Eines Abends gegen 11 Uhr klingelte es an unserer Haustür. Draußen stand eine Nachbarin. In Tränen aufgelöst bat sie hereinkommen zu dürfen. Ihr Mann habe sie geschlagen, schluchzte sie. Es sei nicht das erste Mal gewesen und sie wolle nicht wieder zu ihm zurückkehren. Könne sie wohl von unserem Haus aus die Polizei anrufen und vorerst hier bleiben? Ja, natürlich, sagten mein Mann und ich und halfen ihr so gut wir konnten.
Ehrlich gesagt, wir waren erst einmal schockiert. Wir kannten die Frau und ihren Mann als freundliche Nachbarn, mit denen wir uns oft unterhalten hatten. Wir hatten uns gegenseitig geholfen, wenn einer etwas brauchte. Die beiden hatten zwei reizende kleine Kinder. Unser Sohn passte gelegentlich auf sie auf, wenn die Eltern nicht zu Hause waren. Was sich aber offensichtlich in ihrem Privatleben abspielte, hatten wir nicht im Entferntesten geahnt.
Gewalt im häuslichen Bereich ist laut Nachrichtenberichten und Statistiken heutzutage kein Einzelphänomen. Und meistens sind es Frauen, und zwar in allen Bevölkerungsschichten, die von Ehemännern, Lebenspartnern oder männlichen Freunden misshandelt werden. Dieses Thema wurde in unserer Gesellschaft lange als tabu angesehen. Man betrachtete es als Privatangelegenheit, in die sich niemand einzumischen hatte. Gewalt gegen Frauen hat aber eine lange traurige Geschichte in der ganzen Welt und äußert sich in den verschiedensten Formen — von psychischer und physischer Misshandlung von Frauen über Vergewaltigung bis hin zu dem in den letzten Jahren stark angestiegenen illegalen Frauenhandel von Ost nach West.
Das genaue Ausmaß des Problems in Deutschland ist zur Zeit noch nicht bekannt, aber es wird geschätzt, dass jede vierte Frau mindestestens einmal das Opfer von Gewalt wird. Und: „Die Folgekosten von Männergewalt werden in der Bundesrepublik auf etwa [15 Milliarden Euro] pro Jahr geschätzt — darin enthalten sind die Kosten für Justiz und Polizei, aber auch für ärztliche Behandlungen und Ausfallzeiten am Arbeitsplatz.” www.mfas.niedersachsen.de:80/master/0„C166793_N8117_L20_D0_I674,00.html.
Wenn ich mit anderen über dieses Problem spreche, dann wird oft die Meinung vertreten, dass patriarchalische Gesellschaftsstrukturen der Männergewalt zu Grunde liegen. Oder auch, dass es psychologische Gründe habe: Jungen werden oft von klein dazu erzogen Macht auszuüben und physische Kraftanwendung mit dem Mann-Sein zu verbinden. Während Mädchen eher dazu erzogen werden ihre Bedürfnisse anderen unterzuordnen und nachzugeben. Ein typisches Täter- und Opferverhalten, so könnte man meinen. Glücklicherweise ist das aber kein Charakteristikum für den wahren Mann und die wahre Frau. Und glücklicherweise gibt es Auswege aus dem Kreislauf von Demütigung und Gewalt, die so viel Leid und Verzweiflung bringen.
Für den Christen beginnen diese Auswege mit Gebet. Gebet, das die Würde des Menschen — von Mann und Frau — als Gottes Ebenbild anerkennt und das Gott als liebevolle Mutter und gerechten Vater beider akzeptiert. Die göttliche Liebe schafft keine Täter und Opfer. Es gibt keine unterdrückenden oder unterdrückten Ebenbilder Gottes — einige, die mehr Wert und Wichtigkeit haben und andere, die weniger haben. Jeder Mensch ist voll mit Gottes guten Eigenschaften ausgerüstet. Männer und Frauen spiegeln beide die sanfte Liebe und die beschützende Stärke ihres himmlischen Vater-Mutter Gottes wider. Und diese mütterliche Liebe und väterliche Stärke bauen sie auf, halten ihren Kopf hoch, heilen ihre Wunden. Jeder Mensch trägt die volle Kraft des göttlichen Lebens in sich. Das ist das Reich Gottes, von dem Jesus in der Bibel sagt, dass es inwendig in uns ist (siehe Lk 17:21). Jeder kann dieses Himmelreich in jedem Augenblick für sich beanspruchen. Das ist es, was wahrhaft stark macht und Sicherheit verleiht.
Nun zurück zu meiner Nachbarin. Dass sie Gottes Liebe und die Gegenwart Seines Himmelreichs in ihrem Leben spüren möchte, war mein Gebet für sie, als ich ihr in ihrer Not zuhörte und ihr Trost zu spenden versuchte. Als die Polizeibeamten eintrafen, hatte sie sich beruhigt und war in der Lage alle notwendigen Angaben zu machen. Auch wenn ihre Ehe nicht gerettet werden konnte, so bin ich doch überzeugt, dass ihr mein Gebet zumindest etwas Mut machte und ihr durch diesen schweren Moment hindurchhalf.
Eine Freundin erzählte mir kürzlich, wie sie durch das Aufgeben von „Opferverhalten” von einem körperlichen Problem frei wurde, mit dem sie sich lange herumgeschlagen hatte. Ihr wurde beim Beten eines Tages absolut klar, dass sie als Tochter Gottes nicht zum Leiden verurteilt war, sondern geistige Herrschaft besaß. Als Folge davon hörte sie auf sich wegen ihres Geschlechts und ihrer Nationalität als Opfer zu sehen, und diese neue mentale Freiheit wirkte sich auf ihren körperlichen Zustand aus. Kurz darauf war sie geheilt.
Gebete sind wirksam und können zur seelischen und körperlichen Befreiung unserer Schwestern (und Brüder) in aller Welt beitragen. Für mich ist der Internationale Frauentag am 8. März eine ganz besondere Gelegenheit meinen Beitrag durch Gebet zu leisten. Wären Sie nicht bereit Ihre Gebete mit in die Waagschale des Guten zu werfen und in dieser Sache mitzuhelfen?
    