Eine Vielfalt verschiedener Praktiken begleiten heute die allgemein üblichen Arten des christlichen geistigen Heilens, darunter das Salben mit Olivenöl, Händeauflegen und die charismatische Handlungsweise, »Heilung zu beanspruchen« — offen zu bescheinigen, dass man geheilt worden ist und dann »auf dem Wort Gottes zu beharren«, auch wenn es so scheint, als ob man immer noch die Symptome der Krankheit hätte. Sowohl für den Kranken als auch für den Heiler (möglicherweise ein und dieselbe Person), geht es in der Hauptlehre darum, aus ganzem Herzen zu glauben, dass Gott heilt. Bei diesen Lehren des Heilens geht es mehr um eine Gedankenhaltung als um eine Technik.
Selbst dort, wo die Art der Anbetung sehr unterschiedlich sein mag, z.B. zwischen den meisten presbyterianischen Kirchgemeinden und den meisten Baptisten-Gemeinden, kann die Methode des Gebets um Heilung sehr ähnlich sein. Das mag daran liegen, dass sich christliches Gebet um Heilung fast vollständig aus verschiedenen Arten des Bittgebets zusammensetzt. Abgesehen von dem Glauben, den man hat, und der Bitte, die man stellt, liegt der Vorgang, um den man bittet, doch weitgehend außerhalb der Einflussnahme des Bittstellers. Die Heiler – auch jene, die für ihre Heilungen bekannt sind, wie Oral Roberts, Kathryn Kuhlman oder Vater Ralph a. Di Orio – scheinen sich nicht eine Kenntnis erworben, als vielmehr irgendwie eine Kraft erlangt zu haben.
Traditionsgemäß hat der Katholizismus das Gebet zu Heiligen um Fürsprache bei Gott zu einer wichtigen Form des geistigen Heilens erhoben. Im Katholizismus sind Heiliggesprochene jene, die auf Erden für Menschen erfolgreich Fürsprache eingelegt haben. Ein Hauptteil des Heiligsprechungs-Prozesses war immer die Beglaubigung von Wunderheilungen aufgrund von Gebeten jeher Person gewesen. Die katholische Kirche hat die Praxis gelehrt, für Heilung einen Heiligen oder Gott anzubeten, und daraus hat sich eine Vielfalt traditioneller Möglichkeiten entwickelt, dies zu tun. Diese beinhalten Pilgerfahrten zu einem Heiligenschrein, das Baden in einer speziellen Quelle wie der in Lourdes, Frankreich, und die Verehrung von Reliquien der Heiligen. Jede dieser Praktiken muss in gewisser Weise gelehrt werden, aber sie verkörpern nicht komplexe, spezialisierte Methoden geistiger Aktivität, die durch Praxis perfektioniert werden kann. Sie sind eher wie eine Anleitung, so wie ein Arzt Anleitungen für eine Diät oder das Einnehmen von Medikamenten geben würde.
Viele christliche Kirchen bieten heutzutage eine Form von Heilungs Gottesdiensten an, darunter Glaubensrichtungen, die vor fünfzig Jahren überhaupt keine offenkundige Heilpraxis hatten. Und jene Glaubensrichtungen mit einer fortlaufenden Heiltradition wie die Episkopalkirche, deren »Buch des gemeinsamen Gebets« schon immer Gebet für die Heilung von Krankheit beinhaltete, sind auf diesem Gebiet viel aktiver geworden. Ihre Aktivitäten reichen von offiziell geduldeten Heilungs-Gottes-diensten bis zu »Gebetskreisen«, die als kleine autonome Gruppen innerhalb einer Glaubensrichtung agieren. Im Judentum heißt der Begriff für Gebet um Heilung misheberach und war fortwährend gegenwärtig. Geistiges Heilen erfährt im Judentum heute eine Wiederbelebung innerhalb der jüdischen Heilungs-Bewegung ähnlich der im Christentum.
Obgleich es eine Menge jüdischer und christlicher Lehren über geistiges Heilen geben mag, von der Heiligen Schrift bis zu heutigen Beispielen, gibt es in den Haupt-Glaubensrichtungen doch relativ wenig Anleitung, wie man sich selbst oder andere geistigheilen kann — und genau da neigen Christian Science und die SiebentagsAdventisten dazu, sich abzuheben. Wenn auch diese Gruppen sich sehr in ihrem spezifischen Herangehen an geistiges Heilen voneinander unterscheiden, so haben sie doch die Idee gemein, dass geistiges Heilen spezifische Praktiken beinhaltet, die gelehrt, gelernt und gelebt werden müssen.
Die Pädagogik geistigen Heilens in asiatischen Religionen
Asiatische Heilsysteme neigen mehr dazu, das Heilen zu lehren als die meisten westlichen Annäherungen an geistiges Heilen. Yoga illustriert dies. Während des weltweiten Parlaments der Religionen 1893 in Chicago, stellte Swami Vivekananda den Amerikanern den Hinduismus vor und damit einhergehend Yoga, was »Joch« bedeutet und darauf hinweist, dass man sich dem Göttlichen beugt. In den hundert Jahren nach Vivekanandas Besuch wurde Yoga die beständigste und populärste Art nicht-christlichen geistigen Heilens in Amerika. K. Crim, R. A. Bullard, L. D. Shinn, The Perennial Dictionary of World Religions, 1981, S. 813-816
Die Formen von Yoga sind komplex und ausgeprägt, und jeder Zweig variiert, sogar in Indien. In den Vereinigten Staaten variieren Yoga-Praktiken von systematischen Dehnübugen bis zu ernsthafter, geistig orientierter Disziplin. M. Silva und S. Mehta, Yoga the lyengar Way, 1994 Während Hinduismus die Idee des heilens durch Gebet aner kennt und heilige Hindu-Männer und -Frauen auch Heilende sind, ist der YogaPraktizierende im Wesentlichen ein Lehrer, der Schüler mit Disziplin und Übung führt, um Forschritte zu machen, die sowohl physische Gesundheit wie auch geistigen Fortschritt mit sich bringen. Viele Yoga-Praktiken zielen sowohl auf physische als auch auf geistige Gesundheit durch eine Kombination von geistigen und physischen Techniken. Yoga ist heutzutage ein Teil amerikanischer »Komplementärund Alternativ-Medizin« und in den letzten Jahren haben Gesundheitsforscher begonnen, seinen Einfluss auf Gesundheitsprobleme zu untersuchen, die von erhöhtem Blutdruck bis zum Karpaltunnel-Syndrom (Durchblutungsstörung im Handwurzelkanal) reichen.
Eine andere spirituelle Tradition aus Asien ist die buddhistische Meditation, dieaufgrund ihres potenziellen gesundheitlichen Nutzens in Amerika große Aufmerksamkeit gefunden hat. Die verschiedenen Formen des Buddhismus haben eine Vielfalt von meditativen Techniken, die alle eher zu geistigem Fortschritt führen sollen als zu spezifischer physischer Heilung. Jon Kabat-Zinn von der University of Massachusetts Stress Reduction Clinic stellte 1979 eine modifizierte Form von Meditation vor, die aus der buddhistischen Praxis entwickelt wurde. Er nannte es »Mindfulness Meditation« (Acht same Meditation). Spezifisch entwickelt, um heilsame Wirkung durch Stressver minderung hervorzurufen, wird diese sehr beliebte Praxis heute manchmal »Auf Achtsamkeit basierende Stress-Verminderung« genannt. Einem kürzlich in Newsweek erschienenen Artikel zufolge haben bis heute 15.000 Menschen an diesen achtwöchigen Kursen teilgenommen, und eine beachtliche Anzahl an Studien behaupten, dass diese Praxis hilfreich für Schmerzkontrolle, Senkung von Blutdruck und einigen anderen Gesundheit sproblemen ist. C. Kalb, »Buddha Lessons«, Newsweek, 27. September 2004, S. 48
Obwohl »Auf Achtsamkeit basierende Stress-Verminderung« in eine nicht-religiöse Form verpackt worden ist, wird sie immer noch von vielen, die sie anwenden, als eine geistige Praxis betrachtet und oft mit einem christlichen Hintergrund versehen. Eine frühere Art asiatischer Meditation, die dem amerikanischen Gebrauch angepasst wurde, ist die Transzendentale Meditation, die in den 197oern sehr beliebt wurde. Sie wurde für ihre Auswirkung auf die Gesundheit gepriesen, behielt aber stark indianische religiöse Elemente bei. Auf der Grundlage seiner Forschung über Transzendentale Meditation entwickelte der Seele-Körper Forscher Herbert Benson von der Harvard Universit y sein Konzept der »Entspannungs-Reaktion«. Sowohl Achtsame Meditation wie auch Transzendentale Meditation enthalten intensives Lehren und Aneignen von Fertigkeiten.
Künftige Generation von Ärzten und spirituellen Führern in Amerika
In scharfem Gegensatz zur medizinischen Ausbildung von vor wenigen Jahrzehnten lehrt man heute in den amerikanischen medizinischen Ausbildungsstätten die Rolle von Spiritualität in der Gesundheit. Auch wenn Medizinstudenten nicht spirituelle Heiltechniken gelehrt werden, so lernen sie doch über die große Vielfalt an geistigen Heiltraditionen, und ihnen wird beigebracht, Möglichkeiten zu finden, die Spiritualität eines Patienten als einen wichtigen Teil der Gesundheit zu verstehen und der Fähigkeit, die Schwierigkeiten im täglichen Leben zu handhaben.
Ähnliches gilt für viele Priesterseminare. Das Presbyterianische Theologische Seminar in Austin, Texas, beschreibt auf seiner Website einen mit »Heilungs- und Gesundheitspflege-Auftrag« betitelten Kurs. Es heißt dort: »Der Kurs untersucht Heilung als eine der klassischen Aufgaben seelsorgerlicher Fürsorge, um die Gültigkeit und Entwicklungsfähigkeit von holistischer Heilung und dem Gesundheitspflege-Auftrag in der Kirche der zeitgenössischen amerikanischen Gesellschaft zu würdigen.« Studenten reflektieren die Theologien von Gebet und bauen ihre eigene Theologie von Heilung und dem Gesundheitspflege-Auftrag auf.«www.ihpnet.org/the012.htm
Sogar jene Kirchen, die sich vor einem Jahrhundert wenig mit aktivem geistigen Heilungs-Auftrag befasst hatten, finden heute, dass die intellektuellen Trends, die geistige Heilung in der modernen Welt als deplatziert ansahen, nicht die geistigen Bedürfnisse und Erfahrungen der meisten Amerikaner bedachten. Geistiges Heilen ist in den USA heute so sehr ein Teil von Religion wie es dies vor 1000, 2000 oder gar 3000 Jahren war.
Wie Gesundheit selbst Ausgewogenheit erfordert, so ist dies auch bei der Prüfung geistigen Heilens vonnöten. Wenn geistiges Heilen nur eine Metapher für subjektive Verbesserung ist, dann wird der Glaube an die Macht und an das Gute Gottes, der praktisch in allen Religionen gefunden wird, auf eine optimistische Verblendung reduziert. Und wenn das erfolgreiche Herausziehen göttlichen Wohlwollens durch Gebet der zentrale Zweck ist, dann wird Spiritualität zu et was rein Magischem. Beide Anschuldigungen sind von Skeptikern erhoben worden, und beide sind zweifelsfrei gelegentlich wahr, wenn sich naive oder verzweifelte Menschen an Spiritualität als letzten Zufluchtsort gewandt haben. Aber diese Sichtweise ignoriert das tiefe Mitgefühl, die Hoffnung und Liebe, die den Zusammenhang bilden, in dem geistiges Heilen überall auf der Welt so oft gefunden und gelehrt wird.
Geistiges Heilen drückt das menschliche Sehnen nach Ganzheit und Transzendenz aus. Das ultimative Ziel geistigen Heilens ist, die Barrieren zu entfernen, die die Menschen voneinander und von Gott trennen. Wir müssen geduldig miteinander und mit uns selbst sein beim unaufhörlichen Streben nach Transzendenz, das geistiges Heilen repräsentiert.