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Man kann sich doch nicht alles gefallen lassen!

Aus der Januar 2006-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Rosenkrieg in der Nerostraße

Unter dieser Überschrift berichtete meine Tageszeitung über einen Rechtsstreit zwischen einem Bauunternehmer einerseits und einigen privaten Bauherren andererseits. Es hat mich sehr nachdenklich gemacht, als ich las, dass, als Folge dieses Streites, der Bauunternehmer letztendlich Konkurs angemeldet hatte und die Bauherren erneut riesige Summen Geld investieren mussten, um mit einem anderen Unternehmer aus ihren »Bauruinen« doch noch Wohnungen zu machen.

Ich kenne die genauen Hintergründe nicht, um beurteilen zu können, ob eine der Parteien das Ergebnis eventuell »verschuldet« oder »forciert« hat. Ich habe lediglich das Resultat gelesen — und alle Beteiligten taten mir leid. Ich frage mich allerdings, ob es wirklich so weit kommen musste? Hätte man das nicht vermeiden können? — Szenenwechsel.

Muss der Familienstreit eskalieren?

Eine Freundin rief mich an, nachdem sie von einer Familienfeier nach Hause gekommen war. Sie war noch ganz außer sich und aufgebracht und brauchte jemanden, dem sie ihr Herz ausschütten konnte: Bei dieser Feier hatte ein Verwandter die anderen pausenlos provoziert. Meine Freundin hatte sich, wie andere Anwesende auch, durch seine Äußerungen sehr verletzt gefühlt. Dennoch hatte sie, »um des lieben Friedens willen«, alles schweigend ertragen. Aber nun fühlte sie sich ganz miserabel. Das nächste Mal, da sei sie sich sicher, werde sie das nicht mehr so hinnehmen. Man kann sich doch nicht alles gefallen lassen! Warum muss ich denn unter dem Unrecht der anderen leiden? Habe ich nicht das Recht, mich zu wehren?

Also, vom Standpunkt des »Recht-Habens« aus betrachtet, gibt es gar keine Einwände. Selbstverständlich hat man das Recht, sich zu wehren. Aber: wenn es einem gelungen ist, nicht gleich zu reagieren, dann gibt einem gerade das die gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, was wäre, wenn...

Gehen wir also zurück zur Familienfeier. Wenn sie ihren gekränkten Gefühlen gefolgt wäre und entsprechend geantwortet hätte, wäre unter Umständen ein offener Streit ausgebrochen. Vielleicht wäre sie in den Augen der anderen sogar die »Schuldige« gewesen. Ihr Ärger über den Verwandten wäre der gleiche gewesen, aber sie hätte sich darüber hinaus vielleicht auch noch über sich selbst geärgert. Und möglicherweise hätte sich diese Auseinandersetzung über diesen Tag hinaus ausgedehnt und sich gar zu einem handfesten Familienkrach ausgewachsen. Mit Sicherheit hätte sie mich auch in diesem Fall angerufen, und zwar mindestens genau so außer sich und aufgebracht. — Szenenwechsel.

Es kann der Bravste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.

Ein Freund erzählte mir, dass er kürzlich sein Auto aus der Garage holen wollte und dabei feststellen musste, dass ein junger Mann, der gerade erst ins Nachbarhaus eingezogen war, sein Auto direkt vor der Garage geparkt hatte. Der Freund war nun gezwungen, zum Nachbarhaus zu gehen, dort zu klingeln und darum zu bitten, das Auto aus der eigenen Garage fahren zu dürfen! Natürlich ärgerte er sich darüber und natürlich ließ er das den jungen Mann auch lautstark hören. Später aber tat ihm seine Heftigkeit leid. Er dachte daran, wie unschön sein Zorn gewirkt haben musste — und schämte sich.

Als er am nächsten Tag diesen jungen Nachbarn auf der Straße sah, ging er zu ihm hin — und entschuldigte sich bei ihm! Dieser junge Mann war nun seinerseits so überrascht von der freundlichen Wendung, dass er meinen Freund umarmte. Zwischen diesen beiden Nachbarn besteht heute ein ausgesprochen freundliches Verhältnis.

Natürlich will ich nicht behaupten, dass ein kleiner nachbarschaftlicher Zwist oder ein Streit zwischen Verwandten gleichzusetzen sei mit einem handfesten Rechtsstreit zwischen einem Bauunternehmer und empörten Bauherren. Aber manch ein gewaltiger Rechtsstreit hat oft als kleine Meinungsverschiedenheit begonnen und sich erst durch das unnachgiebige Beharren auf den jeweiligen Standpunkten zu etwas Gewaltigem entwickelt. Es liegt auch immer ein wenig an uns, wie sehr eine Situation eskaliert.

Ich habe vor einiger Zeit in meinem Berufsleben eine Situation erlebt, die auch in diese Betrachtung passt.

Ich arbeite in einem kleinen Betrieb, der Bildereinrahmungen macht: Ich berate die Kunden im Geschäft und mein Chef fertigt die Rahmungen in der Werkstatt. Eines Tages hatte ich Kunden, ein Ehepaar, die sehr anstrengend und kompliziert waren.

Einerseits wollten sie — verständlicherweise — das Beste für ihr kostbares, altes Bild. Andererseits aber sollte die Rahmung möglichst wenig kosten. Und darüber hinaus hatten die beiden auch noch sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie das Bild letztendlich aussehen sollte. Ich hatte alle Hände voll zu tun, sowohl selbst geduldig und freundlich zu bleiben als auch die zwischen den beiden immer wieder aufflammenden Unstimmigkeiten zu dämpfen. Auf meinem Beratungstisch türmten sich bereits die Mustervorschläge. Dann, irgendwann, hatten wir eine Kompromiss-Lösung gefunden und ich war gerade dabei, den Auftrag zu schreiben, da kam — ganz unerwartet und unüblich — mein Chef herein.

Sofort — und ohne zu fragen, wie die Situation sich entwickelt hatte — riss er das Gespräch an sich. Er schob mich zu Seite und begann erneut ein Beratungsgespräch; er erläuterte den Kunden erneut all das, was ich zuvor schon gesagt hatte, setzte sich aber über die Bedenken der Kunden hinweg und drängte ihnen dann eine andere (teurere) Lösung auf. Ich stand dabei wie ein begossener Pudel. Ich hätte heulen können oder schreien — ab und zu spürte ich den mitleidigen Blick der Kundin auf mir. Es kostete meine ganze Kraft, einfach nur ganz ruhig da zu stehen. Schließlich diktierte mir mein Chef den neuen Auftrag und verließ, gemeinsam mit den Kunden, das Geschäft.

Zunächst konnte ich gar nichts denken. Ganz mechanisch begann ich, alles wieder an seinen Platz zu räumen. Langsam wurde ich wieder etwas ruhiger und überlegte, was ich nun tun sollte. Ich könnte meinen Chef anrufen und mich über sein unmögliches Verhalten beschweren. Oder ihm meinen Standpunkt klarmachen, wenn er das nächste Mal ins Geschäft käme. Oder ihn noch mal ansprechen, wenn er das fertige Bild lieferte. Oder ich könnte beleidigt sein. Oder kündigen ...

Doch dann entschied ich mich ganz anders: Ich bat Gott, die Sache für mich zu regeln.

Das heißt, ich betete und machte mir klar, dass es in Gottes harmonischem Reich keinen Zwist und keine Zwietracht gibt, und dass ich, als Sein Kind, unter keiner Disharmonie zu leiden brauchte. Gott liebt alle Seine Kinder gleichermaßen, und Er lässt es nicht zu, dass eines das andere verletzt. Und so, wie Kinder zu ihren Eltern gehen, wenn sie eine Sache nicht untereinander regeln können, so bat ich nun meinen Vater-Mutter-Gott, diese Sache für mich in Ordnung zu bringen. Das hatte sich schon in früheren Situationen bewährt und so wollte ich es nun auch wieder halten.

Da es sich um eine »geschäftliche« Situation handelte, stellte ich mir vor, dass Gott unser »oberster Boss« sei. In der englischen Bibel sagt der zwölfjährige Jesus zu seinen Eltern: »Wisst ihr nicht, dass ich im Geschäft meine Vaters sein muss? «Also, ich war jetzt auch im Geschäft meines Vaters! Immer, wenn in den nächsten Stunden, Tagen oder Wochen Zorn in mir hochkommen wollte, sagte ich mir: »Nein, du hast das an Gott delegiert, also überlass es lhm, Er wird das in Ordnung bringen.«

Wochen später: Das Bild war inzwischen längst ausgeliefert. Mein Chef und ich hatten nie wieder ein Wort über diese Angelegenheit verloren. Manchmal dachte ich noch daran, und fand es immer noch ungerecht, aber ich hatte es ja an Gott delegiert

Und dann geschah Folgendes: Der Kunde brachte das Bild zurück — als Reklamation! Das Bild wellte sich! Gerade der Teil, den mein Chef anders beraten hatte als ich, hatte sich als fehlerhaft erwiesen! Als die wortreiche Beschwerde des Kunden gar nicht mehr enden wollte, rief ich meinen Chef an und ließ den Kunden direkt mit ihm sprechen. Die beiden hatten nun ein längeres Telefongespräch mit dem Ergebnis, dass das Bild noch einmal gerahmt werden musste!

Ich empfand keine Schadenfreude, sondern Genugtuung. Darüber, dass das Verlassen auf Gott zu einem gerechten Ergebnis geführt hatte. Ich hatte »meinen Mund nicht aufgetan« und keinen Finger gerührt und dennoch war mein Chef zum Nachdenken gekommen. Er entschuldigte sich zwar nicht bei mir, aber er versuchte immerhin, mir sein Verhalten zu erklären. Ich wertete das als Entschuldigung. Das reichte mir.

Es war alles in Ordnung. In Gottes Ordnung.

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