Liebe Leserinnen und Leser, in Deutschland sind Millionen von Menschen Mitglied einer christlichen Kirche, und rund 43 % der deutschen Bevölkerung sind der Meinung, dass man sie als „religiös” bezeichnen kann. Zahlen, die anzeigen, dass viele Menschen auch heute, oder gerade heute, wieder eine religiöse und spirituelle Ausrichtung in ihrem Leben suchen. Auch der Welt-jugendtag in Toronto belegt, dass junge Menschen mehr suchen als nur Freizeit und Vergnügen. Religionen bzw. Kirchen gaben schon immer und geben heute noch vielen Menschen einen Halt. Da wirft sich die Frage auf, ob sie auch wirklich Tempel Gottes sind.
Wohl kaum eine Institution wird so stark kritisiert wie die christlichen Kirchen. Die Tatsache, dass sie in vielerlei Börsengeschäften und Geldmachenschaften verwickelt sind, oder das menschliche Versagen mancher ihrer Vertreter, das an den Tag kommt, lässt die Gläubigen immer öfter an den Kirchen zweifeln, und die Frage nach dem „Tempel Gottes” bleibt lieber unbeantwortet.
Religion, egal welchen Ursprungs, ist nicht Ritual, hat nichts mit Struktur, Macht und Hierarchie zu tun. Das Wort Religion ist abgeleitet vom lateinischen Verb religare, das sich aus „ligare — binden, vereinigen” und „re — zurück, wieder” zusammensetzt und „wieder verbinden, rückverbinden” bedeutet, hier also: die Seele wieder mit Gott verbinden, vereinigen.
Wenn Religion etwas mit der Verbindung der Seele mit Gott zu tun hat, folgt ganz natürlich daraus, dass die zentrale Aufgabe der Kirchen darin besteht, den Seelen ihrer Gläubigen bei ihrer Entwicklung hin zur Vereinigung mit Gott zu helfen und alles, was ihnen dabei hinderlich ist, aus dem Weg zu räumen. Den ihnen Anvertrauten Schutz Mut und Kraft auf ihrem Weg zurück zu Gott zu geben, dies wäre eine der vordringlichsten Aufgaben der Kirchen. Die Menschen werden nur dann wieder Vertrauen in die Institution Kirche gewinnen, wenn sie sich ganz und gar dem Wohl der Seele des Einzelnen verschreibt und damit ihrem ursprünglichen Auftrag nachkommt.
Solange dies aber nicht der Fall ist, sind religiös denkende Menschen auf sich allein gestellt und müssen in ihrer Sehnsucht nach Gott abseits der Hauptstraßen ihren Weg suchen. Und vielleicht gelangen sie so eher ans Ziel.
Mit herzlichen Grüßen aus dem Schwarzwald, der zwar nicht überflutet ist, aber auch die Sonne vermisst!
Ihre
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus Visionen, Sandila-Verlag. Erhältlich im Zeitschriftenhandel.
