Der Lexikograph Webster definiert das Wort „Beständigkeit” wie folgt: „Feststehen; folglich auf Gott und Seine Werke angewandt; Unwandelbarkeit; unveränderliches Fortbestehen; ein dauernder Zustand.” Jeder, der das Dasein Gottes zugibt und das Weltall als von Ihm erschaffen anerkennt, wird sich über die Anwendung dieser Definition auf den Menschen wundern, der demnach als ein Teil der „Werke” Gottes in einem Zustand der „Unwandelbarkeit”, des „unveränderlichen Fortbestehens” wäre. Doch wo ist der Mensch der sich nie verändert? Mit Ausnahme der Christian Science bestimmen alle christlichen Glaubenslehren den Menschen als Seele oder Geist in einem materiellen Körper wohnend oder mit demselben verbunden. Schon ein klein wenig Nachdenken genügt, um zu zeigen, daß die oben angegebene Definition von Beständigkeit gar nicht auf einen solchen Menschen paßt. Wir wollen einmal näher untersuchen, ob der Mensch, wie er sich den Sinnen darstellt, wirklich das hohe Ideal eines „Werkes” Gottes ist.
Nach dem allgemein herrschenden Glauben hinsichtlich der Existenz des Menschen, wird dieser materiell empfangen und geboren, durchläuft eine Periode des Wachtums, erreicht einen Höhepunkt, verweilt eine Zeitlang auf demselben, nimmt an Kräften ab und endet schließlich in dem Zustand, den wir Tod nennen. Dies ist sogar noch das Ideal des sterblichen Glaubens, welches gar mancher nicht erreicht, da der Glaube an den Tod jeden Augenblick nach der Geburt dazwischen treten und die Vollendung dieser als normal angesehenen Dauer der menschlichen Existenz verhindern kann.
Von dem Augenblick der Empfängnis an bis zum letzten Atemzug ist nichts an diesem Sterblichen, was man beständig nennen könnte. Sein ganzes Dasein hängt vielmehr voll und ganz von einem immerwährenden Wechsel ab. Tatsächlich kann er nur auf der Basis von Veränderlichkeit empfangen worden sein. Der Embryo ist von der Empfängnis bis zur Geburt vielen Veränderungen unterworfen, und der Entwicklungstheorie Darwins zufolge beweist der sterbliche Mensch gerade während dieser Zeit seine Verwandschaft zu den niederen Graden tierischen Lebens, insofern er in dieser Periode die verschiedenen Existenzphasen durchmacht, die denen der Tiere, mit welchen er verwandt sein soll, ähnlich sind. Diese Veränderungen des Embryos drücken die Annahme aus, daß der Mensch während des ersten Teils seines materiellen Lebens eine ähnliche Entwicklung durchmache, wie das Menschengeschlecht sie seit unzähligen Jahrtausenden durchgemacht habe, von den einfachsten Lebensformen an bis zu den höchsten, wie wir sie heute sehen; daß diese Veränderung immer weiter gehe, der materielle Mensch also in hundertausend Jahren nicht derselbe sein werde wie der, den wir heute kennen.
Nachdem der sterbliche Mensch als Kind geboren ist, führt er ein von den Eltern getrenntes Dasein. Mit dem Augenblick der Geburt setzt ein immerwährender Wechsel ein, und man sagt vom Menschen, er nähre sich und wachse. Nach den Gesetzen der Naturwissenschaft hat jedes Lebewesen, sei es Tier oder Pflanze, einen bestimmten Prozeß von „Aufbau” und „Verfall” durchzumachen. Dies endigt schließlich mit dem Tod. Nach dem Zeugnis der materiellen Sinne ist dann des Menschen Dasein als denkendes Wesen zu Ende. Die Naturwissenschaft lehrt nicht, daß der materielle Körper durch den Tod zerstört werde, sondern, daß er nur in seine Elemente verfalle, die sich dann wieder der Erde oder der Atmosphäre mitteilen, um zum Aufbau der Pflanzen, Tiere, Menschen oder Mineralien zu dienen. Der materielle Mensch stellt also eine Reihenfolge von veränderlichen Formen und Substanzen dar, die sich nicht auf einen Augenblick gleich bleiben, und Empfängnis, Geburt und Tod sind einfach die verschiedenen Stadien dieser Reihenfolge — nicht verschiedene Annahmen, sondern nur verschiedene Phasen ein und derselben Annahme vom Leben in der Materie.
Die Annahme, daß Krankheit imstande sei, des Menschen Leben in der Materie zu unterbrechen, ist ebenfalls auf die Vorstellung von einem fortwährenden Wechsel zurückzuführen. Man glaubt im allgemeinen, Krankheit werde durch Veränderungen der Nahrung, des Klimas oder der Umgebung hervorgerufen, wie z. B. durch einen Wechsel von der Freude zur Trübsal, vom Mut zur Furcht, von der Lust zum Schmerz, und zeige sich dann als etwas Wachsendes, was vorher nicht da war, als ein Dahinschwinden von etwas, das bestanden hat, als etwas Schädliches, was früher nützlich war. Und so geht es fort, durch die ganze der materiellen Heilkunde bekannte Liste von Krankheiten hindurch, die alle, ohne Ausnahme, nur Äußerungen des Glaubens an die Veränderlichkeit sind. Tatsächlich ist die Annahme, daß die Substanz des menschlichen Seins sich ändern kann, der Grund aller Krankheiten.
Die Christian Science verwirft die Annahme, daß ein veränderlicher sterblicher Mensch der wirkliche Mensch sei, und erklärt nachdrücklich, daß die Zeit gekommen ist, da wir aufhören müssen, einen so niedrigen Begriff von dem Ursprung und Zustand des Menschen zu haben. Sie allein von allen Religionen der Welt wendet Websters Definition von Beständigkeit auf den Menschen an, indem sie behauptet, daß der wahre Mensch in einem Zustand der „Unwandelbarkeit”, des „unveränderlichen Fortbestehens” sei, und sie gibt sich mit nichts Geringerem zufrieden. Sie widerspricht jeder Behauptung, die der Annahme entspringt, daß der Mensch Gottes in Bezug auf seine Herkunft oder Existenz irgendwelche Verbindung mit der veränderlichen Materie habe. Die nachfolgenden Zitate aus „Science and Health“ haben Bezug auf die Annahmen hinsichtlich der materiellen Existenz, und verneinen dieselben einzeln wie in der Gesamtheit.
„Die Annahme, daß Leben in Eiern keimt, ... wird durch die göttliche Metaphysik als falsch erwiesen. Sie ist ein Fehler, der schließlich höheren Theorien und Demonstrationen Platz machen wird” (S. 549). „Die Sterblichen sind die ... Kinder des Bösen, des einen Übels, welches erklärt, der Mensch nehme als materieller Embryo seinen Anfang” (S. 476). „Die Evolutionslehre beschreibt die verschiedenen Stufen der menschlichen Annahme, aber sie ... sieht nicht ein, daß materielle Methoden in der göttlichen Wissenschaft unmöglich sind, und daß alle Wissenschaft von Gott und nicht von den Menschen kommt” (S. 551). „Geburt, Verfall und Tod entspringen aus den materiellen und nicht den geistigen Vorstellungen von den Dingen” (S. 544).
Die Aufgabe der Christian Science besteht nicht nur im Verneinen und Zerstören dieses Glaubens an einen veränderlichen Menschen, sondern sie lehrt uns auch, wie wir den wahren geistigen Menschen jenseits dieses falschen Begriffs suchen müssen; wie wir ihn finden und das gefundene Ideal festhalten können. Nur in dem Verhältnis, in dem wir den wahren Begriff vom Menschen erlangen, ihn in seinem ursprünglichen, unveränderten geistigen Zustand sehen, sind wir fähig, uns und andre aus dem Strudel der veränderlichen und sich stets widersprechenden sterblichen Ansichten zu befreien, die die scheinbare Ursache aller Sünde, Krankheit, und Zwietracht sind. Die Christian Science zeigt uns, daß es nur ein einziges richtiges Verfahren gibt, nach welchem wir dies erreichen können, nämlich das Verfahren, welches Jesus anwandte, als die Lahmen, die Krüppel, die Blinden und die an Krankheit aller Art Leidenden sich um ihn drängten.
Alle diese Leute wußten, daß er imstande war sie zu heilen, denn er hatte alle geheilt, die bis dahin zu ihm gekommen waren. Deshalb ihre Hoffnung, ihre freudige Erwartung. Deshalb waren sie gekommen, um wenigstens den Saum seines Kleides anzurühren und so geheilt zu werden. Er wußte, daß er ihnen helfen konnte, denn ohne Mühe und Zögern hatte er alle geheilt, die in den Bereich seiner Gedanken gekommen waren. Und worin bestand diese Macht über Krankheit, die ihn in den Stand setzte so vielen Menschen Gesundheit und Seelenfrieden zu verleihen?
Mrs. Eddy erklärt dies mit wenigen Worten wie folgt: „Jesus erkannte in der Science (Wissenschaft) den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo der sündige sterbliche Mensch dem Sterblichen erscheint” („Science and Health“, S. 476). Als Jesus die wogende Menschenmenge um sich her erblickte, gab er die Wirklichkeit der vielerlei Leiden nicht zu, die dem sterblichen Bewußtsein so wirklich erscheinen. Indem er über die Scheinbarkeit hinaus in das Reich des Geistes schaute und indem er das göttliche Bewußtsein wiederspiegelte, erblickte er in der Science die vollkommene Idee des unendlichen Geistes, das vollkommene Bildnis und Gleichnis Gottes, die vollkommene Wiederspiegelung von Geist (Mind), und dadurch zeigte er den Menschen, wie man geistig vollkommen sein muß, wie auch unser „Vater im Himmel vollkommen ist.”
Jesus wußte, daß der Vater alle Seine Werke, Seine ganze Schöpfung angesehen und als „gut”, ja als „sehr gut” erkannt hatte. Daher bewies er seinen Gehorsam gegen den Willen des Vaters, als auch er den Menschen, der ja ein Teil von Gottes Werken ist, als gut und vollkommen erkannte. Unsre Führerin fügt die unwiderlegbare Behauptung hinzu: „Und dieses richtige Verständnis vom Menschen heilte die Kranken” (Ibid., S. 476). Ein andres Resultat war gänzlich ausgeschlossen. Keine Krankheit konnte bestehen in Gegenwart dieses durchdringenden geistigen Verständnisses, dieses Festhaltens am göttlichen Ideal; in Gegenwart dieser klaren Erkenntnis, welche das Trugbild der Materie durchschaute, einschließlich der Scheinbarkeiten von Geburt, Wachstum und Tod, samt allen mitfolgenden falschen Annahmen, die als Beweise für die beanspruchte Wirklichkeit gelten wollen.
Mit diesem Vorbild von Beständigkeit vor Augen lernt der ausübende Vertreter der Christian Science täglich mehr, sich von dem Glauben an einen materiellen, unwirklichen und veränderlichen Menschen abzuwenden und hinter die sogenannten Gesetze der Abstammung, Erblichkeit und Überlieferung und durch sie hindurch zu schauen. Er bemüht sich, „so schnell wie es ratsam ist, das Materielle zu verlassen und das Geistige auszuarbeiten, welches das Äußerliche und Wirkliche bestimmt” (Ibid., S. 254). Wenn er dies tut, wird ihm seine Arbeit Freude bereiten, denn er weiß, es ist Gottes Wille, daß er seinen Nächsten und sich in dieser Weise erkenne. Gott war seinem eignen Bilde und Gleichnis gegenüber stets unverändert und wird demselben gegenüber stets unverändert sein, und der Mensch muß die Unveränderlichkeit widerspiegeln — ja die „Unwandelbarkeit”, das „unveränderliche Fortbestehen”, den „dauernden Zustand.”
Ein Mensch, der zweihundert Meilen zu Fuß gereist ist, hat die ganze Strecke nicht mit einem Schritt oder einem Tage zurückgelegt. Er hatte sich dazu Zeit und Geduld nehmen müssen. So sollen auch wir unsre Zeit gebrauchen, damit wir unter geduldigem Ausharren unser Werk vollenden können. Wer beharret bis ans Ende, der wird selig.