Viele Juden, die sich gerne zu einer heilenden Religion bekennen möchten, nehmen Anstoß an dem Wort „Christian” (Christliche) in der Benennung Christian Science (Christliche Wissenschaft). Später lernen sie jedoch, daß der Ausdruck Christian Science unpersönlich ist und daß man ihn als „die Science oder Wissenschaft des Christus, der Wahrheit” verstehen muß. Auch ich war sehr gegen den Namen Jesus Christus eingenommen, ehe ich mich der Christian Science zuwandte. Ich hatte nie die biblischen Aufzeichnungen über sein Leben und Wirken gelesen, denn als Jüdin hielt ich ihn für einen Betrüger und verspürte deshalb einen starken Widerwillen gegen eine Religion, die mit seinem Namen in Verbindung gebracht wird. Nachdem ich lange Zeit in der Arzneikunde Heilung gesucht, mich jedem neuen Spezialisten mit vollem Vertrauen auf seine Fähigkeit anvertraut und an verschiedenen Kurorten Europas Hilfe gesucht hatte, ohne jedoch geheilt zu werden, beschloß ich endlich, mit der Christian Science einen Versuch zu machen und — wurde geheilt!
Eines war mir nun klar: Wenn Gott das Gebet erhört, welches dem durch Jesum geoffenbarten Verfahren gemäß ist, so kann dasselbe nicht dem Gesetze Gottes zuwider sein, sondern muß mit demselben übereinstimmen. Ich widmete mich nun dem Studium der Bibel und des Textbuches, „Science and Health with Key to the Scriptures“, von Mrs. Eddy, wodurch ich immer mehr Klarheit erhielt; meine Vorurteile schwanden und ich sah das Leben mit ganz andern Augen an. Die Lehre Jesu von Nazareth wurde mir nach und nach verständlich. Ich erkannte die Größe seiner Lebensaufgabe, seine Hingabe an den Gott Israels, seine Verneinung einer jeden von Gott getrennten Wesenheit, seine Demut und Treue im Heilungswerk. Es wurde mir klar, daß er alle Macht dem Gott Abrahams, Jakobs und Mosis zuschrieb und keinem andern Gott; daß es sein fortwährendes Bestreben war, den Menschen die geistigen Tatsachen des Lebens zum Bewußtsein zu bringen. Durch das Studium und die Anwendung der in dem Christian Science Textbuch angegebenen Regeln wurde mir die Bedeutung der Heiligen Schrift verständlich, und die Wirklichkeit des geistigen Lebens überwand die falschen Vorstellungen der materiellen Existenz. Ich erkannte die Tatsache, daß das, was wir um uns her sehen, in Wirklichkeit nicht eine aus Materie erschaffene Welt, sondern eine Welt von sterblichen Vorstellungen ist, welche unsern Augen die wahre Schöpfung Gottes verhüllt. Mrs. Eddy sagt in Bezug auf diesen Punkt: „Ewige Dinge (Wirklichkeiten) sind Gottes Gedanken, wie sie in dem Reich der Wirklichkeit existieren. Zeitliche Dinge sind die Gedanken der Sterblichen; sie sind unwirklich, weil sie im Gegensatz stehen zu dem Wirklichen oder dem Geistigen und Ewigen” („Science and Health“, S. 337).
Die Christian Scientisten vertiefen sich in die Wahrheit des Seins und suchen sich von den falschen Vorstellungen der materiellen Sinne loszumachen. Sie halten das erste Gebot für das „vornehmste”: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben”, und betonen dasselbe fortwährend. Mrs. Eddy sagt: „Das göttliche Prinzip des ersten Gebotes bildet die Basis der Wissenschaft des Seins, mittels welcher der Mensch Gesundheit, Heiligkeit und ewiges Leben demonstriert” (Ibid., S. 340). Keine andern Götter haben bedeutet, keine Macht außer Gott, Geist, dem Guten, anerkennen. Mit andern Worten: Man soll die Materie nicht anerkennen, denn Gott ist Geist; man soll Krankheit und Sünde nicht als Wirklichkeiten betrachten, weil Gott alles erschaffen und für gut erklärt hat und weil deshalb Krankheit und Sünde gerade so wenig ein Teil der Schöpfung des Guten sein können, wie Materie ein Teil der Schöpfung des Geistes ist.
Wir ersehen aus der Bibel, daß alle Propheten bestrebt waren, die Menschheit aus der Betäubung zu erwecken, in der sie sich zu befinden schien. In den Sprüchen Salomos lesen wir: „Denn der Weisheit Anfang ist, wenn man sie gerne höret, und die Klugheit lieber hat, denn alle Güter.” Es sind diese Worte eine Ermahnung, trotz des widersprechenden Sinnenzeugnisses zum Verständnis des wahren Lebens zu erwachen. Die geistige Erkenntnis der Allheit Gottes verscheucht in der Christian Science die Vorstellungen von Krankheit und Sünde. Sollten nun die Juden sich weigern, Gottes Allmacht und Allgegenwart zuzugeben, nur weil Jesus diese Wahrheit enthüllt und bewiesen hat? Wenn Jesus von seiner Zeit mißverstanden wurde, sollen die Juden unsrer Tage sich deshalb weigern, dem Gesetz Gottes absoluten Gehorsam zu leisten, wenn sie doch dadurch Gesundheit, Glückseligkeit und langes Leben erlangen können?
Dem ersten Buche Mose zufolge erschuf Gott den Menschen in Seinem Bilde. Die Heilige Schrift erklärt ferner, daß Gott Geist ist. Wie können diese Erklärungen mit der Annahme in Übereinstimmung gebracht werden, daß der Mensch materiell sei? Und doch stimmt die Welt im allgemeinen dieser Annahme bei, einschließlich der Juden, welche wahrhaftig an Gott und Sein Wort glauben. Die Christian Science bringt die Tatsache ans Licht, daß der wahre Mensch Gottes geistiges und vollkommenes Ebenbild ist. Christus Jesus bewies diese Tatsache. Die Christian Science läßt ihn uns als den Wegweiser erkennen — als den Demonstrator des Christus, der göttlichen Idee. Er ermahnte das Volk fortwährend, seinem Beispiel zu folgen, die Wahrheit des Seins zu demonstrieren und so das Reich Gottes, die Herrschaft der Glückseligkeit und Harmonie, herbeizuführen.
Durch das Erscheinen Jesu ging in Erfüllung, was die Propheten verkündet hatten. Er kam zuerst zu den Juden und suchte die „verlornen Schafe aus dem Hause Israel” zu retten, die sich verlaufen hatten — die von der geistigen Verehrung Gottes abgewichen und im Materialismus versunken waren. Jedoch waren es gerade die Juden, die das Kommen Jesu möglich machten; denn obgleich sie den Menschen für materiell hielten, so verehrten sie doch den einen Gott als Geist. Jesus verneinte jegliche eigne Macht und betonte die Allmacht und Allgegenwart Gottes. Er lehrte und bewies durch seine Werke, daß er gekommen war, der Welt Erlösung von Sünde und von Leiden jeder Art zu bringen. Christus Jesus wird in der Christian Science nicht für einen Gott angesehen und als solcher angebetet, sondern er wird geliebt und verehrt als „der Erstgeborne ... unter vielen Brüdern”, der ohne Sünde war und alle sterblichen Versuchungen überwand; der trotz des Zeugnisses der materiellen Sinne unentwegt für die geistige Existenz eintrat und dieselbe als die gegenwärtige Wirklichkeit ansah, nicht als einen zukünftigen Zustand.
Als der Meister auf dem Wasser ging, als die Kinder Israel von Mose durch das Rote Meer und von Josua durch den Jordan geführt wurden, fand dabei kein Verstoß gegen ein wirkliches Gesetz statt, sondern es bewies sich bei diesen Begebenheiten die Macht des geistigen Gesetzes über das scheinbare, materielle Gesetz. Die Tatsache, daß Gott Geist, daß Er allmächtig, allwissend und allgegenwärtig ist, bildet die Grundlehre der Christian Science. Gott ist gut, und nur das, was gut ist und Gott ausdrückt, hat Wirklichkeit oder Existenz, trotz alles falschen Zeugnisses, trotz aller falschen Logik. Als Beweis dafür dient uns die durch die Christian Science bewirkte Zerstörung des Übels, in Übereinstimmung mit dem Beispiel Jesu und mit den Taten Mosis, Elias und Elisas sowie andrer Gläubigen im Alten und Neuen Testament und in unsrer Zeit.
Jesus beanspruchte Gott als seinen Vater. Dieses Vorrecht kann jedoch jeder beanspruchen, der so lebt, wie ein Kind Gottes leben soll und dem es darum zu tun ist, alles zu überwinden, was Gott nicht gleich ist, sei es Sünde oder Krankheit. Der Mensch ist das Ebenbild Gottes, und die Illusion, daß das Leben in der Materie sei und daß es Krankheit und Elend umschließe, muß der Erkenntnis vom wahren Leben weichen. Christus, die Wahrheit, wurde durch Jesum geoffenbart und wird von den Christian Scientisten angenommen. Dies beweisen die „mitfolgenden Zeichen”, wie Christus Jesus in den folgenden Worten verheißen hat: „Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: ... auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird’s besser mit ihnen werden.”
Wenn alle Nachfolger Mosis und alle Nachfolger Jesu ihre Vorurteile beiseite legen, ihre geistige Wesenheit suchen und sich den Christusgeist aneignen wollten, so würden Krankheit und Sünde gar bald verschwinden und die Kinder der Welt würden die wahren Kinder Israels werden, denen Moses sowohl als Christus den Weg bahnt. Sie würden Gott „im Geist und in der Wahrheit” anbeten, und die folgende Verheißung, welche die Kinder Israel unter Mose erhielten, würde in Erfüllung gehen: „So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, daß du darnach tust. ... Der Herr wird von dir tun alle Krankheit und wird keine böse Seuche der Ägypter dir auflegen, die du erfahren hast”.