Das Seebeben am zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 hat nicht nur riesige Landstriche und hunderttausend Betroffene erschüttert. Die Welt war entsetzt, schockiert, sprachlos, hilflos, erschüttert. Das schwerste Unglück seit Menschengedenken, so urteilten die Medien und benutzen schon bald weltweit das japanische Wort »Tsunami« für das Geschehen.
»Frage ruhig weiter, forsche weiter und finde dadurch vom Glauben zum Verständnis.«
Als das ganze Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher wurde, wurde auch die Frage nach Gott immer lauter. Die Menschen fragten: Wo war Gott, als das geschah?
Es ist verständlich, dass die Menschen gerade bei einer so schrecklichen Katastrophe von kirchlichen und religiösen Autoritäten Antworten auf ihre quälenden Fragen fordern. Es ist deren Aufgabe, Antworten zu geben und zu trösten. Das tun sie auch, jede auf ihre Weise — und jede, so gut sie es kann.
Als ich vor einigen Jahren zur Christlichen Wissenschaft (Christian Science) fand, war ich überaus erstaunt, eine Religion gefunden zu haben, die selbst bei schwierigsten Problemen nie um eine Antwort verlegen ist. Man kann immer weiter fragen und man kann immer eine Antwort finden.
Wie heikel das Thema oder wie schwierig das Problem auch sei, Christian Science sagt: »Frage ruhig weiter, forsche weiter und finde dadurch vom Glauben zum Verständnis.«
Allerdings, die Wortwahl lässt es bereits erahnen: Hier ist nicht von (Antworten-)Konsumieren die Rede. Die Antworten kann man nicht im Lexikon unter »K« wie Katastrophe oder »T« wie Tsunami nachschlagen. Man muss sie sich erarbeiten.
Aber wie macht man das, sich eine Antwort »erarbeiten«? Der erste Schritt in Christian Science ist immer der, zunächst vom Problem wegzuschauen — und stattdessen auf Gott zu schauen. Es ist quasi ein innerliches Zurücktreten. Das hilft, sich nicht (länger) von dem Problem »hypnotisieren« zu lassen. Wir heben den Blick, klären unser Denken und wenden uns dann von einem anderen, höheren Standpunkt aus erneut den betroffenen Menschen oder der Situation zu. Und nun, von dieser ruhigeren Ebene des Denkens aus, können wir helfen, indem wir beten, trösten, antworten.
Der erste Schritt in Christian Science ist immer der, zunächst vom Problem wegzuschauen — und stattdessen auf Gott zu schauen.
Aber gibt es denn bei einem so gewaltigen Unglück überhaupt Antworten? Bei dieser Katastrophe sind weit über hunderttausend Menschen umgekommen. Diese schier unerträgliche Zahl haben die Menschen im Kopf, wenn sie fragen: Wo war Gott, als sie starben? Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Für Gott sind sie nicht gestorben! Und: Gott war immer da, wo ein Mensch nach Ihm gerufen hat!
In der Bibel lesen wir, dass Gott den Menschen zu seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat. Aber wenn ich mich umschaue und sehe, was die Menschen so von Gott glauben, dann scheint es genau umgekehrt zu sein. Sie haben sich einen Gott nach ihrem Bild erdacht, sie meinen, dass Gott so etwas wäre wie Mensch, nur ein wenig besser. Aber so ist Gott nicht! Die Bibel sagt, dass Gott allgegenwärtig ist. Wenn das stimmt, dann muss Gott Geist sein, denn anders kann man sich eine Allgegenwart nicht vorstellen. Weiter gefolgert heißt das, dass dann der nach Gottes Bild gemachte Mensch auch geistig sein muss — und unsterblich. Aber diese Aussage, dass der Mensch unsterblich ist, hat nichts mit einer so genannten Jenseitshoffnung zu tun und dem Versprechen, dass es in einem späteren Leben einen Ausgleich gäbe für die Leiden, die man hier erduldet hat. Es ist ganz einfach die logische Schlussfolgerung aus den Aussagen der Bibel. So sagt Jesus z.B. im Johannesevangelium 6:47: »Wer glaubt, der hat das ewige Leben«. Wohlgemerkt: hat das ewige Leben und nicht wird später erhalten. Und weiter heißt es: »Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit.« (Joh. 8:51) Wenn wir den Worten der Bibel glauben, und das tue ich, dann bedeutet das, dass der Tod als solcher nicht existiert. Das, was gemeinhin als Tod bezeichnen wird, ist nur der Übergang von unserer gegenwärtig wahrgenommenen in eine dann anderes wahrgenommene Daseinsform.
Nur? — Hat der Tod denn nicht etwas Beängstigendes, Endgültiges, Schmerzhaftes? Aber ja doch. Deshalb sagt Gott: »Fürchte dich nicht ... ich habe dich bei deinem Namen gerufen ... Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen« (Jes. 43:1,2). Und glauben Sie mir: Gott hält sein Versprechen! Jeder Einzelne, der sich in dieser verzweifelten Lage an Gott gewandt hat, ist vom Ihm erhört und getröstet worden. Denn Gott sagt auch: »Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet«. (Jes. 66:13) Gott hält Sein Versprechen!
Nur weil wir es nicht gehört und nicht gesehen haben, wie Gott auf die Hilferufe des Einzelnen reagiert hat, hat Er es deshalb nicht getan? In meinen Gebeten für die betroffenen Menschen habe ich immer wieder diese Gewissheit gespürt, dass Gott jeden Einzelnen, der Ihn in seiner Not angerufen hat, gehört hat. Und Gott hat jedem ganz individuell geantwortet. Für Gott spielt es auch keine Rolle, wie viele Ihn anrufen. Auch wenn Tausende rufen, hört Er jeden Einzelnen. Im Psalm 91 heißt es: »Wenn auch tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.«
Die Bibel sagt, dass Gott allgegenwärtig ist. Wenn das stimmt, dann muss Gott Geist sein, denn anders kann man sich eine Allgegenwart nicht vorstellen.
Aber: es hat sie doch getroffen!? Es sind doch zigtausend gestorben!? Ja, so sieht das aus. Aber für Gott stimmt das nicht. Für Gott ist niemand gestorben. Der Mensch, den Gott nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat, stirbt nicht. Die Jünger glaubten auch, dass Jesus gestorben sei ...
Nur weil wir wissen, dass Jesus tatsächlich auferstanden ist, erscheint uns aus heutiger Sicht seine Kreuzigung weniger dramatisch. Aber wie müssen sich seine Jünger und Anhänger gefühlt haben, als sie seine grausame Kreuzigung miterleben mussten? Voller Verzweiflung und Hilflosigkeit hatten sie mit ansehen müssen, wie er in ein Grab gelegt wurde. Für sie war die Situation ganz eindeutig: Ihr großer Meister war gestorben! Für sie war es (zunächst) endgültig. Voller Resignation kehrten sie in ihr früheres Leben zurück. Sie erlebten quälende Tage voller Trauer und Depression. — Und dann war er auferstanden!
Glaubst du das? Diese Frage hatte Jesus auch an Marta gestellt, bevor er ihren Bruder Lazarus von den Toten auferweckt hatte (siehe Joh. 11:1-43). Nicht nur für sich selbst, sondern auch an anderen hatte Jesus also bewiesen, dass der Tod keine Macht hat. Wenn wir seiner Demonstration wirklich glauben, dann kann der Tod auch für uns keine Macht mehr darstellen.
Aber bei allen Antworten, die wir auf unsere brennenden Fragen erhalten, bleibt es uns letztendlich nicht erspart, uns selbst zu fragen: Glaube ich das? Verstehe ich das?
Für Gott spielt es auch keine Rolle, wie viele Ihn anrufen. Auch wenn Tausende rufen, hört Er jeden Einzelnen.
Das bedeutet, wir müssen unsere eigene Antwort finden (erarbeiten). Niemand kann uns >von außen< Glauben geben. Glauben müssen wir selbst. Aber es kann im schönsten Fall geschehen, dass die Antworten, die wir bekommen, uns dabei helfen zu verstehen.
