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Unterwerfung oder Befreiung?

Zugeschlagene Türen, zerschmettertes Geschirr, kampfbereite Stellung — das alles habe ich gekannt. Aber immer hinterließ der scheinbar befreiende, explosive Ausbruch einen bitteren Beigeschmack. Ich schämte mich und wusste zugleich, dass Gewalt und Zorn nichts Gutes zustande bringen und auch niemanden davon überzeugen können, sein Verhalten zu ändern.

Aus der August 2006-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Als Kind konnte ich sehr zornig werden, wenn ich glaubte, ich oder andere würden ungerecht behandelt oder nicht verstanden. Der Zorn machte mich mutig, so dass ich mich einsetzen konnte für meine Überzeugung gegenüber jedermann, egal ob derjenige größer, stärker oder erwachsener war als ich. Das tat ich mit vehementen Worten, doch öfter auch durch körperliche Kraft. Als ich noch klein war, fanden die Erwachsenen solche Zornesausbrüche eher drollig und man nannte mich liebevoll »Wildfang« oder »Trotzkopf«. Ich fand diese Ausbrüche schon damals nicht drollig, denn ich wollte ernstgenommen und verstanden werden. Dass man über mich lachte, machte mich nur noch wütender. Ich wollte aber nicht wütend sein, sondern lieb. Ich hatte gelernt, dass Gott Liebe ist und den Menschen zu Seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat. Und ich sehnte mich nach dieser Liebe und wollte selbst auch gut sein. Doch überkam mich immer wieder diese Wut, wenn ich mich in die Enge getrieben fühlte.

Ich sehnte mich nach der göttlichen Liebe und wollte selbst auch gut sein.

Erschreckt und schließlich wachgerüttelt hat mich dann eine Begebenheit auf dem Gymnasium. Ich geriet in Streit mit einem Klassenkameraden, der stark und gemein war, er piesackte und ärgerte die schwächeren Mitschüler. Ich sagte ihm, dass er damit aufhören und sie in Ruhe lassen sollte. Doch er hörte nicht auf, im Gegenteil, jetzt provozierte er auch mich. Und wieder kochte der Zorn in mir hoch, ich packte ihn und in einer heißen Welle aus Hass und Wut prügelten wir uns schließlich. Obwohl er größer und stärker war, drosch ich auf ihn ein. Plötzlich hielt ich ein großes Haarbüschel in der Hand. Schockiert über meine nicht gewollte Beute ließ Ich von ihm ab. Er rappelte sich weinend hoch. Ich war so entsetzt, dass ich ebenfalls zu weinen anfing. Das hatte ich nicht gewollt, es tat mir unendlich leid! Dieses Erlebnis war eine spontane Ernüchterung. Ich erwachte wie aus einem Traum. Von da an nahm ich mir fest vor, mich nie wieder zu prügeln.

Was mir half, mich zu besänftigen, war die intensivere Beschäftigung mit Christian Science.

Was mir half, mich zu besänftigen und die Zornesausbrüche zu vermindern, war die intensivere Beschäftigung mit Christian Science. Ich las nun täglich, bevor ich zur Schule ging, die wöchentliche Bibellektion. Das brachte mich jeden Morgen erst einmal in Einklang mit Gott, der Liebe ist. Wenn diese Liebe allmächtig und gegenwärtig ist, gab es also keine andere Macht außerhalb dieser Liebe, die mich kontrollieren konnte. Ich lernte dadurch auch, dass nicht ich für Gerechtigkeit und Ordnung sorgen musste, sondern dass Gott gerecht ist und alles schon wohl geordnet hat. Ich brauchte nicht zornig zu werden und mich zu prügeln, um Ordnung zu schaffen. Je mehr ich mich bei Problemen immer zuerst an Gott wandte, desto mehr war ich in der Lage, Lösungen zu finden ohne wütend zu werden. Das machte mich zufriedener, selbstbewusster und freier und ich hatte auch mehr Schulfreunde, die mich schätzten.

Erst viele Jahre später, als ich schon zwei eigene kleine Kinder hatte, bekam ich es noch einmal mit diesen Wutanfällen zu tun. Mein Vater war ganz plötzlich von uns gegangen und hatte ein großes Loch in meinem Leben hinterlassen. Er war mein fester Halt, ein Fels in der Brandung gewesen. Und nun war dieser Halt ganz einfach und ohne große Vorwarnung weg! Außerdem waren wir gerade in eine neue große Wohnung mit Garten gezogen, zwar wunderschön, aber sie brachte auch viel Arbeit mit sich. Und die beiden Kleinen, drei und vier Jahre, hingen an mir. Ich glaube, in dieser Zeit fühlte ich mich überfordert und kraftlos. Es fiel mir auf, dass ich immer ungeduldiger mit den Kindern wurde. Ich schimpfte schon, wenn das Zimmer zu unordentlich war oder sie das Essen nicht wollten, das ich für sie gemacht hatte oder sie irgendeinen kindlichen Unsinn anstellten. Ich merkte, dass ich wieder regelrecht in Rage geriet. Im selben Augenblick erkannte ich auch, wie hässlich diese Ausfälle waren. Ich schämte und hasste mich für diese Zustände. Je mehr ich mich jedoch dafür hasste, desto größer wurde meine Wut. Obwohl ich darüber betete, war es wie ein nicht zu entrinnender Kreislauf, er dauerte etliche Monate. Aber ich wollte für alle Zeit von dieser verheerenden Kraft loskommen, die mich zu überwältigen schien. Eines Tages fiel ich auf meine Knie und begann von ganzem Herzen zu beten. »Bitte, Gott, Vater-Mutter,« schrie ich, »wenn Du die einzige Macht bist, die Macht des Guten, hilf mir, dass ich sie fühle!« »Du und der Christus seid eins!«, war die überraschende Antwort auf dieses verzweifelte Gebet. Ich und der Christus sollten eins sein? Jesus war dieser Christus. Er hatte sein Leben geopfert, er hatte die Menschen geheilt und geliebt. Er war ruhig, liebevoll und barmherzig, er konnte auf dem Wasser gehen, Tote erwecken und Stürme stillen. Er war immer nur Gott gefolgt. Aber ich? Eins mit dem Christus? Das war die reine Blasphemie! Ich fing an zu weinen und war außerstande, irgendetwas zu denken. Doch ganz leise und sanft formten sich die Worte in meinem Mund: »Ich und der Christus sind eins«. Das war der Rettungsanker, Ruhe und Frieden legten sich auf mich. Ich hielt wie ein Ertrinkender daran fest und, noch ganz schwach und elend, wurde auf festen Grund gesetzt. Das war das Schwerste, was ich je getan hatte: mich in diesem mich selbst hassenden Moment mit dem Christus, der reinen vollkommenen Idee Gottes, zu identifizieren.

Ganz leise und sanft formten sich die Worte in meinem Mund: »Ich und der Christus sind eins«. Das war der Rettungsanker, Ruhe und Frieden legten sich auf mich.

Die Heilung war unumstößlich und perfekt. Was war passiert? Ich war neu geboren!

Doch die Heilung war unumstößlich und perfekt. Was war passiert? Ich war neu geboren! Mary Baker Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit auf S. 332:9-11: »Christus ist die wahre ldee, die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewusstsein spricht.« Ich hatte hier am eigenen Leib erfahren, dass dieser Christus als göttlicher Einfluss immer im menschlichen Bewusstsein gegenwärtig ist und von jedem beansprucht werden kann. Wirklich von jedem, gleichgültig, in welch einer prekären Situation er sich auch immer befinden mag. Ich erlangte meine vollkommene Befreiung, als mir bewusst wurde, dass ich nie dieser in Raserei verfallende Mensch gewesen bin. Ich und der Christus waren eins! Indem ich den Christus, die reine Idee Gottes, in mir sah, lernte ich, mich selbst zu lieben und Selbsthass und Wut verschwanden. Diese Heilung war von Dauer und sie war die schönste, die ich je erlebte, weil sie diese vollkommene Umwandlung mit sich brachte. Es war die Befreiung aus einer Sklaverei. Ich wurde zu einem neuen freien Menschen, aufrecht und unabhängig. Ich erlangte einen inneren Frieden, große Ausdauer und Geduld. Diese Qualitäten verließen mich nie wieder, ob bei schulischen Schwierigkeiten der Kinder, familiären Auseinandersetzungen oder finanziellen Engpässen. Nichts konnte mich mehr aus der Ruhe bringen und so kam es auch immer zu harmonischen Lösungen für jedes einzelne Problem. Die Gegenwart der göttlichen Liebe ist seitdem mein Fels in der Brandung, meine immerwährende Stärke und Kraft.

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