Die Christian Scientisten werden oft gefragt, wie man die Lehre der Christian Science im Alltagsleben praktisch anwenden könne. Schon viele Menschen, denen der Kampf ums Dasein gar zu schwer erschienen ist, haben darüber nachgedacht, ob es denn nirgends einen Weg zum Glück und Frieden gebe; ob keine Möglichkeit vorhanden sei, die Bedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen, ohne fortwährend mit Sorge, Furcht und Enttäuschung kämpfen zu müssen. Sie haben instinktiv das Gefühl, daß ein Mensch, der rechtlich denkt und handelt und seine Pflicht in jeder Hinsicht zu erfüllen sucht, frei von Furcht und Sorge leben sollte. Mit andern Worten: Wenn eine göttliche Macht den Menschen diese Erde als Aufenthaltsort angewiesen hat, so wäre doch zu erwarten, daß ihnen klar gemacht würde, wie sie richtig leben und ihre Angelegenheiten harmonisch ordnen können. Diese Auskunft gibt die Christian Science, ja sie hat sie bereits Tausenden gegeben. Aus zahllosen Zeugnissen ist zu ersehen, daß denjenigen, welche die Christian Science mit verständnisvollem Herzen angenommen haben, ihre Verluste ersetzt worden sind und daß sie sich jetzt in besseren Umständen befinden. Weil sie „am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, ,getrachtet haben, ist ihnen, der Verheißung Jesu zufolge, „das Übrige” alles zugefallen.
Die Lehre der Christian Science verlangt vor allem, daß man das Herz vertrauensvoll und freudig zu Gott erhebe. Gar mancher, der stets mürrisch und unfreundlich war und glaubte, vor seinem Mitmenschen beständig auf der Hut sein zu müssen, ist ein besserer Nachbar geworden und hat eingesehen, daß er unter Freunden lebt anstatt unter Feinden, wie er geglaubt hatte. Diese mentale Umwandlung hat in Tausenden von Fällen die Haltung andrer umgewandelt, und es ist dadurch der Beweis geliefert worden, daß die Menschen lieber freundlich und gerecht sein möchten. Derjenige, der gelernt hat, in seinem Denken stets auf der Allgegenwart der Liebe und Gerechtigkeit zu bestehen, wird es bald denjenigen in seiner Umgebung ermöglichen, mehr harmonisch und gerecht zu sein.
Nachdem das Denken gereinigt worden ist und Harmonie die Stelle von Verwirrung eingenommen hat, wird ein klarerer Einblick in die Angelegenheiten des täglichen Lebens möglich. Immer und immer wieder hat die Erfahrung gelehrt, daß, wenn man ein scheinbar unlösbares Problem beiseite legt und sich an Gott wendet, um sich in höherem Maße Seiner stets gegenwärtigen Vollkommenheit, Liebe und Güte bewußt zu werden, man dann bei der Rückkehr zu der scheinbar schwierigen Aufgabe findet, daß dieselbe leicht ist. Die Christian Science lehrt die Menschen über ihre Umgebung geistig anstatt materiell denken. Ein jeder kann die durch das Studium dieser Wissenschaft erlangten Kenntnisse auf die Angelegenheiten des täglichen Lebens anwenden lernen. Auch derjenige, der anfangs nur schwer begreift, wird nach und nach auf höhere Ebenen des Denkens emporgeführt und findet, daß seine Gedanken sich auf sein Gottvertrauen gründen. Denn wenn man genug Gottvertrauen hat, so werden alle menschlichen Bedürfnisse sofort befriedigt. Es handelt sich aber hier nicht um einen blinden Glauben ohne Verständnis, sondern es ist eine Hingabe an die göttliche Wahrheit in Bezug auf die Allheit und Allgegenwart Gottes erforderlich. Diese Hingabe ist jedoch unmöglich, solange wir mit Liebe an dem Materiellen hängen. Wir sollten nicht mutlos sein, wenn wir auch zuerst nur wenig geistiges Bewußtsein in uns entdecken, denn wenn wir den ehrlichen Wunsch haben, von unsern tönernen Götzen aller Art befreit zu werden, und wenn wir willens sind, „das Materielle sobald als tunlich ist abzulegen” („Science and Health“, S. 254), so werden sich unsre Probleme in unerwarteter Weise und zu unsrer völligen Zufriedenheit lösen.
Die Christian Science lehrt, daß „der sterbliche Sinn gerade so gewiß sieht, was er glaubt, als er glaubt, was er sieht” („Science and Health,“ S. 86). Wenn wir also Armut, Mißgeschick und Verlust erleben, so ist es deshalb, weil wir an ihre Wirklichkeit glauben. Wer sich Tag für Tag bemüht, seine Gedanken von den falschen Vorstellungen abzulenken und sein Vertrauen auf die göttliche Macht des Guten zu setzen, der wird erfahren, daß sein verändertes Denken nach und nach in seinen äußeren Angelegenheiten zum Ausdruck kommt.
Ein jeder, der in der Christian Science Hilfe sucht, hat seine besonderen Fehler zu überwinden. Der eine muß versteckte Selbstsucht ablegen, ehe er die Gegenwart des Guten und die für ihn bereitstehende Versorgung erkennen kann. Ein andrer ist selbstgerecht; er denkt, er habe doch sein ganzes Leben lang nach bestem Wissen gehandelt, und deshalb sei Gott verpflichtet ihm zu helfen. Ein dritter ist von Stolz und Ehrgeiz erfüllt und muß daher demütig genug werden, um ohne Murren geringe Arbeit zu tun. Ein vierter denkt, er habe das kindliche Vertrauen, daß Gott ihn mit dem Nötigen versorgen werde, ist aber in Wirklichkeit mehr darauf bedacht, wie er’s andern in Bezug auf Putz und Vergnügen gleichtun kann. Oft ist frühere Unehrlichkeit und Trägheit an der Notlage schuld. In solchem Fall muß der Betreffende diese Fehler vor Gott bekennen und Ihn um Befreiung von denselben bitten. Ein jeder, der ernstlich wünscht, daß ihm seine Schwächen, seine Untüchtigkeit, seine schlechten Angewohnheiten im Denken und Handeln — daß ihm all die zahllosen Irrtümer des sterblichen Sinnes im Lichte des scientifischen Verständnisses klar gemacht werden mögen, wird die Arbeit finden, die für ihn bestimmt ist, und es wird ihm gezeigt werden, wie er sie mit Erfolg verrichten kann.
Eine Frau erzählte folgende Erfahrung, welche veranschaulicht, wie das, was der Mensch denkt, in seinen Erfahrungen zum Ausdruck kommt. Sie hatte eine Freundin, die nach den gewöhnlichen materiellen Methoden unter den armen Leuten einer großen Stadt arbeitete. Diese Freundin war oft entmutigt und erzählte der andern viel von der Unwissenheit, der Trägheit und dem Mangel unter den Leuten, denen sie sich widmete. Nun begann auch letztere über Not und Armut und Einschränkung nachzudenken. Zuletzt fand sie, daß ihre eigne Versorgung scheinbar abgeschnitten war. Sie steuerte auf Bitte ihrer Freundin zur Unterstützung der Armen bei, aber es schien, als ob sie bald nur wenig zur Befriedigung ihrer eignen Bedürfnisse übrig haben würde. Als ihr dies klar geworden war, fing sie an, im Sinne der Christian Science zu arbeiten. Sie behauptete und vergegenwärtigte sich den stets vorhandenen Reichtum Gottes, die unerschöpflichen Hilfsquellen des unendlichen Geistes (Mind). Sie bemühte sich, diese absoluten Wahrheiten und nicht die Vorstellungen von Armut und Elend in Gedanken zu halten. Etwa eine Woche, nachdem sie ernstlich in dieser Weise gearbeitet hatte, wurde ihr eine Stelle angeboten, die sie einige Jahre zuvor ausgeschlagen hatte, weil sie sich noch weiter ausbilden wollte.
Die Tatsache, daß dieses Anerbieten wiederholt wurde, bewies nicht nur die Wirksamkeit ihres Gebetes, sondern widerlegte auch die althergebrachte Ansicht, daß eine günstige Gelegenheit nie zweimal an der gleichen Tür anklopft. Tatsächlich war der ihr angebotene Gehalt doppelt so groß als zur Zeit, da die Offerte zum ersten Mal kam, weil ihre Leistungsfähigkeit durch weiteres Studium größer geworden war. So wurde also ihr Glaube gerechtfertigt, daß unter der Herrschaft Gottes nur das Gute und Rechte und Ordnungsmäßige die Oberhand haben kann, und daß diejenigen, die sich ernstlich bemühen Sein Gesetz zu erfüllen, von Ihm besser versorgt werden, als es Menschen tun können.
Ein jeder, der sich die Lehre der Christian Science aneignet und nach derselben lebt, ein jeder, der nicht nur mit den Lippen Gott dient, sondern sein Bewußtsein für den Trost und die Hilfe, die Gott bietet, offen hält, kann beweisen, daß diese Lehre zur Lösung der täglichen Probleme und zur Befriedigung aller Bedürfnisse verhilft.
Richte nie den Wert des Menschen
Schnell nach einer kurzen Stunde.
Oben sind bewegte Wellen,
Doch die Perle liegt am Grunde.