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Rechthaben und Selbstgerechtigkeit

Aus der Februar 1912-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Den Neuling in der Christian Science befällt oftmals ein Gefühl der Unsicherheit bezüglich der Richtigkeit seines Urteils beim Entscheiden über Recht und Unrecht. Gerade hier läuft er Gefahr, den Rechtssinn eines andern anzunehmen, weil er die Wahrheiten der Christian Science noch nicht genügend in sich aufgenommen hat, um die Anforderungen des Prinzips mit einiger Sicherheit erkennen zu können.

So oft wir das sichere Gefühl haben, im Recht zu sein, scheint der sterbliche Sinn uns herauszufordern. Wir dürfen jedoch nicht untätig werden, weil wir befürchten, diejenigen, denen das nötige Verständnis abgeht, könnten uns vielleicht der Selbstgerechtigkeit beschuldigen. Die drei Weisen aus dem Morgenlande kehrten nicht zu Herodes zurück, der ihnen aufgetragen hatte, das Kind Jesus zu suchen. Hieraus ersehen wir, daß uns das Gute nicht an das Urteil andrer bindet, auch wenn ihnen scheinbar Gewalt zusteht, es sei denn, das Recht erfordert dies. Joseph nahm Maria und den Knaben Jesus nicht nach Judäa (denn er fürchtete sich, „dahin zu kommen”), und Jesus ließ sich nicht dem Satan zu Gefallen von der Zinne des Tempels hinab. So müssen auch wir lernen, selbstständig zu entscheiden, selbstständig zu arbeiten, selbstständig zu handeln. Wir müssen die Bibel, wie die Christian Science sie uns erklärt, immer mehr zu unserm Führer machen; auch dürfen wir uns nicht von der Trägheit, von der Neigung, die Verantwortung von uns zu schieben, oder von materiellen Interessen irreleiten lassen. Ferner müssen wir uns bis zu einem gewissen Grade unsrer Fähigkeit bewußt werden, richtig zu denken und zu handeln (siehe „Pulpit and Press“, S. 3). Nur so kommen wir der Vollkommenheit näher, die Mrs. Eddy durch ihr eignes Heilungswerk bewiesen hat.

Befindet sich ein Mensch im Recht, so behandelt er die jeweilige Frage nicht von einem persönlichen Standpunkt. Wenn er wahrhaft für seine Kirche arbeitet, so wirkt er zum Wohl aller und dem unpersönlichen Irrtum entgegen. Scheint ihm das Lesen in der Kirche nicht zufriedenstellend, so übt er an dem Leser nicht Kritik und erlaubt sich nicht, ihn auf mentalem Wege zu beeinflussen, sondern er arbeitet auf die volle Kundgebung der Intelligenz und den Ausdruck der Liebe hin. Er kann sicher sein, dabei nicht fehl zu gehen. Wenn die Musik in der Kirche den höchsten Anforderungen nicht entspricht, so wird er weder ein Gefühl der Abneigung gegen den Sänger oder die Sängerin aufkommen lassen, noch sich in mißliebigen Äußerungen über das Komitee ergehen, dem diese Dinge unterstehen; vielmehr wird er um vollkommene Harmonie beten. Wenn ein Mensch im Recht ist, so beeinflußt dies sein ganzes Denken, und er wird diesen Geist in seiner Kirche wie in seinem Geschäft und Heim zum Ausdruck bringen.

Im Kirchenhandbuch (Artikel VIII, Abschnitt 5) fordert uns Mrs. Eddy auf, für die Gemeinde „als Ganzes” zu beten, im Gegensatz zum Gebet für den Einzelnen. Sie gebraucht ferner den Ausdruck „ausschließlich”, was man dahin auslegen kann, daß wir aus unserm Denken alles ausschließen sollen, was nicht in unsre Kirche, nicht in des Vaters Haus gehört und darum keinen Platz darin hat. In einem solchen Gebet bleibt kein Raum übrig für kritische Selbstgerechtigkeit, die das gerade Gegenteil des Verlangens ist, recht zu beten; und dieses rechte Gebet wird in unsern Kirchenversammlungen heilen, wenn es auch nur von einem einzigen Menschen ausgeht. Was für eine Macht zum Guten würden wir darstellen, wenn Selbstgerechtigkeit ganz aus unserm Denken entfernt wäre!

Von Drummond stammt der Ausspruch: „Es ist leichter, trefflich zu kritisieren, als auch nur etwas Mittelmäßiges zustande zu bringen.” Der Geist der Kritik überschätzt stets seine eigne Bedeutung. Er möchte gerne einen Menschen seines Rechtes auf Harmonie berauben, indem er ihn z. B. glauben machen will, er besitze kein Verständnis von der Christian Science. Dieser kritische Geist veranlaßt wohl den einen oder den andern zu der Erklärung: „Dank meiner Bildung und Erziehung vermag ich das Wesen Gottes besser zu verstehen, als andre.” Natürlich kann sich niemand dem läuternden Einfluß der Erfahrungen entziehen, die ihn zu der Erkenntnis der Nichtigkeit der Materie und der Allheit des göttlichen Geistes genötigt haben und auch fernerhin nötigen werden.

Wir dürfen den Fehlern andrer gegenüber nicht ungeduldig sein, denn wenn bei uns selber alles in Ordnung ist, werden wir erkennen, daß diese Fehler nicht zur Persönlichkeit gehören. Durch unpersönliches Wirken zerstören wir Fehler, in uns selber sowohl wie in andern. Sogar Fehler, die das Resultat der Unwissenheit, des Eigendünkels und der Sucht nach allgemeiner Gunst sind, können durch unpersönliches Wirken im eignen Bewußtsein zerstört werden. Einer der Irrtümer, die der Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit entspringen, ist das Streben nach persönlicher Nachfolge. Man könnte diesen Irrtum als einen der „Vögel unter dem Himmel” bezeichnen, die den guten Samen auffressen. Jeder Anfänger sollte auf der Hut sein, damit diese mentale Eigenschaft eines Ratgebers ihn nicht dazu verleite, den eignen Rechtsinn durch den eines andern zu ersetzen, selbst wenn der Betreffende ein älterer Anhänger der Christian Science Bewegung sein sollte.

Wenn die Versuchung, andre zu beherrschen, an einen ausübenden Vertreter oder Lehrer herantritt, weil er sich von Selbstgerechtigkeit beherrschen läßt, so muß er bedenken, daß nichts nachteiliger auf ihn selber wie auf unsre Sache wirken kann, als dieser Irrtum. Derselbe verleitet ihn dazu, in der Kirchen- verwaltung Vorschriften zu machen, die Handlungsweise andrer zu beeinflussen, gegen andre Mißtrauen zu erwecken, den Strom der universellen Liebe zu stauen und das Gefühl der Dankbarkeit gegen diejenigen, die dem Prinzip der Christian Science gemäß zu leben und zu handeln sich bestreben, zu unterdrücken. Dazu gesellt sich nur zu leicht das Verlangen, Huldigung der eignen Persönlichkeit entgegenzunehmen, selbst auf Kosten der Wahrheit. Dies führt unweigerlich zum Fall derer, die an Schmeicheleien Gefallen finden, und erzeugt eine bedauernswerte Hilflosigkeit bei denen, die sich einem derartigen Einfluß hingeben.

Wenn z. B. Selbstgerechtigkeit jemand dazu verführen würde, zu glauben, er sollte die Stelle eines Lesers in der Kirche bekleiden oder daselbst als Sänger angestellt werden, so wäre ihm kein Leser oder Kirchensänger recht; er würde an allen etwas auszusetzen haben. Und ähnlich wäre sein Denken in Bezug auf irgendein Amt in der Kirche oder im Staat. Die Selbstgerechtigkeit sieht in der Ausführung einer Aufgabe durch einen andern stets Fehler, vernachlässigt aber dabei die eignen Pflichten. Die entgegengesetzte Denkweise würdigt das ehrliche Streben, diese Ämter in rechter Weise zu besetzen und zu begleiten; sie sucht das Gute anzuerkennen, das die Leute in ihrem Bestreben, Gott, das unendliche und stets gegenwärtige Gute, zu erkennen, zum Ausdruck bringen, denn sie lernen ihren Bruder lieben, den sie gesehen haben, auf daß sie Gott, den sie nicht gesehen haben, um so mehr lieben mögen.

Ein aufrichtiger Mensch wird danach trachten, immer richtiger zu handeln. Gern nimmt er einen wohlgemeinten und seine Arbeit fördernden Rat an. Wer aber zur Selbstgerechtigkeit neigt, wird seine Zeit ost mit Selbstrechtsertigung verbringen und des Guten, das ihm durch kindliche Empfänglichkeit zuteil geworden wäre, verlustig gehen. Die Selbstgerechtigkeit deckt stets ihre Fehler zu, anstatt das eigne Unrecht zuzugeben.

In ihrem Werke, „Messages to The Mother Church“ sagt Mrs. Eddy: „Wenn ein Mensch anfängt, mit sich selber zu hadern, hört er auf, mit andern zu hadern”. Dieser Worte sollten wir gedenken, und wenn wir mit andern in Streit geraten, sollten wir schleunigst das „Kämmerlein” aufsuchen und beten, daß die Sünde aus unserm Bewußtsein vertrieben werden möge, zur gottgefälligen Bereicherung menschlicher Güte und menschlichen Wohlwollens. (Siehe Manual, Artikel VIII, Abschnitt 4.) Auf Seite 50 sagt Mrs. Eddy ferner: „Die Selbstgerechtigkeit der Pharisäer kreuzigte Jesum”. So würde die Selbstgerechtigkeit auch heute noch alle Wahrheit ersticken, wenn sie könnte. In dem gleichen Absatz fügt unsre Führerin hinzu: „Der Klageruf des Zöllners bewirkte die Erhörung seines demutsvollen Wunsches”. Wenn den Christian Scientisten nach der Gerechtigkeit, die vom Vater gesegnet wird, hungert und dürstet, so kann er daraus schließen, daß er auf dem rechten Wege ist.

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