Und alle Großen des Königs, die im Tor des Königs waren, beugten die Knie und fielen vor Haman nieder; denn der König hatte es so geboten. Aber Mordechai beugte die Knie nicht und fiel nicht nieder. (Est 3:2)
»An sich ist das Knie beugen und sich niederwerfen vor Respektspersonen durchaus etwas Übliches im AT. Auch Israeliten handelten so, vor allem dem König gegenüber. ... Aber Mardochai beugte seine Knie nicht und warf sich nicht nieder. Warum nicht? V.4 enthält den Schlüssel zur Antwort: >Denn er hatte ihnen mitgeteilt, dass er Jude sei.< Weil er Jude ist, und nicht etwa aus Hochmut oder Trotz verweigerte er den Kniefall! Und doch muss man noch einmal nachhaken: Waren es allgemein religiöse Gründe, die ihn am Kniefall hinderten? Keineswegs. Denn wir sahen ja, dass Israeliten ebenfalls solche Ehrungen vollzogen. Und eine religiöse Verehrung war von Haman nicht gefordert. Der Grund liegt woanders. Er liegt darin, dass Haman Amalekiter ist. Amalek kämpfte als erstes Volk gegen Israel, als es aus Ägypten zog. Damals ließ der Herr Mose aufschreiben, >dass ich die Erinnerung an Amalek vollständig unter dem Himmel auslöschen werde< (2Mo 17,14). ... Und in 1Sam 15 hatte der Prophet Samuel dem König Saul befohlen, diesem Gebot zu gehorchen. Samuel selbst tötete Agag, den König der Amalekiter. So wiederholt sich in den Gestalten des Haman und des Mardochai eine uralte Konstellation. Der Benjaminiter Mardochai, der einen Kisch unter seinen Vorfahren hat, wie der Benjaminiter Saul von einem Kisch abstammte, steht einem Agagiter gegenüber, der zu dem verworfenen Amalek gehörte ... Die Konstellation Saul gegen Agag wiederholt sich gewissermaßen noch einmal in der Geschichte. Darin wird der Grund liegen, dass Mardochai vor Haman nicht niederfällt. Ein solcher Kniefall würde für ihn die Übertretung des Gebotes von 5Mo 25,17-19 bedeuten. Wieder erhalten wir hier einen Hinweis auf die Treue Mardochais zu seinem jüdischen Glauben.
Ganz selbstverständlich muss sich nun Mardochai von den andern Hofbeamten fragen lassen: Warum übertrittst du des Königs Gebot? ... Das Gefährliche an dieser Frage ist, dass sie Mardochais Loyalität gegenüber dem König bezweifelt. Aber ihm wollte ja Mardochai gar nicht untreu werden! Es meldet sich hier das typische Problem des Diasporajuden. Ist er dem Gebot Gottes treu, dann kann ein Loyalitätskonflikt dem Staat gegenüber entstehen.« (WStB)
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