Der Widerstand des fleischlichen Sinnes gegen die Idee der geistigen Vollkommenheit beweist, daß dieser sogenannte Sinn aus Elementen besteht, die dem Geistigen wesensfremd sind. Daher die Ermahnung des Apostels: „Verändert euch durch die Erneuerung eures Sinnes, auf daß ihr prüfen möget, welches da sei der gute, wohlgefällige und vollkommene Gotteswille.”
Der erste Schritt in dieser mentalen Umwandlung besteht im Aufgeben unvollkommener „Gedanken-Vorbilder” (siehe „Science and Health“, S. 259) und im Ersetzen derselben durch vollkommene. Es ist die Mission der Christian Science, der Welt solche Vorbilder zu geben. Wer diese Wissenschaft verwirft, bekundet damit nur seinen Unglauben hinsichtlich geistiger Vollkommenheit. Der Befehl Jesu, vollkommen zu sein, gleichwie der Vater im Himmel vollkommen ist, besitzt für ihn keinen praktischen Wert, und er behauptet mit aller Bestimmtheit, Vollkommenheit sei in der gegenwärtigen Welt für ihn nicht erreichbar. Was die Zukunft ihm auch Schönes vorbehalten möge, betreffe das jenseitige Leben, stehe aber im gegenwärtigen nicht zu erwarten. Mit andern Worten: er vermag des Menschen Einheit mit Gott nicht zu erfassen. Dieser mentale Mangel verhindert ihn, die Notwendigkeit richtiger Gedanken-Vorbilder zu erkennen, und so begnügt er sich mit der Betrachtung der Unvollkommenheiten und Nachbildungen des materiellen Sinnes.
Es ist sonderbar, daß ein sogenanntes intelligentes menschliches Wesen stolz darauf sein sollte, sich mit den unzähligen Formen des Übels zu identifizieren, die doch, der eignen Annahme zufolge, nicht im göttlichen Geist bestehen; daß ein Mensch Gefallen daran finden kann, seinen Glauben an das Übel zu vergrößern und das Gute und dessen Vollkommenheiten in das Reich des Unfaßbaren oder gar des Unwirklichen zu verweisen! Ist dies nicht ein Beweis dafür, daß Gott, der Vollkommene, seine Gedanken nicht erfüllt? Viele geben vor an Gott zu glauben, und verwerfen dennoch die Christian Science, die sich auf geistige Vollkommenheit, Gutheit und Macht gründet. Natürlich ist es nur ihre eigne Auffassung von derselben, die sie verwerfen. Indem sie sich so selber im Lichte stehen, wenden sie sich von dem göttlichen Prinzip der Vollkommenheit ab, dessen Annahme sie in das Himmelreich auf Erden führen würde. Durch geistige Umwandlung allein kann dies Wirrwarr menschlichen Unglaubens gegenüber dem Guten, Reinen und Vollkommenen beseitigt werden: nur so kann des Menschen Individualität durch ein vernunftgemäßes, teilnehmendes Anerkennen und Annehmen alles dessen, was zur Vollkommenheit dient, zum Ausdruck kommen.
Jeder verständige und logisch denkende Mensch wird zugeben, daß die Betrachtung unreiner und unvollkommener Dinge unweigerlich zu ungünstigen moralischen und Physischen Zuständen führt. Die menschlichen Eltern, die ihr Kind vor der Betrachtung unsittlicher Bilder oder dem Lesen unzüchtiger Schriften warnen, kennen die Wirkung falschen Denkens sehr wohl. Sie kennen die Gefahr der mentalen Verunreinigung und halten ihr Kind von dem Verkehr mit unrein Denkenden ab. Sie warnen es vor schlechtem Umgang überhaupt, in Übereinstimmung mit ihrer Auffassung vom Übel. Leider aber haben sie die volle Bedeutung des Begriffes Übel nicht erfaßt und sind daher nicht in der Lage gewesen, dem Kinde unbefleckte oder geistig vollkommene Musterbilder vorzuhalten. Ihre Bestrebungen zur Gestaltung und Entwicklung des menschlichen Charakters fallen fast ausschließlich in das Gebiet der materiellen Lebensanschauung. Selten ist auf geistige, bereits für das gegenwärtige Denken und Handeln geltende Vorbilder hingewiesen worden. An der Idee eines vollkommenen Gottes hat man wohl in der Theorie festgehalten, doch ist der vermeintlich vollkommene Mensch oder Mustermensch, an den die Welt geglaubt hat und den sie trotz der unzähligen ihm anhaftenden Mängel als Ideal aufrecht zu erhalten bestrebt gewesen ist, von dem geistigen Ebenbild und Gleichnis eines vollkommenen Schöpfers nur zu weit entfernt gewesen.
So kam es, daß man das Christus-Musterbild eines vollkommenen Gottes und eines vollkommenen, in Seinem Ebenbild und Gleichnis geschaffenen Menschen völlig aus den Augen verlor und dasselbe durch ein unvollkommenes, sterbliches Gebilde zu ersetzen suchte. Durch diese offene Tür ist das Übel in jeder Form — als Sünde, Krankheit und Tod — eingetreten. Die Christian Science kommt nun, um sie zu schließen und der Menschheit die wahre Bedeutung des Gebets zu offenbaren. Jedem, der sich einen Christen nennt, macht sie es klar, daß er seinem Denken nicht erlauben darf, mit dem Sinnenzeugnis übereinzustimmen, weil ein solcher Gedankenzustand jegliche Gemeinschaft mit dem Gott der Vollkommenheit ausschließt. Er kann nicht nach einem materiellen Mittel telephonieren und zu gleicher Zeit erwarten, daß ein allmächtiger Gott seine Bitte erhören werde. Um mit dem Verständnis von des Menschen vollkommener Beziehung zu Gott beten zu können, muß er die Notwendigkeit erkennen, über dem Niveau der körperlichen Sinne zu leben und sein Denken über dasselbe zu erheben. Wer dem entgegen handelt, glaubt an den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, welcher ihm der Heiligen Schrift zufolge nicht Leben bringt, sondern Tod. Geistig vollkommene Gedanken-Vorbilder müssen seine steten Begleiter sein, wenn er den Himmel, die Vollkommenheit des Seins, dereinst erreichen will. Unvollkommene Muster weisen nach der entgegengesetzten Richtung.
Durch vollkommene Gedankenbilder ist noch kein Menschenherz mit Furcht erfüllt worden, während alles Unglück und Elend, von dem die Sterblichen befallen werden, direkt auf unvollkommene Gedankenbilder zurückzuführen ist. Das Bild der Krankheit hat Millionen von Menschen in Schrecken versetzt und in die Tiefen des Leidens und der Verzweiflung gestoßen. Die verlockenden Gedankenbilder der Sünde und Sinnlichkeit sind der Antrieb zu den schwärzesten Taten gewesen, von denen die Geschichte berichtet. Sollen nun die Christian Scientisten gesteinigt werden, weil sie auf die einzige Möglichkeit hinweisen, solchem Übel zu entrinnen?
Auf Seite 248 von „Science and Health“ sagt Mrs. Eddy: „Um hier Abhilfe zu schaffen, müssen wir zuallererst nach der rechten Richtung blicken und in dieser Richtung wandeln. Wir müssen vollkommene Muster im Gedanken bilden und dieselben immerfort betrachten, wenn wir sie durch ein erhabenes und edles Leben zum Ausdruck bringen wollen.” Das unaufhörliche Gebet, durch welches der Mensch sich vom Sinnenzeugnis abwenden lernt, schließt die Betrachtung vollkommener Gedanken-Vorbilder in sich. Die Christian Science wird fortfahren, diese Ideale der Welt vor Augen zu führen, bis „alle Knie gebeuget werden” und „alle Zungen ... bekennen”, daß Gott und Seine Ideen die einzige Wirklichkeit und Vollkommenheit des Seins ausmachen. Die Demonstration des christlichen Heilens gründet sich auf ein geistiges oder richtiges Verständnis von der Vollkommenheit, und aller Widerstand gegen diese Kundgebung des „Gott mit uns” wird der Vergangenheit angehören, wenn erst die ganze Menschheit die geistigen Ideale anerkannt und die Unvollkommenheiten und Disharmonien des körperlichen Sinnes aus dein Denken und Handeln entfernt hat.
Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
Auf Erden hier;
Wie Schatten auf den Wogen schweben
Und schwinden wir,
Und messen unsre trägen Schritte
Nach Raum und Zeit
Und sind, und wissen’s nicht, in Mitte
Der Ewigkeit.