John Wesley war viele Jahre ein aktiver Reformer der Kirche von England. Er hatte nie die Absicht, eine neue Kirche zu gründen. Doch sein großes Talent als Prediger und sein Wunsch, das Christentum von den Ritualen des orthodoxen Anglikanismus zu befreien, veranlassten ihn letztendlich dazu. In dem Bestreben, den geistlichen Nöten aller sozialen Schichten Englands abzuhelfen, experimentierte er außerdem mit verschiedenen Methoden zur Heilung der Kranken.
Wesley wurde 1703 in Lincolnshire, England, geboren. Sein Vater hatte ein Landpfarramt inne und seine Mutter entstammte einer Familie strenggläubiger Anglikaner. Auch sein jüngerer Bruder Charles widmete sein Leben der Kirche.
Wesley studierte an der Oxford-Universität und wurde 1728 zum Priester geweiht. Als Student gründete er mit Freunden den „Holy Club” (Heiliger Club), der auf streng methodische Weise religiöse Aktivitäten unternahm, wozu Beten, Fasten, Besuche in Gefängnissen und Hilfe für die Armen gehörte. Diese Gruppe erhielt schon bald den Spitznamen „Methodisten”. Als Wesley später in der Kirche Reformen einführte, verwendete er diesen Namen.
Im Laufe seines Lebens wurden seine religiösen Anschauungen vielschichtiger. Auf einer Seereise zu den amerikanischen Kolonien im Jahr 1735 beeindruckte ihn die Frömmigkeit einer kleinen Gruppe von Mährischen Brüdern, die bei schweren Stürmen zu Gott um Schutz beteten. Bald darauf suchte er die mährischen Kirchenführer in Deutschland auf und machte sich mit ihren Lehren vertraut.
Während einer Zeit intensiver Selbstbesinnung wurde Wesley von Martin Luthers Lehre über die Rechtfertigung durch den Glauben beeinflusst und verwarf Calvins Prädestinationslehre, nahm jedoch dessen Dogma von der Erbsünde an. Allmählich entwickelte er seine eigene Lehre von der christlichen Vollkommenheit, wobei er starken Nachdruck auf gute Werke legte. Ein Kirchenhistoriker erklärt: „Wesley hielt es für möglich, dass ein Christ sich von rechten Beweggründen leiten lassen kann — Liebe zu Gott und seinem Nächsten — und dass er damit von der Sünde frei wird. ...Niemand war überzeugter als er, dass Erlösung sich in einem Leben aktiven und strengen Gehorsams gegen Gottes Willen zeigt.” Williston Walker u. a., A History of the Christian Church, 4. Ausgabe, New York, 1985, S. 603.
Als Wesley die Kanzel in der anglikanischen Kirche verweigert wurde, begann er mit den so genannten „Feldpredigten”. Er reiste meist zu Pferde und predigte den Bauern, Arbeitern und Städtern in England und Nordamerika. Das Christentum, so sagte er, sei auch eine Religion für das arme und gemeine Volk. Schon bald wurde Wesley zu einem der einflussreichsten Wanderprediger in der Geschichte der christlichen Kirche. In fünfzig Jahren hielt er etwa 40 000 Predigten und reiste über 400 000 Kilometer.Christian History Magazine, 2. Jahrg., Nr. 1, Pennsylvania: Christian History Institute, 1983, S. 4.
Wesleys Heilmethoden waren vielschichtig und unorthodox. Sein Interesse am Heilen wurde auch noch dadurch verstärkt, dass er in Oxford Anatomie und Medizin studiert hatte. Er besuchte auf seinen Reisen als Feldprediger die Kranken. Auch errichtete er Hospitäler für die Armen. Er erkannte, dass eine enge Beziehung zwischen Geist und Körper besteht. Er behauptete, dass körperliche Leiden oft durch mentale Störungen verursacht werden. Harold Y. Vanderpool, „The Wesleyan-Methodist Tradition”, in Caring and Curing: Health and Medicine in the Western Religious Traditions von Ronald L. Numbers und Darrel W. Amundsen, New York, 1986, S. 327. Auch experimentierte er zuweilen bei der Behandlung von Krankheiten mit Elektrizität.
Das von ihm von 1735 bis zu seinem Tod 1791 geführte Tagebuch, Das Journal des Rev. John Wesley, gibt Aufschluss über seine Predigten und Heilungen in England und Amerika. Manche Aufzeichungen berichten, wie körperliche und geistige Krankheiten allein durch Gebet geheilt wurden. Bei anderen Heilungen wurden materielle Heilmittel verwendet. Wesley hielt die Kranken dazu an, die Bibel zu lesen, um geheilt zu werden. Er freute sich, wenn er sie später zu Hause besuchen ging und sie gesund vorfand.
1747 veröffentlichte Wesley ein Buch mit dem Titel Primitive Physic (Ursprüngliche Physik). Es enthält 287 Heilmittel für eine Reihe weit verbreiteter Krankheiten. Obwohl diese Heilmittel zum Teil aus Substanzen wie Teerwasser, Buttermilch, Brennnesselsaft und Rüben bestand, so hielt sein Buch den Leser doch dazu an, auf Gott zu verlassen, und sich auf Gebet zu verlassen, was Wesley als „die alte, aus der Mode gekommene Medizin” Primitive Physic, London, 1960, S. 29. bezeichnete. Sein Buch ist in einfacher Sprache geschrieben und wurde zu einem niedrigen Preis verkauft. Das zeigte Wesleys Mitgefühl und Liebe zu einem Großteil der englischen Bevölkerung — Leute, die keinen Kontakt zu ihrer Staatskirche und zu den Ärzten jener Zeit hatten.
John Wesleys Heilungen beruhten weitgehend auf seinem eigenen Christentum und seiner Liebe zu den Menschen aller Schichten. Seine Fähigkeit zu heilen ging auf sein festes Gottvertrauen und seine tiefempfundenen Gebete zurück. Durch diesen Aspekt seiner Reformbewegung wurden viele zum Methodismus bekehrt.
Wesley machte das Heilen jedoch nicht zum integralen Bestandteil der methodistischen Lehre. In seiner Kirchenorganisation stellte er für spirituelles Heilen keine Richtlinien auf. Ein methodistischer Gelehrter erklärt: „[Wesley] machte das Heilen nie zum Mittelpunkt seiner Erweckungsbewegung, hielt keine Heilungsgotlesdienste ab und fand in den Bibelgeschichten keine speziellen Regeln für das Heilen. Er glaubte an die Möglichkeit des Heilens als Antwort auf Gebet, doch schrieb er nur wenig darüber und erwähnte es kaum in seinen Predigten. Wesleys Vision hatte etwas anderes zum Mittelpunkt. Spirituelles Heilen war für ihn mehr eine Randerscheinung." E. Brooks Holifield, Health and Medicine in the Methodist Tradition, New York, 1986, S. 47.
Wenn auch Wesley spirituelles Heilen nur begrenzt ausübte, so lebte es doch nach seinem Tod durch seine Lehren neu auf. Mit dem sich durch Wanderprediger im ländlichen Amerika ausbreitenden Methodismus wurde im frühen 19. Jahrhundert das Fundament für die Holiness Movement (Heiligkeits-Bewegung) gelegt. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg protestierten Holiness-Prediger und -Laien gegen die wachsende Säkularisierung und den Wohlstand vieler städtischer Methodisten. Ihnen ging es um die spirituelle Wiedererweckung, die Wesley vor mehr als einem Jahrhundert in der anglikanischen Kirche angestrebt hatte.
1901 gründete ein methodistischer Pfarrer mit Namen Charles Parham in Topeka, Kansas, eine Wiedererweckungsbewegung, die bald darauf als die Pfingstbewegung bekannt wurde. Parham und seine Anhänger glaubten, den Einzelnen durch die Taufe des Heiligen Geistes und durch Heilung mit Hilfe von Handauflegen rasch zur Frömmigkeit hinführen zu können, während die Mehrzahl der Methodisten Erlösung und Vollkommenheit durch zunehmendes geistiges Wachstum zu erlangen suchten. Nach den 1960er Jahren übte die Pfingstbewegung, jetzt unter dem Namen „charismatische Bewegung”, Einfluss auf die anderen größeren Kirchen aus. Darunter auch die United Methodist Church, die Nachdruck auf die „Charismen”, die Gaben des Heiligen Geistes, wie der Apostel Paulus sie definierte. Zwei dieser im ersten Korintherbrief (12:4-11) erwähnten Gaben sind die des Heilens.
Seit der Zeit halten Methodisten auch Heilungsgottesdienste ab. Im Jahr 1984 verabschiedete das Konzil der United Methodist Church folgende Resolution:
Als Vereinte Methodisten sind wir dazu berufen, der Gesundheit und dem Wohlsein zu dienen. Daher fordern wir unsere Mitglieder auf, ein Christliches Verständnis von Gesundheit, Heilung und Ganzheit anzustreben, ein Verständnis von den Dimensionen des spirituellen Heilens in unseren Gemeinden und Priesterseminaren.1984 Book of Resolutions of The United Methodist Church, Nashville, S. 362-363.
Diese Proklamation wurde beim 200. Jubiläum der Gründung der Methodistenkirche veröffentlicht. Die von John Wesley im 18. Jahrhundert begonnene Reformbewegung hat damit in gewissem Maße zu ihrer ursprünglichen Heilarbeit zurückgefunden.
