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Beschränkung

Aus der Februar 1913-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ob wir den Aufgaben und Schwierigkeiten unsrer menschlichen Erfahrung gegenüber Mut oder Furcht, Vertrauen oder Zweifel an den Tag legen, wird zum großen Teil durch unsre Anschauung von den Dingen um her bedingt. Es ist somit von der größten Wichtigkeit, daß wir beim Ausarbeiten unsres Problems den richtigen Gesichtspunkt einnehmen. Als Elisa im Dothan von den Assyrern bedrängt wurde, wußte er, daß die himmlischen Wagen und Reiter ihn umringten und er somit unter dem Schutze Gottes stand. Deshalb konnten ihn die zahlreichen Feinde nicht erschrecken. Sein Diener dagegen, der nur die materielle Seite, nur seine und seines Meisters scheinbare Hilflosigkeit und die sie umringende feindliche Schar sah, war voll Furcht. Als ihn aber der Prophet die Sache vom geistigen Gesichtspunkt aus sehen ließ, und er sich der Gegenwart Gottes bewußt wurde, verschwand seine Angst vor dem drohenden Übel.

Wir sind alle zu sehr dazu geneigt, uns von dem Schein der Dinge beeinflussen zu lassen und so die Stärke einer Bewegung nach der Anzahl ihrer Anhänger zu bemessen, weil wir nicht bedenken, daß einer allein auf Gottes Seite die Majorität bildet. Selbst die Jünger Jesu wurden durch die materielle Augenscheinlichkeit getäuscht, als sie die Brote und Fische zählten und zu dem Meister sagten: „Was ist das unter so viele?” Sie sahen die Dinge von dem Gesichtspunkte der begrenzten Sinne aus, nicht von dem der Unendlichkeit, und deshalb erkannten sie nicht, wie Jesus es erkannte, daß Gottes geistiger Reichtum, die Substanz des Gemüts, zur Hand war. Ferner trieb nicht göttliche Weisheit die Israeliten dazu an, das Volk zu zählen, sondern ihr Vertrauen auf materielle Stärke. Je größer die Zahl ihrer Krieger war, desto geringer erschien ihnen die Notwendigkeit, ihr Vertrauen aus Gott zu setzen. Es ist eine sich selbst strafende Sünde, wenn man sich wegen seiner Stärke und seines Schutzes auf das Menschliche und Persönliche verläßt, anstatt auf den göttlichen Quell des Guten.

Weil der persönliche Sinn das Wesen und die Hilfsquellen des Seins nicht erkennt, beschränkt er sich nach allen Richtungen hin. Der Schüler ist zu leicht geneigt, die Dinge vom menschlichen Gesichtspunkt aus zu betrachten. Er sieht nur seine Mängel, und fürchtet daher, sein Verständnis sei zu gering, als daß er seine Probleme ausarbeiten oder den Anforderungen der Wahrheit genügen könne. Wenn an einem Ort die christlichen Arbeiter auf ihre geringe Zahl und auf die scheinbare Größe ihrer Aufgabe sehen, so entfällt ihnen zuweilen der Mut, und sie wagen es nicht so recht, im Vertrauen auf Gottes unfehlbare Fürsorge voranzugehen. Beständig tritt die Versuchung an sie heran, auf Persönlichkeit anstatt auf das unendliche göttliche Prinzip zu sehen, welches sowohl die größten wie die kleinsten Bedürfnisse Seiner Ideen befriedigt. Dieses Abwenden vom Prinzip zur Persönlichkeit ist der Irrtum, der das Erkennen der unbegrenzten Möglichkeiten und der Versorgung des Menschen verhindert.

Gott ist mit den Wenigen ebensowohl wie mit den Vielen, mit dem Einzelnen ebensowohl wie mit Tausenden. Ob nun der Schüler allein vorwärtsstrebt, oder ob er von einer Schar von Mitpilgern begleitet ist — er hat immer mit sich selbst zu arbeiten. „Der Christliche Wissenschafter”, schreibt Mrs. Eddy, „ist allein mit seinem eignen Ich und mit der Wirklichkeit des Seins” („Message 1901“, S. 20). Ein jeder muß daher sein Einssein und seinen göttlichen Ursprung demonstrieren. Weder der Gatte, noch die Gattin, noch der intimste Freund kann diese Arbeit für einen tun. Es ist gewiß angenehm, wenn Schüler das Vorrecht genießen, harmonisch nebeneinander zu arbeiten, sich zum Wohl der Allgemeinheit zusammenzutun und mit vereinten Kräften gegen das Übel zu kämpfen. Deshalb ist aber der einsame Arbeiter wegen seiner Einsamkeit nicht weniger gesegnet, denn des Schülers Arbeit als Einzelner bringt ihm die wahre Freude, und Liebe belohnt die Arbeit des Einzelnen ohne Rücksicht auf seine Stellung oder Umgebung. Alle, die dem Prinzip der Christlichen Wissenschaft treu ergeben sind, sind im Geiste vereint, mögen sie auch als Personen getrennt sein. Gerade die Einheit in der Pflichttreue, die Einheit des Strebens ist für den Einzelnen wie für die Sache im allgemeinen von der höchsten Bedeutung.

Wenn wir Intelligenz, Gesundheit oder Kraft beschränken, so heißt das Gott beschränken wollen, der allein ihr Ursprung ist. Wenn wir unsre Fähigkeiten beschränken, so beschränken wir, der Annahme nach, den Schöpfer, der den Menschen aus dem Reichtum Seines eignen Wesens ausrüstet. Wenn wir Mangel an Güte oder Liebe zugeben, so erklären wir dadurch, daß Gott beschränkt und unvollkommen sei, denn Er hat den Menschen nach Seinem Bilde gemacht. Anstatt die materielle Augenscheinlichkeit zuzugeben, sollten wir erkennen lernen, daß Gottes Kinder von Tag zu Tag das haben, was sie bedürfen. Nicht durch Menschenweisheit oder durch Menschenmacht, sondern durch den Geist Gottes geschieht alles Rechte und wird alles Gute bewirkt; und da Geist, Gott, überall ist, so steht einem jeden die Fähigkeit zu Gebote, seine Arbeit zu verrichten und gerecht und wahr zu sein. Sei es ein alleinstehender Schüler, eine kleine Kirche, oder eine große Bewegung — es fehlt auf dem Wege nie an Licht, wenn die Lampen gefüllt erhalten werden, nie an Stärke zur Arbeit, wenn man sich rückhaltlos auf Gott verläßt, nie an Gnade, wenn das Herz zum Lieben bereit ist.

Wir begehen zuweilen den Fehler, das materiell Sichtbare als unsre Versorgung anzusehen und demgemäß den Gedanken zu beschränken, anstatt uns auf den unsichtbaren Quell des Guten zu verlassen. Man urteile nicht nach dem geringen Maß, das man erhält, sondern nach dem Reichtum, dem es entstammt. Daß wir nicht mehr erhalten, beruht nicht auf einem Mangel an Versorgung, sondern auf einem Mangel an Empfänglichkeit. Wir bemessen unsern Vorrat an Wasser nicht nach der Quantität, die aus dem Hahn fließt, sondern nach der Quantität in dem See, der die Röhren speist. Ebensowenig dürfen wir unsern Vorrat in irgendeiner andern Richtung auf das den materiellen Sinnen Sichtbare beschränken, und erklären, wir litten Mangel, wenn wir gerade keinen großen Vorrat sehen. Vielmehr müssen wir unsre Gedanken auf den „offenen Quell” richten, „aus dem schon mehr hervorströmt als wir entgegennehmen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 2).

Was die Bedürfnisse des einen befriedigt, befriedigt die Bedürfnisse aller, denn Versorgung wird nicht nach der Zahl der Menschen bemessen, sondern nach dem bestehenden Bedürfnis, nicht nach des Menschen Wunsch, sondern nach seiner Empfänglichkeit. Für zwei oder drei, die versammelt sind in Seinem Namen, ist Gott ebensowohl allmächtig als für die Menge, und eine kleine Zahl leistet verhältnismäßig ebensoviel und oft mehr, als die große Zahl. Die kleine Schar von Schülern, die liebevoll und einheitlich arbeitet, und die bei ihrem Bestreben, das Reich Christi im menschlichen Bewußtsein zu errichten, eines Sinnes ist, wirkt mehr Gutes und trägt mehr zum Wachstum der Sache der Christlichen Wissenschaft bei, als die zahlreiche Gemeinschaft, deren Mitglieder sich von ihren eignen Interessen leiten lassen, und die so ihre Aufmerksamkeit von dem von der Christlichen Wissenschaft dargelegten Christus-Ideal abwenden.

Wir müssen uns bewußt werden, daß es nichts in dem menschlichen, materiellen Begriff von den Dingen gibt, was das Geistige und Göttliche ersetzen, nichts im Persönlichen, was die Stelle vom Prinzip einnehmen kann. Die Sterblichen müssen über den begrenzten Begriff von den Dingen hinaussehen und demselben entwachsen, ehe sie imstande sind, die geistige Wirklichkeit und die Harmonie des unsterblichen Seins zu erfassen. Der fleischliche Sinn behauptet stets, daß das richtige Denken beschränkt sei. Darauf darf jedoch der Schüler, der richtig denken lernen will, nicht horchen, noch weniger darf er diesen Einflüsterungen beistimmen. Das Gute ist niemals beschränkt und endlich, sondern stets unendlich. Nur von diesem Gesichtspunkt aus können wir richtig denken. Da der Mensch, wie Wissenschaft und Gesundheit lehrt, Gottes Widerspiegelung ist, so kann es ihm an keinem Guten mangeln. Diese grundlegende Wahrheit müssen wir erfassen und auf die Einzelheiten des täglichen Lebens anwenden, wenn wir, wie der Psalmist, die herrliche Gewißheit erlangen wollen, daß die göttliche Liebe vor uns einen Tisch gegen unsre Feinde bereitet.

Gott befahl den Israeliten zu „ziehen”, obschon das scheinbar unpassierbare Rote Meer vor ihnen lag. Dieser Befehl gilt allen, die von dem sterblichen Begriff der Dinge zum geistigen Begriff wandern; und denen, die gehorsam sind, öffnet die göttliche Liebe eine freie Bahn. Daniel kam in den Löwengraben, die drei ebräischen Männer in den feurigen Ofen, und Jesus lag sogar drei Tage im Grabe. In allen diesen Fällen war den menschlichen Sinnen gemäß kein Entrinnen. Wenn also die Christlichen Wissenschafter ihrem Glauben an die Allmacht Gottes treu bleiben wollen, so können sie nicht anders als unentwegt in ihrer Arbeit fortfahren. Sie müssen die Einflüsterungen und Ratschläge der persönlichen Sinne zurückweisen und sich durch die Hindernisse und Beschränkungen, die ihnen diese Sinne vorspiegeln wollen, nicht abschrecken lassen. Das Gefühl der Beschränkung ist das Schiboleth des Übels, das Losungswort der sogenannten materiellen Sinne. Es möchte den ängstlichen Pilger erschrecken und seine Aufmerksamkeit von seinem Ziel abwenden. Beschränkung ist nicht die Wahrheit, sondern der Irrtum in bezug auf Gott und den Menschen. Zur Erkenntnis dieser Tatsache müssen die Christen voranschreiten. Sie müssen sich bewußt werden, daß sie „Erben Gottes” sind.

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