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Der Mensch

Aus der August 1911-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der wirkliche oder geistige Mensch, dessen Bestehen die größten Seher aller Zeiten bezeugt haben, kann nicht vom Gesichtspunkte des begrenzten Sinnes aus erkannt werden. Der begrenzte Sinn behauptet, das Universum sei materiell und der Mensch sterblich. Durch das Verständnis und die Anwendung der Christian Science hingegen wird es uns klar, daß die sogenannte materielle Schöpfung, mit Einschluß des sterblichen Menschen, bloß die Vergegenständlichung des materiellen Denkens ist und daß sie nur von dem falschen Gesichtspunkte aus wirklich erscheint.

Wollen wir das Wesen des Menschen richtig beurteilen, so müssen wir unterscheiden zwischen dem geistigen Gesichtspunkt, von dem aus die Wirklichkeit selbstverständlich erscheint, und dem materiellen Gesichtspunkt, welchen geistige Erkenntnis, Logik und Demonstration abweisen. Hier gibt es keine andre Wahl. Entweder müssen wir den von geistigen Voraussetzungen hergeleiteten Folgerungen beistimmen, oder wir müssen „nach dem Ansehen” urteilen, indem wir uns auf die als unhaltbar erkannten Angaben der materiellen Sinne stützen, um uns von ihnen über das Wesen des Menschen belehren zu lassen. Der geistige Sinn behauptet, es gibt nur einen Menschen —„die zusammengesetzte Idee des unendlichen Geistes; das geistige Ebenbild und Gleichnis Gottes; die vollständige Darstellung von Geist” („Science and Health“, S. 591). Die materiellen Sinne zeigen uns die Schöpfung als aus unzähligen unabhängig handelnden Einzelwesen bestehend, und der Mensch scheint in der Menschheit ins Unendliche vervielfältigt zu sein, ähnlich wie die Gegenstände in einem Kaleidoskop.

Das Aufgeben materieller Auffassungen bedeutet für das materielle Bewußtsein das Aufgeben der Freiheit, den Verlust der Identität, das Vernichten der Individualität. Dem ist aber nicht so. Mrs. Eddy erklärt: „Diese fleischliche, materielle Mentalität, welche fälschlicherweise Geist (mind) genannt wird, ist sterblich. Der Mensch würde demnach vernichtet werden, wenn nicht zwischen dem geistig wirklichen Menschen und seinem Gott die unlösbare Verbindung bestehen würde, die Jesus ans Licht gebracht hat” (Ibid., S. 292). Der Glaube, daß materielle Bedingungen notwendig seien, um das Bewußtsein zu einem dauernden zu machen, Kenntnisse zu erwerben und Glückseligkeit zu erlangen, ist daran schuld, daß die Menschen an dem Materiellen festhalten. Sie denken, wenn sie den zeitlichen, begrenzten und Trennung verursachenden Begriff vom Sein aufgeben würden, so wäre das gleichbedeutend mit dem Aufgeben des eignen Ich oder der bewußten Existenz.

Die Annahme, daß Unsterblichkeit ein Vorrecht des sterblichen Menschen sei, daß sie das unbegrenzte Weiterbestehen des materiellen Bewußtseins bedeute, widerspricht der grundlegenden Wahrheit des Seins. Selbst den von einem rein physischen Standpunkte aus gemachten Forschungen gemäß ist der als Jchbewußtsein bezeichnete Zustand der Sterblichen nur ein Durchgangs-Stadium. Das sterbliche Sein schließt die Elemente der Sterblichkeit in sich, und Unsterblichkeit kann nur dadurch gewonnen werden, daß sich das Denken durch Vergeistigung über diesen Zustand erhebt, wodurch alle unharmonischen Elemente alle selbstzerstörenden Bestandteile ausgeschieden werden, so daß die Widerspiegelung des Geistes allein bestehen bleibt.

Das Wort Unsterblichkeit bedeutet nicht nur Fortdauer des Bewußtseins, sondern es ist auch die Bezeichnung für die Art und den Zustand des Bewußtseins, in welchem sich die Annahmen des sterblichen Sinnes in der Widerspiegelung des Geistes verlieren. In dieser Widerspiegelung erscheint uns der Nächste nicht als eine uns entgegenwirkende Persönlichkeit, die aus andern Beweggründen handelt, als die unsern, und andre Interessen hat, als wir. Seinen Nächsten lieben wie sich selbst heißt daher, ihn in dem Lichte der gemeinsamen geistigen Widerspiegelung sehen. Es ist dies die eine Bedingung zur Erlangung der Unsterblichkeit. Daher legt der Meister solchen Nachdruck auf die zwei größten Gebote des Gesetzes: „Du sollst lieben Gott deinen Herrn ...” und: „Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst.”

Der fleischliche Sinn, welcher erklärt: „Ich bin eine sich selbst bestimmende, denkende Person, ein unabhängiges Ich, ein willensfreies Wesen, eine unsterbliche Seele”— dieser Sinn ist an sich schon sterblich. Solch ein Ichbewußtsein stützt sich auf den Glauben an eine Macht und Intelligenz, die angeblich außerhalb des einen göttlichen Geistes entstanden ist und unabhängig von Ihm handelt. Die Erfahrung und die Welt dieses Bewußtseins beruhen auf falscher Grundlage und fallen daher der Vernichtung anheim. Die falsche Vorstellung vom Menschen als einem sich selbst regierenden, unabhängig vom Ganzen bestehenden Teile der Menschheit erzeugt Furcht, Unzufriedenheit, Disharmonie und Elend. Die höchste und reinste Befriedigung ist nur dann möglich, wenn man das eigne Ich beim Verfolgen eines würdigen Zweckes oder bei der Betrachtung eines erhabenen Ideals vergißt. Die unechte Art der Tätigkeit, die darin besteht, daß man da und dort nach persönlichen Genüssen sucht oder selbstsüchtige Zwecke verfolgt, bietet bestenfalls nur eine vorübergehende Befriedigung, die nicht mit der reinen Freude an der Tätigkeit, welche das Wohlergehen und das Glück aller im Auge hat, verglichen werden kann.

Und doch ist die Furcht der Sterblichen, daß sie nach dem Tode durch Vernichtung oder durch ein Aufgehen in das allgemeine Sein ihrer individuellen Persönlichkeit beraubt werden könnten, so groß, daß sie hartnäckig an der falschen Norm festhalten, wodurch sie sich geradezu der Freude berauben, nach der sie schmachten. Der große Lehrer drückte dies in den folgenden Worten aus: „Wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren”. Mit andern Worten: Wer das Leben mit dem sterblichen Empfinden des Daseins verwechselt, wie es durch Eigenwillen, Eigenliebe und Selbstzufriedenheit zum Ausdruck kommt, der muß notgedrungen durch die selbstzerstörende Wirkung des Irrtums den Verlust dieses falschen Empfindens erleiden. Wer jedoch diese Norm verwirft und das Sein als geistig, göttlich aufrechterhalten und daher als unzerstörbar erkennt, der geht der Verwirklichung des ewigen Lebens entgegen.

Gewisse allgemein bekannte Erfahrungen weisen auf die geistige Einheit des Seins hin. Das Entzücken, welches der verständnisinnige Beobachter empfindet, wenn er von hohem Bergesgipfel aus das vor ihm aufgerollte Panorama betrachtet, übersteigt bei weitem jedes Gefühl der Befriedigung, welches ihm das Verfolgen persönlicher, ehrgeiziger Ziele im alltäglichen Leben bringt. Der Genuß wird erhöht, wenn er von andern geteilt wird, obgleich der Beobachter ganz vergessen haben mag, daß Freunde neben ihm stehen.

Wir müssen uns jedoch hüten, daß bei der Erwägung eines so unendlichen Gegenstandes unser Begriff von der unendlichen Idee nicht auf das Niveau der Begrenzung herabsinkt, welche uns durch Betrachtung eines materiellen Bildes nahegelegt wird. Gleichnisse und Erläuterungen, welche materielle Bilder und Situationen vorführen, sind völlig unzulänglich, geistige Erfahrungen zu schildern. Im günstigsten Falle dienen sie dazu, dem empfänglichen Denken die Richtung zu zeigen, in der die Wahrheit zu suchen ist.

Die Vorstellung vom geistigen Menschen wäre ein eitler Traum, wüßten wir nicht den praktischen Weg zum Ziel. Die Christian Science gibt den genauen Weg an, auf dem die falsche Ansicht, daß der Mensch von der Widerspiegelung des göttlichen Geistes getrennt sein könne, in der täglichen Erfahrung systematisch überwunden werden kann, „bis daß wir”, wie Paulus es ausdrückt, „alle hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohns Gottes, und ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi.”

Wenn durch die Anwendung der Christian Science auf menschliche Probleme jedes Element der Sterblichkeit, jeder Glaube, daß das Leben begrenzt und von Materie abhängig sei, abgelegt sein wird, dann wird „das Sterbliche ... verschlungen von dem Leben”, und der Mensch wird nur als die Widerspiegelung des göttlichen Geistes erkannt werden. Dann wird es offenbar sein, daß kein wirklicher Bestandteil des Bewußtseins je verloren gegangen, kein aufrichtiges Sehnen je unbefriedigt geblieben ist.

Auf Seite 76 von „Science and Health“ beschreibt Mrs. Eddy den wahren Zustand des Menschen in folgenden prägnanten Worten: „Die sündlose Freude — die vollkommene Harmonie und Unsterblichkeit des Lebens, welche unbeschränkte göttliche Schönheit und Güte ohne jedes körperliche Wohlgefühl oder jede körperliche Schmerzempfindung in sich schließt —, macht den einzig wahren, unzerstörbaren Menschen aus, dessen Sein geistig ist.”

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