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Der Pfahl im Fleisch

Aus der März 1912-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wer kennt nicht schon seit seiner Kindheit den Ausdruck: „Ein Pfahl im Fleisch”? Denken wir nicht bei diesen Worten an diesen oder jenen Mitmenschen, der vielleicht schon seit Jahren mit körperlichen Leiden behaftet ist und an denselben immerfort festhält, indem er denkt, sein himmlischer Vater habe sie gesandt oder lasse sie wenigstens seinem weisen Ratschluß gemäß zu? Als Beleg dafür, daß Krankheiten von Gott auferlegt werden, haben wir oft sagen hören: „Es ist mein ‚Pfahl im Fleisch‘. Paulus war ein besserer Christ als ich, und doch mußte er sein Leiden ertragen”. Wenn wir uns als Leidensgenossen des Paulus betrachten, so umgeben wir unsern Zustand gewissermaßen mit einem Glorienschein. Haben wir uns jedoch jemals die Frage vorgelegt, was uns zu dieser Auffassung berechtigt und wodurch des Paulus „Pfahl im Fleisch” verursacht wurde?

Im zweiten Korintherbrief sagt Paulus: „Auf daß ich mich nicht der hohen Offenbarungen überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satanas Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf daß ich mich nicht überhebe.” Wie aus diesem Ausspruch des Paulus klar hervorgeht, dachte er nicht im entferntesten daran, sein Leiden Gott zuzuschreiben. Kann denn Gott, der die unendliche Liebe ist, Seinem Kinde irgend etwas geben, was Seinem Wesen nicht im geringsten entspricht? Alle Mißklänge haben ein und denselben Ursprung, den Paulus klar erkannte, als er erklärte, sein Leiden sei des „Satanas Engel”. Satanas, den die Bibel als Widersacher oder Fürst der Finsternis bezeichnet, wird im herrlichen Licht der Christian Science als der Glaube an eine von Gott getrennte Wesenheit erkannt. Ist es nicht dieser Glaube, der, den obigen Worten des Paulus zufolge, in Gefahr steht, sich der „hohen Offenbarungen” zu überheben? Ist es nicht dieser falsche und listige Anspruch, den er als „Satanas Engel” bezeichnet? Unter wie vielen Verkleidungen erscheint doch diese Wesenheit! In dem Fall des Paulus war es vielleicht Stolz oder, wie aus seinem Worten hervorgeht, Selbstüberhebung, die ihn mit Fäusten schlug und ihm einen Pfahl ins Fleisch gab; denn das Übel, unter welcher Verkleidung es auch erscheinen möge, kann nur sich selbst mit Fäusten schlagen und ist selbstzerstörend. Deshalb sagt unser Textbuch: „Die einzige Macht des Übels besteht darin, sich selbst zu zerstören” („Science and Health“‚ S. 186). Ist erst das Wesen dieses Engels im Lichte der Wahrheit erkannt, so ist es leicht zu verstehen, wie man die Botschaft aufzunehmen hat, denn unser Lehrbuch erklärt: „Eine falsche Annahme ist der Verführer sowohl wie der Verführte, die Sünde sowohl wie der Sünder, die Krankheit sowohl wie ihre Ursache” (Ibid., S. 393).

Da „der Verführer so gut wie der Verführte” beim Apostel Paulus Selbstüberhebung zu sein scheint, die seinen wunderbaren Werken und den ihm zuteil gewordenen herrlichen Offenbarungen folgte, sollten dann wir, die wir ein körperliches Leiden genährt haben, in dem vom Verführer eingeflößten Glauben, hiermit eine lobenswerte christliche Ergebenheit zu bekunden — sollten wir nicht erwachen und durch die Macht der Wahrheit den Pfahl entfernen, der so lange in uns gesteckt hat? Wenn wir uns in aller Demut selbst prüfen, so werden wir vielleicht finden, daß noch etwas andres als Selbstüberhebung uns den Pfahl ins Fleisch gesetzt hat, nämlich weltlicher Sinn und Untreue in unsrer christlichen Arbeit. Ja sogar viele, die sich in den vergangenen Jahren mit andern an dem Licht der Christusheilung erfreut haben, gelangen zu der Einsicht, daß auch sie einen Pfahl im Fleisch haben und es erscheint ihnen schwierig, denselben loszuwerden.

Paulus erklärt ferner: „Dafür ich dreimal dem Herrn geflehet habe, daß er [Satanas Engel] von mir wiche; und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne.” Aus diesen Worten geht hervor, daß der Pfahl nicht sogleich entfernt wurde, sondern erst dann, als Paulus durch die Erkenntnis seines eignen Unvermögens und seiner eignen Schwachheit die Nichtigkeit des eignen Ich und die Allgenügsamkeit der Gnade Gottes bewiesen hatte; als er sich nicht mehr seiner selbst rühmte, sondern allein der Macht Christi. Sobald er diesen Punkt erreicht hatte, löste sich der Pfahl in sein natürliches Nichts auf.

Woher wissen wir das? Genau so wie wir wissen, daß eins minus eins null ist. Kann ein vom Irrtum gesätes Samenkorn in einem Bewußtsein gedeihen, welches allein auf der Macht des Christus, der Wahrheit, sich gründet? Hören wir die Worte Jesu: „Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht pflanzte, die werden ausgereutet werden.” Wir wissen, daß diese herrlichen Worte wissenschaftlich sind. Warum aber, so hört man oft fragen, berichtet uns Paulus nicht später über seine Heilung? Man bedenke, daß viele Menschen, die zum Zurückblicken weit mehr Zeit haben, als sich dieser große Apostel nehmen konnte, ihre früheren Leiden vergessen oder es unterlassen haben, der Welt die heilende Macht der Wahrheit zu verkünden, die sich an ihrem Geist und Körper offenbart hat. Es darf uns also nicht allzusehr Wunder nehmen, wenn Paulus, während seiner außerordentlich tatenreichen Laufbahn, die Dinge, die dahinten waren, vergessend, und immer dem vorgesteckten Ziele nachjagend, es unterlassen hat, von dem Verschwinden des Pfahles zu berichten, der für ihn „wie ein Traum” war, „wenn einer erwacht”. Hätte er aber mit prophetischem Blick die trauernde Schar edelgesinnter Menschen sehen können, die diesen Pfahl, den Boten und die Botschaft des Satans, angenommen, ihn in ihrem Bewußtsein eingepflanzt und mit Seufzern und Tränen begossen haben, so hätte auch er Tränen vergossen. Und dennoch, hat er uns nicht eine Versicherung seiner Heilung gegeben, welche alle vernehmen, die für die Botschaft empfänglich geworden sind? Er schrieb an die Kirche in Galatien: „So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat, und lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen.” Könnte der Welt ein überzeugenderer Beweis werden, daß dieser störende Pfahl nicht mehr vorhanden war, als diese triumphierenden Worte?

Die Verfasserin empfindet das innigste Mitgefühl mit allen, die sich von dem Lichte entfernt, den Pfahl im eignen Fleisch gefühlt und das knechtische Joch an sich selber erfahren haben. Auf Grund eigner Erfahrungen möchte sie ihnen zurufen: Seid getrost; seid wie Paulus „gutes Muts in Schwachheiten”, die nur dazu dienen, uns die falschen Freuden des Sinnes abzugewöhnen. Indem sich der Mensch mit erneuter Dankbarkeit und Liebe Gott zuwendet, stets bestrebt ist, die Allmacht und Gegenwart der göttlichen Liebe zu verwirklichen und zu demonstrieren, und indem er erkennt, daß es nichts andres geben kann, als göttliche Liebe und Ihre Widerspiegelung, werden körperliche Leiden jeglicher Art verschwinden — an eigner Entkräftung sterben. Mag auch der Vorgang bisweilen langsam erscheinen, so können wir doch gutes Muts sein, da wir wissen, daß, wenn wir uns treu erweisen, das Werk der Liebe in uns vollkommen werden wird. Im Verhältnis zu unserm absoluten Glauben an Gott, zu unserm wissenschaftlichen Verständnis und zu unsrer Anwendung Seiner Gesetze, wie die Bibel und „Science and Health with Key to the Scriptures“ sie lehrt, werden an Stelle des Pfahls und knechtischen Jochs die Früchte des Geistes, Gesundheit, Heiligkeit, Liebe, Freude und Friede immer herrlicher und in immer reicherem Maße sich zeigen.

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