebracht hätte. Mein Herz war so voller Hass. Hass gegen die Nazis, die diesen ganzen Mist angefangen hatten, und gegen die Amerikaner, die aus keinem greifbaren Grund uns so zunichte machten, obwohl der Krieg damals für Deutschland schon verloren war.

Eines Tages platzte ich durch Zufall — aber es gibt keine Zufälle bei Gott — in eine Bibelstunde. Ich dachte, ich hatte noch nie so verrückte Leute in meinem Leben vorgefunden. Es gab dort einen Mann, einen Dr. McFarlane aus Cardiff, England, und der wollte mir vieles von der Bibel zeigen. Ich war absolut nicht interessiert. Ich schleuderte ihm entgegen: „Was willst du mir erzählen? Es gibt keinen Gott!”

Ich sehe bis heute sein Gesicht vor mir, wie es so voller Verständnis und Liebe war. „Franz, dein Herz brennt vor Hass und es spielt keine Rolle, was du mir entgegenwirfst. Du musst wissen, dass Gott dich lieb hat und ich hab dich lieb. Franz, hier ist eine Bibel.” Es war eine deutsche Lutherbibel. „Ich schreibe meinen Namen rein und ich werde jeden Tag für dich beten. Und eines Tages wirst du mir schreiben, dass du ein Christ geworden bist.”

Der Mann war so voller Glauben und Liebe. Ich wusste nicht, wie ich so jemanden behandeln sollte. Ich nahm die Bibel mit und war sicher, ich würde sie nie öffnen. Aber vielleicht ein Jahr später habe ich sie doch aufgemacht. Und da ist die Geschichte von Adam und Eva und von Kain und Abel. Und ich kann Ihnen nicht sagen, was das für mich im Moment tat. Hier kam die erste Familie frisch aus den Händen Gottes auf diese Erde, und da gab es schon Mord und Totschlag. Und eines sah ich ganz klar: Ich konnte Gott nicht für Krieg verantwortlich machen. Der Mensch ist dafür verantwortlich und wir sind Statthalter für diese Erde. Und was haben wir für einen Mist daraus gemacht!

Mir ging es damals eigentlich recht gut. Wir hatten eine Dixieland-Band. Wir spielten für die amerikanische Armee, wir wurden gut bezahlt, wir hatten ein Auto, während Deutschland in Trümmern lag. Aber ich war sehr unglücklich und depressiv. Das Einzige, was mir half, war Rauchen. Ich war damals Kettenraucher und hatte schon Magengeschwüre, so dass der Doktor sagte: „Du machst dich kaputt dabei.”

In diesem furchtbaren Zustand konnte ich eines Nachts nicht schlafen. Mir kam der Gedanke: „Meine Güte, es ist noch eine Tür offen. Ich kann beten” Und ich wusste nicht, wie man beten kann. Irgendwie wurden meine Gedanken nach Golgatha gebracht, wo Jesus für uns starb. Ich kann Ihnen nicht sagen, was das für mich tat.

Da waren zwei Verbrecher, die mit Jesus gekreuzigt wurden, und sie verfluchten Jesus. Aber der eine Verbrecher hatte eine Gesinnungsänderung und wandte sich an seinen Freund und sagte: „Wir sollen stille sein. Dieser Mann hat nichts Böses getan.” Und er wandte sich an Jesus und sagte: „Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst.” Und Jesus wandte sich an ihn und sagte: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.” Ich war so überwältigt von der Liebe Gottes, wie sie in Jesus geoffenbart wurde. Für den Rest der Nacht habe ich nur noch gesagt: „Danke Jesus, danke Jesus!”

Mein ganzes Leben veränderte sich. Ich wurde so begeistert von der Bibel. Ich las nur die Bibel, ich war so verrückt, ich wollte nicht mal meine Zeitung lesen. Eine ganz neue Welt eröffnete sich. Gott veränderte mein Herz von einem Herz des Hasses in ein Herz der Liebe. Und dann schrieb ich an meinen Freund Dr. McFarlane und sagte ihm, dass ich mein Herz Gott übergeben habe. Und er schrieb zurück: „Ich wusste das, ich habe jeden Tag gebetet.”

Ich bin auf Einladung von Steinway 1962 ausgewandert. Dann wurde ich der Assistent von Bill Hupfer. Er war der Chefkonzerttechniker bei Steinway und als sich Bill 1965 zur Ruhe setzte, übernahm ich die Verantwortung als Chefkonzerttechniker. Dadurch habe ich all die großen Pianisten von Bill Hupfer „ererbt”, Rubinstein, oder besonders auch Horowitz. Ich habe alle seine Konzerte gestimmt, von 1965 bis er starb, und praktisch die Welt bereist.

Herold: Künstler sind bekannt dafür, ausgeprägte Persönlichkeiten zu haben. Wie konnten Sie gerade in Situationen großer Spannung kurz vor einem Konzert Ihre Ruhe behalten?

Mohr: Gott hat mein Herz geändert. Ich habe jetzt viel Liebe und Verständnis, besonders auch für einen Künstler, der ein Konzert zu bewältigen hat. Ich kann einfühlend sein und ihm helfen und ihn ermutigen, selbst wenn er wütend wird: „Der Flügel ist nicht richtig und der oder jener Ton.” Ich habe immer meine Ruhe behalten und gesagt: „Ich werde es nachsehen, wir werden sehen.”

Momentan reise ich mit Andrà Schiff, der seinen Flügel von Konzert zu Konzert mitnimmt. Er ist ein ganz wunderbarer Pianist und ein wunderbarer Mensch, der mit seiner Bibel reist. Mit dem ist es überhaupt kein Problem, ich weiß, was er möchte.

Herold: Sie waren zur Zeit des kalten Krieges in Russland, als es nicht erlaubt war, religiöse Bücher einzuführen.

Mohr: Ja, ich hatte meine eigene Bibel, eine dicke Bibel mit meinen Notizen in meiner Tragetasche und dann hatte ich acht Bibeln in meinem Koffer und habe gebetet: „Herr, bring sie an die richtigen Leute.” Und als ich dann am Flughafen in Moskau durch die Sperre gehen musste, sah die Sicherheitsbeamtin meine große Bibel und sagte: „Was ist das?” „Das ist meine Bibel.” „Haben Sie denn noch mehr Bibeln?” Lügen wollte ich nicht und ich sagte: „Ja”. Bei meiner Abreise hatte ich im letzten Moment ein kleines Neues Testament in die Hemdtasche eingesteckt. Und das legte ich neben die große Bibel und sie musste lachen. So hat sie nicht weiter gefragt. So kriegte ich meine acht Bibeln nach Russland.

Herold: Haben Sie dann diese acht Bibeln wieder mit nach Hause genommen?

Mohr: Nein, nein! Die wurden an die rechten Leute gegeben. Ein Taxifahrer konnte es kaum glauben, dass ich eine Bibel für ihn hatte. Er sagte: „Bisher haben wir nur etliche Seiten vervielfältigt.” Alles kam wie ein Wunder zusammen. Und als wir nach Petersburg kamen, hatte ich keine Bibel mehr. Helena, meine Übersetzerin, fand eine Kirche, und wir sind zusammen zur Kirche gegangen. Zurück im Hotel sagte sie: „Herr Mohr, hätten Sie wohl eine Bibel für mich?” Und da sagte ich: „Helena, ich habe nur noch meine eigene Bibel hier, mit all meinen Notizen darin. Aber Helena, wenn ich zurückgehe nach Amerika, gebe ich dir meine Bibel.” Und das habe ich auch gemacht. Ich sah einen großen Hunger. Die Kommunisten haben niemals aus den Herzen der Russen dieses ganz innere, stille Glaubensgefühl rausbekommen.

Herold: Man kann durch Politik nicht das Herz der Leute ändern.

Mohr: Nein, das kann man nicht. Ich sage morgens meistens dieses Gebet: „Herr, ich weiß nicht, was sich heute begeben mag, aber bitte lass mich empfindsam sein für deine Führung und deine Leitung.” Und es ist erstaunlich, was passiert.

Herold: Glauben Sie, dass Gebet Heilung bewirken kann?

Mohr: Ja, natürlich. Ich habe es selber erlebt. Gott ist natürlich souverän in Seinem Handeln mit uns, aber Er kann heilen und Er hat mich auf wunderbare Weise geheilt. Ich habe mein Leben lang mit Migräne zu tun gehabt. Und es wurde schlimmer und schlimmer, dass ich nicht mehr stimmen konnte. Am 1. Oktober 1980, als ich am Ende meiner Kräfte war, verbrachte ich drei Tage im New York Hospital, aber sie konnten mir nicht helfen.

Wir hatten in der Nachbarschaft eine private Gebetsstunde. „Ich muss meinen Beruf aufgeben. Mein Kopf platzt”, sagte ich. Da anwortet Ben, einer der lieben Leute: „Franz, wir werden das heute in Ordnung bringen.” Wir haben Matthäus 14 in der Bibel gelesen, wo Petrus’ Schwiegermutter krank war, und Jesus heilte sie. Und dann sagte Ben: „Franz, kennst du Psalm 103?” „Ja”, sagte ich, „den kenne ich auswendig. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben ...” „Stop! Sag das noch mal.” „Der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen.”

Und da sagte ich zu ihm: „Ben! Das habe ich noch nie so richtig gesehen. Bleibt uns ja nichts anders übrig als dem Herrn zu danken.” Dann habe ich dem Herrn gedankt. Und ich kann nur beschreiben, dass sich plötzlich tief im Innersten so etwas wie ein Knoten in einem Seil, den man unmöglich öffnen kann, sich plötzlich anfing zu lösen, und ich rief aus: „Ich bin geheilt! Ich bin geheilt!”

Und ein paar Tage später hatte ich nachts einen furchtbaren Kampf. Die Migräne kam, ich wäre fast die Wände hochgeklettert vor Schmerzen. Am Morgen traf ich meinen lieben Freund Ben und das Erste, was er sagte, war: „Ich weiß, was du letzte Nacht mitgemacht hast. Der Herr hat mich um zwei Uhr aufgeweckt. Ich wusste, dass du in großen Schwierigkeiten warst, und den Rest der Nacht habe ich für dich gebetet.” Und dann war die richtige Heilung da.

Es ist wunderbar, dass mein lieber Freund Ben für die Leitung des Herrn empfindsam war. Aber dann kam wirklich der Sieg. Na ja, ich kriege ab und zu Kopfschmerzen wie jeder andere auch, aber das ist nicht die Migräne. Ich habe meine Arbeit in all den Jahren wunderbar verrichten können. Das ist jetzt über 20 Jahre her.

Herold: Wie machen wir uns für Gott empfindsamer?

Mohr: Oh, das kann man wunderbar. Indem man sich einfach Gott zur Verfügung stellt. Manchmal fühle ich, als würde ich an die Seite treten und sehen, wie Gott führt.

Herold: Es gibt ja auch in der heutigen Zeit mehr und mehr Interesse an Spiritualität.

Mohr: Ja, Überall, wo ich ich hinkomme. Das ist unwahrscheinlich, das stimmt. Es ist erstaunlich, auch mit unseren Präsidenten. Ich habe alle Präsidenten persönlich kennen gelernt. Ich bin im Weißen Haus eingeladen gewesen, als Gorbatschow mit Reagan das Gipfeltreffen hatte. Als Gorbatschow seine Rede hielt, sagte er als Letztes: „God help us all.” Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass er das auch wirklich meinte.

Und dann haben wir, während das Dinner noch vor sich ging, im Ostzimmer Hände gehalten und für den Frieden gebetet, zusammen mit dem Pianisten, Van Cliburn, und Linda Faulkner, der Sozialsekretärin von Reagan, die auch eine wunderbare Christin ist.

Wenn ich daran denke, dass Gott sich auch für die kleinsten Dinge in unserem Leben interessiert. Wenn die uns wichtig sind, dann sind sie Ihm wichtig.


Das Gespräch führte Michael Pabst.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Februar 2003

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.