Das Christentum ist keine zweitausend Jahre alt, aber das der christlichen Religion zugrundeliegende Prinzip ist ewig. Die Lehre Christi Jesu war einfach die im menschlichen Bewußtsein stattfindende Entfaltung der wesentlichen Idee von Gottes Einheit und Allheit, einer Idee, die in gewissem Maße zu allen Zeiten denen zuteil worden ist, die die nötige geistige Gesinnung hatten, um sie erfassen zu können. Moses und die Propheten zeichneten die Wahrheit auf, insoweit sie dieselbe verstanden. Später erklärte der Meister, er sei nicht gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzulösen, sondern sie zu erfüllen; d. h. er machte es sich zur Aufgabe, die geistige Idee weiter zu entfalten und die Wahrheit des Seins, welche andre nur von der Ferne gesehen hatten, der Menschheit klar darzulegen.
Das Christentum ist wissenschaftlich, weil es auf Wahrheit beruht, und alle seine Lehren stehen im Einklang mit seinem göttlichen Prinzip. Die Christian Science ist keine Erfindung, auch ist sie kein System, das sich aus den besten und den geistigsten Auffassungen in andern Religionslehren entwickelt hat. Sie ist nicht das Resultat eines vom Menschlichen ausgehenden und dem Göttlichen zustrebenden Wachstums. Die göttliche Idee war stets der Ausgangspunkt, und das Verständnis von der Christian Science und ihr Wachstum sind das Ergebnis der Anwendungen der göttlichen Idee auf menschliche Angelegenheiten und Zustände.
Die Wissenschaft des Christentums ist gleich bestehend und gleich ewig mit Wahrheit. Vom menschlichen Standpunkte aus gesehen ist die Christian Science (Christliche Wissenschaft) eine Entdeckung, und diese Entdeckung wurde von einer Person gemacht, die genügend vorbereitet war. Man hört zuweilen sagen, gewisse fundamentale Wahrheiten seien durch Zufall entdeckt worden. Nun mag es wahr sein, daß in vielen Fällen eine Verbindung von Umständen zu einer Entdeckung geführt hat. Ähnliche Zustände hatten jedoch ohne Zweifel vorher schon öfters bestanden, und es fehlte nur an einer Person, welche die Sachlage zu erkennen und deren Möglichkeiten zu schätzen vermochte. Das Fallen des Apfels hatte keine hohe Bedeutung, bis Newton in dem Vorfall mehr sah als andre. Als er das Gesetz der Schwerkraft entdeckte, wurde die Welt instand gesetzt, diese Entdeckung praktisch zu verwerten. Jahrhundertelang hatten die Menschen mit Furcht und Verwunderung den Blitz von einer Wolke zur andern fliegen sehen; aber erst ein Franklin sah in dieser Naturerscheinung mehr, als andre; erst durch seine Entdeckungen und seine Anregungen fing man an, das Wesen der Elektrizität zu erforschen und sich dieselbe dienstbar zu machen, so daß die Menschen jetzt vieles vollbringen können, was sie früher für unmöglich hielten. Und wir sind in Bezug auf die Anwendbarkeit der Elektrizität noch lange nicht am Ende.
Die Entdeckung
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Begründerin der Christian Science, war in intellektueller, moralischer und geistiger Hinsicht reich ausgestattet. Der Erfolg, den sie bei der Erfüllung ihrer Lebensaufgabe hatte, ist der Beweis, daß sie die nötige Befähigung besaß. Jedoch nicht nur ihre Befähigung war es, die sie zur Entdeckung der Christus-Methode des Heilens führte, sondern auch ihr Bedürfnis. Nachdem sie jahrelang leidend gewesen war, lernte sie durch Erfahrung, daß selbst dann Hoffnung ist, wenn alle materiellen Mittel fehlgeschlagen haben. Sie hatte alle ihr zu Gebote stehenden Heilmethoden versucht, ohne dauernd Erleichterung zu erlangen. Zwei mächtige Einflüsse waren in ihrem Leben wirksam. Sie hatte sich eingehend mit medizinischen Studien befaßt, und zwanzig Jahre lang suchte sie physische Wirkungen auf mentale Ursachen zurückzuführen. Andrerseits war sie der festen Überzeugung, daß Gott sie heilen könnte. Jedoch erst als alle materiellen Mittel versagt und die Ärzte ihr mitgeteilt hatten, daß keine Hoffnung für sie sei, war sie imstande, sich ganz und gar von dem Materiellen ab- und dem Geistigen zuzuwenden. Als sie diesen Punkt erreicht hatte, wurde sie geheilt.
Aber selbst dann verstand sie nicht, auf welche Weise ihre Heilung zustande gekommen war. Andre vor ihr waren durch innigen Glauben an die Liebe Gottes und die Erfüllung seiner Verheißungen geheilt worden; aber erst sie entdeckte das dem christlichen Heilen zugrundeliegende Prinzip. Sie trat in ein bisher unerforschtes Gebiet ein. Kein Mensch konnte ihr den Weg zeigen. Die Bibel war ihr Führer, der sie zu der Erkenntnis geleitete, wie sie geheilt worden war. Sie gab sich nicht mit ihrer eignen Heilung zufrieden, denn sie erkannte, daß ihr eine Kraft offenbart worden war, die denen, welche sie erfaßt haben, ungezählte Segnungen bringen. Ihre Freunde nannten ihre Heilung ein Wunder, eine dem Naturgesetz zuwiderlaufende Erfahrung; sie aber glaubte (und bewies es später), daß sie durch die natürliche Wirkung des Gesetzes Gottes geheilt worden war, und daß ein jeder dieses Gesetz verstehen lernen und demonstrieren kann.
Während der nächsten drei Jahre widmete sie sich eifrig diesem Werk. Sie erklärt mit Bezug hierauf: „Ich fand meinen Weg zu absoluten Folgerungen durch göttliche Offenbarung, Vernunft und Demonstration” („Science and Health“, S. 109). Die Bibel wurde ihr zu einem neuen Buch. Als sie dasselbe im Lichte ihrer wunderbaren Erfahrungen las, sprach es in einer neuen Zunge zu ihr. Die hohe geistige Bedeutung des Wortes Gottes wurde ihr nun klar, und sie erkannte, wie nie zuvor, die Güte, Liebe und Macht Gottes.
Das Textbuch
Mrs. Eddys größte Gabe an die Menschheit ist ihr Buch „Science and Health with Key to the Scriptures“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift). Dieses Buch wurde zuerst im Jahre 1875 veröffentlicht und später von Zeit zu Zeit sorgfältig revidiert, gemäß der Entfaltung der geistigen Idee im menschlichen Bewußtsein. Diese Revisionen wurden nicht etwa deshalb vorgenommen, weil man Fehler in früheren Ausgaben entdeckt hatte, sondern weil es der Verfasserin möglich war, die göttliche Idee derart in menschliche Sprache zu kleiden, daß die Schüler sie besser verstehen konnten. „Science and Health“ ist das einzige Textbuch der Christian Science. Nie hat die Absicht bestanden, dieses Buch an Stelle der Bibel treten zu lassen, und kein Christian Scientist hat dasselbe je als ein Substitut für die Bibel angesehen. Tatsächlich kann man es nur dann verstehen, wenn man es in Verbindung mit der Bibel liest. Der Christian Scientist weiß aus Erfahrung, daß „Science and Health“ der Schlüssel ist, welcher ihm die Schatzkammer der göttlichen Weisheit erschließt und ihm die Lehren des inspirierten Wortes praktisch anwendbar macht, so daß er sich selbst beweisen kann, daß die praktischen Resultate der Lehren der Propheten, des Meisters und der Apostel nicht der Vergangenheit angehören, sondern daß diese Lehren auch heute noch auf alle Angelegenheiten des Lebens anwendbar sind.
Was Mrs. Eddy für die Menschheit vollbracht hat und was ihre Werke für künftige Generationen vollbringen werden, davon haben wir heute bloß einen schwachen Begriff. Nur in dem Maße, wie die Christian Science verstanden und in die Tat umgesetzt wird, werden die Sterblichen befähigt, auch nur in geringem Maße zu verstehen, wie groß Mrs. Eddys Verständnis war und welch großen Erfolg sie gehabt hat. Wie von Paulus, so kann man auch von Mrs. Eddy sagen, daß sie einen guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet und Glauben gehalten hat.
Gott ist der alleinige Geist (Mind)
Eine jede Wissenschaft erfordert Gehorsam gegen das Gesetz. Keine Wissenschaft räumt Personen oder Anschauungen irgendwelche Zugeständnisse ein, denn sonst hätte sie kein Recht auf ihren Namen. Die Christian Science oder Christliche Wissenschaft erfordert Gehorsam gegen das erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.” Die sterbliche Unwissenheit in Bezug auf Gott ist an allem Mißklang und an allem Leiden auf Erden schuld. Die Christian Science ist die Axt, welche an die Wurzel des Baumes der falschen Annahme gelegt wird. Sie erklärt Gott in der rechten Weise. Das Übel wird in dem Maße überwunden, wie die wahre Idee von Gott erlangt und im menschlichen Leben ausgearbeitet wird. In der Christian Science lernen wir erkennen, daß selbst das, was vom menschlichen Standpunkte aus als die höchste Kundgebung des Seins erscheint, nur eine unechte Darstellung der einen Ursache und des einen Quells der Wirklichkeit ist. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß das, was die Sterblichen als Geist (mind) bezeichnen, Gott ist. Dieser sogenannte Geist ist nur ein endlicher, materieller Begriff vom göttlichen Geist. Er ist die fleischliche Gesinnung, von der Paulus sagt, sie sei „dem Gesetz Gottes nicht Untertan”. Diese fleischliche Gesinnung oder Gesinnung des Fleisches bezeichnet die Christian Science als sterblichen Geist (mortal mind).
Geist (Mind) ist nicht bloß ein Attribut Gottes. Die Einheit und Unendlichkeit Gottes umschließt die Einheit und Unendlichkeit des Geistes. Es gibt nur einen unendlichen, ewigen, immer gegenwärtigen Geist. Diese wissenschaftliche Erklärung ist die Basis der Lehre und Ausübung der Christlichen Wissenschaft. In dem Maße, wie die Welt verstehen lernt, daß Gott Geist ist, wird sie demonstrieren lernen, daß Geist Macht hat, die Mißklänge und das Leiden auf Erden zu heilen. Die Menschen werden dann kein Verlangen mehr haben, sich an irgendeine geringere Macht zu wenden.
Die grundlegende Lehre, daß Gott der alleinige Geist ist, bahnt den Weg zu einem vollständigen Sieg über das Böse. Es gibt keine Macht außer der des Geistes; daher lehrt die Christian Science, daß Gott Allmacht ist. Es gibt keine Intelligenz außer der des Geistes; daher die Erklärung, daß Gott der Allweise, der Allsehende und der Allwissende ist. Es gibt keine Tätigkeit außer der des Geistes; daher die Folgerung, daß Gott der Alltätige ist.
Die Übel, welche die vermeintliche Wesenheit des sterblichen Geistes oder der sterblichen Gesinnung ausmachen, haben keinen Raum im göttlichen Geist. In dem Bewußtsein des einen Geistes, welcher alle Wirklichkeit umschließt, gibt es keinen Zank und Streit, keinen Widerstand, keine Meinungsverschiedenheit, keinen Neid und Haß, keine Eifersucht. Die Christian Science demonstriert diese Einheit und Allheit des Geistes. Auf dieser Basis werden die Kranken geheilt und die Sünder umgewandelt. Auf dieser Basis lernen die Menschen das Wesen Gottes kennen und haben dann Frieden.
Die Erklärung, daß Gott Geist (Mind) ist, gibt uns einen bestimmten Begriff vom höchsten Wesen. Wenn man unentwegt an der Behauptung festhält, daß Gott göttliches Prinzip, daß Er Leben, Wahrheit und Liebe ist, so entfaltet das die geistige Idee und stärkt den Glauben an die ewige Wirklichkeit und Macht des Guten.
Ursache und Wirkung
Folgert man von der Wirkung auf die Ursache zurück, so irrt man sich leicht, besonders wenn man die Wirkung nicht versteht, oder wenn man von einem falschen Standpunkte aus folgert. Die Sterblichen haben die materielle Auffassung von der Schöpfung als die Wahrheit des Seins angenommen, und diese Auffassung war der Ausgangspunkt bei ihrem Streben, ein Verständnis von Gott zu erlangen. Es ist offenbar, daß die Wirkung in gewissem Maße das Wesen der Ursache kundtun muß. Wer also die materielle Auffassung von den Dingen für wahr hält, der wird naturgemäß die materielle Auffassung von der Ursache für wahr halten.
Die Christian Science fängt mit Ursache an. Sie lehrt die wahre Idee von Gott und folgert von der Ursache auf die Wirkung. Die menschliche Auffassung vom Menschen und vom Weltall ist ebenso unrichtig, wie die menschliche Auffassung von Gott. Der Sucher nach Wahrheit muß werden wie ein Kind. Er muß die wahre Idee von Gott erlangen. Erst dann kann er die Schöpfung richtig sehen. Wenn er über Gott richtig denken lernt, beginnt er die Lehre der Heiligen Schrift richtig zu verstehen, daß der Mensch nach dem Bilde Gottes erschaffen ist; er sieht ein, daß der Mensch nichts Geringeres sein kann, als das Bildnis und Gleichnis Gottes.
Der Mensch hat unabhängig von Gott keine Existenz. Gott ist sein Geist (Mind), sein Leben, ja die wahre Substanz seines Seins. Alles, was der Mensch ist oder zu werden vermag, ist das Werk des Geistes. Die Übel, welche einen großen Teil der sterblichen Existenz des Menschen bilden, haben nichts gemein mit der geistigen Identität des Menschen, und diese geistige Identität ist die einzige Wirklichkeit seines Seins. Die Übel der sterblichen Existenz gehören dem sterblichen Menschen oder der sterblichen Auffassung vom Menschen an, welche, wie Paulus sagt, ausgezogen werden muß.
Das Überwinden des Übels
Es wird allgemein angenommen, daß es ein wirksames Mittel gegen die Sünde gibt. Die Christian Science demonstriert, daß die Macht, welche Sünde zerstört, heute ebensowohl die Kranken heilen kann, als zur Zeit, da das Evangelium zuerst in Judäa gepredigt wurde. Die Menschen werden durch das Verständnis der Einheit und Allheit Gottes in mentaler, moralischer und physischer Hinsicht gebessert.
Das Problem des Übels ist eines der größten Probleme im menschlichen Leben. Die schärfsten Denker aller Zeiten haben versucht es zu lösen. Die Christian Science bietet eine Lösung, welche nicht mit der allgemeinen Auffassung übereinstimmt. Sie lehrt jedoch die Sterblichen nicht, daß sie das Übel ignorieren sollen, wie zuweilen angenommen wird. Ein Mensch, der die wahre Idee dieser Wissenschaft erfaßt hat, erkennt klarer denn je zuvor, wie notwendig es ist, das Übel als Übel zu erkennen und den Sieg über dasselbe zu erringen. Seine Auffassung vom Übel ist eine andre als früher. Er erkennt, daß er deshalb das Übel besser bemeistern kann, weil er eine bessere Auffassung vom Guten gewonnen hat.
In der Christian Science wird das Wort Irrtum als ein Synonym für das Wort Übel gebraucht; d. h. das Übel ist der Irrtum und der Irrtum ist ein Übel. Ein Irrtum ist nie das, was er zu sein behauptet. Die einzige Macht, die das Übel hat oder je haben kann, ist der Tatsache zuzuschreiben, daß das Übel nicht als das erkannt wird, was es in Wirklichkeit ist, sondern daß es als das angesehen wird, was es zu sein scheint. Wenn man dem Irrtum beistimmt, so ist das nicht die richtige Art und Weise es zu überwinden. Das Übel wird nur dadurch überwunden, daß man ihm jederzeit widersteht.
Die Christian Science lehrt, daß Gott, das eine, unendliche Gute, allmächtig, ja die alleinige Macht ist. Diese unendliche Allmacht ist die alleinige Ursache, der alleinige Schöpfer. Wenn dies wahr ist, so kann man in Bezug auf das Übel nur zu einer Folgerung gelangen, nämlich, daß das Übel nicht das ist, was es zu sein scheint, und daß es in Wirklichkeit nicht die Macht besitzt, die ihm die Sterblichen in ihrer Unwissenheit zugeschrieben haben. Die sterbliche Annahme bildet die einzige Wirklichkeit und Macht des Übels, und diese Annahme vom Übel muß dem Verständnis von der Allheit des Guten Raum geben.
Der sterbliche Mensch ist deshalb in der Knechtschaft des Übels, weil er eine falsche Auffassung vom Übel hat. Er hält es für das, was es zu sein vorgibt, anstatt es seiner Verkleidung zu berauben und es im wahren Liebte zu besehen. Das Übel ist Irrtum, und Irrtum ist nie das Ergebnis des Verständnisses. Nur Unwissenheit oder Mangel an Verständnis macht den Irrtum möglich. Wie gelangt der Irrtum zur Macht? Nur dadurch, daß man ihn für wirklich hält — in keiner andern Weise. Der Weg, der aus dem Irrtum herausführt, ist dem Weg entgegengesetzt, der in den Irrtum hineinführt. Wenn der sterbliche Mensch vom Übel als von einer Wesenheit denkt und spricht, und wenn er für dessen Wirklichkeit und Macht eintritt, so bewirkt er weder seine eigne Befreiung noch die seiner Mitmenschen.
Der mentale Vorgang, der den Menschen in den Irrtum führt, muß umgekehrt werden. Die Anmaßungen des Irrtums müssen als falsche Annahmen erkannt und ihre Falschheit muß demonstriert werden. Der Irrtum ist nicht eine Eigenschaft oder ein Zustand des göttlichen Geistes (Mind); er ist der sterbliche Geist oder die sterbliche Gesinnung und hat nicht mehr Macht, als man ihm zugesteht. Nur in dem Verhältnis, wie man das Verständnis erlangt, daß Gott der alleinige Geist ist, kann man den Irrtum (das Übel) in verständnisvoller Weise verneinen und den Sieg über denselben davontragen.
Die Christian Science klassifiziert Sünde sowohl wie Krankheit als Irrtum. Sie sind kein Teil der Schöpfung Gottes und haben keinen Raum im wahren Bewußtsein des Seins. Wahrheit ist das Mittel gegen jeden Irrtum. Krankheit wie Sünde. Die Annahme, daß Unrechttun Genuß oder Gewinn bringen kann, ist die Basis der Sünde. Der Glaube an die Wirklichkeit von Krankheit und Leiden ist ebenfalls ein Irrtum, und diese Annahme erzeugt die Furcht vor Krankheit. Falsche Annahme und Furcht sind also die Ursache von physischer Disharmonie.
Es wird allgemein angenommen, Krankheit und Schmerz sei die Folge der Übertretung eines Gesetzes. Ferner herrscht die Annahme, daß es materielle Gesundheitsgesetze gebe, die, wenn man sie verstehe und ihnen gehorche, ein Schutz gegen herannahende Krankheit seien. Die Christian Science lehrt, daß es geistige Gesetze gibt, welche Krankheiten heilen und dieselben verhüten. Diese Gesetze kann man verstehen lernen, auch vermag man ihnen zu gehorchen. Das geistige Gesetz bringt Gott zum Ausdruck und nichts andres. Ein sogenanntes Gesetz, welches auf der Voraussetzung beruht, daß es unabhängig von Gott einen Geist, eine Macht, eine Ursache oder einen Schöpfer gebe, ist nicht das Gesetz des göttlichen Geistes (Mind). Weder Sünde noch Krankheit ist eine Kundgebung des unveränderlichen Gesetzes des Geistes. Gehorsam gegen das Gesetz Gottes bessert des Menschen Gesundheit sowohl wie seine Gesinnung.
Es gibt nicht zwei Gesetze: eines für den kranken und eines für den sündigen Menschen. Nur ein Gesetz besteht, und der Kranke sowohl wie der Sünder muß demselben gehorchen. Was auch immer die menschliche Notdurft sein möge: das Gesetz Gottes wird sie befriedigen, denn Gott ist das unendliche Gute und „wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen”— denen, die dem göttlichen Gesetz gehorchen. Das Gesetz Gottes kann nicht wirkungslos gemacht werden; man muß es jedoch verstehen und muß demselben gehorchen. Ungehorsam verursacht Mißklang und Leiden, der ewige Lohn des Gehorsams hingegen Leben und Harmonie. Paulus erklärte: „Das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.”
Das Gebet
Die Christian Science lehrt unbedingtes Vertrauen auf Gott und stärkt des Menschen Glauben an die Macht und Wirksamkeit des Gebetes. Gottes Gesetz ist stets wirksam, und es gibt keine Macht, die es null und nichtig machen kann. Das Gebet des geistigen Verständnisses bringt den Menschen in Harmonie mit den bestehenden göttlichen Gesetzen, und in dem Grade, wie das Gesetz Gottes im menschlichen Bewußtsein herrscht, schwindet die Empfindung von Krankheit und Leiden wie auch die Empfindung von Sünde. Die Christian Science demonstriert die Tatsache, daß der Mensch durch den Gehorsam gegen das Gesetz Gottes in jeder Hinsicht umgestaltet wird.
Das Gesetz des göttlichen Geistes (Mind), nicht ein Gesetz der Materie, ist es, welches das Gute beschränkt und dem Übel Vorschub leistet. Nur durch geistige Erleuchtung kann man das Gesetz Gottes verstehen und demselben gehorchen lernen. Das wahre Gebet ist ein Gebet des Herzens; die Lippen können es nicht zum Ausdruck bringen. Wenn das Tun und Handeln eines Menschen die Aufrichtigkeit seines Verlangens nach dem Guten bestätigt, dann bete er „ohne Unterlaß”, und er wird die innere Gewißheit erlangen, daß Gott stets bei ihm ist. Er wird dann einsehen lernen, wenn auch zuerst nur in geringem Maße, daß Gott jetzt und immerdar das unendliche Gute ist und daß das Übel in Wirklichkeit keinen Raum einnimmt und keine Macht hat. Diese Erkenntnis gibt ihm den Sieg über das Übel. Er lernt aus Erfahrung, daß die Macht, die ihn von der Sünde erlöst, auch seine körperlichen Gebrechen heilen kann.
Die demonstrierte Wahrheit
Die Annahme, daß die Sterblichen allein durch die Werke dessen, der mit Recht „der Erlöser der Welt” genannt wird, vom Übel befreit werden können, hat die Menschheit verhindert einzusehen, daß alle Christen die Werke tun müssen, die er tat. Jesus sagte: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger”. Wie kann ein Mensch an der Rede Jesu bleiben, wenn er nicht das Gelernte in die Tat umsetzt? Die Wahrheit ist demonstrierbar, und die Erkenntnis der Wahrheit kann nur durch Demonstration erlangt werden. Als der Meister seine Jünger aussandte, gebot er ihnen zu predigen und zu heilen, und als er von ihnen Abschied nahm, sagte er, sie sollten alle Völker zu seinen Jüngern machen und sie halten lehren alles, was er ihnen zu tun geboten hatte. Die Jünger konnten ihren großen Lehrer erst dann verstehen, als sie das, was er sie gelehrt hatte, ausübten. Offenbar sollten sie lehren, daß ein jeder Mensch seinen Glauben durch seine Werke beweisen muß, ebenso wie sie selbst den Beweis ihres eignen Verständnisses liefern mußten.
Der Schüler der Christian Science hat reichlich Gelegenheit, das, was er gelernt hat, zu demonstrieren, und es wird von ihm verlangt, daß er dies tue. In keiner andern Weise kann er sich eine praktische Kenntnis von dieser Wissenschaft aneignen. Erst durch Erfahrung gelangt er zu der festen Überzeugung, daß die Wahrheit, wie der Meister sie lehrte und demonstrierte, in der Tat frei macht.
Copyright, 1912, by The Christian Science Publishing Society
Verlagsrecht, 1912, von The Christian Science Publishing Society