Im zehnten und elften Vers des zwölften Kapitels der Offenbarung gibt uns der Apostel Johannes eine Darlegung der den Christen zuteilgewordenen Erleuchtung, ihrer Kämpfe und ihres geistigen Sieges — eine Darlegung, die nicht nur kurz und bündig, sondern auch durchaus wissenschaftlich ist. Je öfter und aufmerksamer man diese Worte liest, desto tieferen Eindruck macht die Erklärung des Apostels, daß seine Erkenntnis ihm gleichsam durch eine Stimme vom Himmel zuteil worden sei. Er sagt unter anderm, die Heiligen hätten „durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses” gesiegt — d. h. durch ihren christusgleichen Lebenswandel. Auf diese Bedingung zur Erlangung der Seligkeit hat uns Mrs. Eddy oft und ernstlich hingewiesen.
Die Welt beobachtet uns und erwartet von uns einen tadellosen Lebenswandel. Dazu ist sie vollkommen berechtigt in Anbetracht unsrer Behauptung, daß man die hohen Ideale des Christentums im Alltagsleben betätigen könne. Wer diese Erwartungen täuscht, macht sich des Vergehens schuldig, auf das Paulus hinweist, wenn er von denen spricht, „die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten”, und die wohl wissen, „daß ein Gott ist”, Ihn aber nicht verherrlichen, wodurch sie „Gottes Wahrheit haben verwandelt in die Lüge”.
Wenn von Zeugnissen die Rede ist, so denken Christliche Wissenschafter unwillkürlich an die Mittwochabend-Versammlungen. Eine derartige Zeugnisabgabe ist gewiß von großer Wichtigkeit. Wir sehen dies umsomehr ein, je öfter wir daran denken, wie viele Menschen durch das Erzählen von Demonstrationen des praktischen Wertes der Christlichen Wissenschaft und durch Dankesbezeugungen für diese Segnungen ermutigt worden sind und alsdann die Heilung und geistige Erleuchtung erhalten haben, nach der sie sich viele leidensvolle Jahre hindurch gesehnt hatten. Durch diese Art der Zeugnisabgabe hat aber der Christliche Wissenschafter noch lange nicht seine volle Pflicht als ein treuer Zeuge Christi, der Wahrheit, erfüllt. Die Welt sucht heute noch ebenso ernstlich nach ehrlichen Menschen, wie jener berühmte griechische Zyniker vor alters. Sie sieht sich in den Geschäftskreisen fortwährend nach Leuten um, deren Rechtschaffenheit echter Art ist und auf deren Ehrlichkeit man sich unbedingt verlassen kann. Wenn wir nun als Christliche Wissenschafter den Maßstab, nach dem sich die Geschäftswelt richtet, nicht erhöhen, so mißachten wir gewiß unser Vorrecht und unser Bekenntnis. „Laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.” So lautet die Vorschrift, die zu befolgen wir uns verpflichtet haben. Der Geschäftsmann, der ein wahrer Christlicher Wissenschafter ist, wird also stets darauf bedacht sein, in der Geschäftswelt sein Licht leuchten zu lassen.
Dieselbe Verantwortung haben wir alle, was auch unsre Beschäftigung sei. Wir sind dazu berufen, „ein heilig Volk” zu sein. Vergessen wir dies, und wäre es auch nur für eine Stunde, so tun wir leicht einen Fehltritt, der dann von den Dächern verkündigt wird. Die belebende Wahrheit der Christlichen Wissenschaft dringt in das menschliche Bewußtsein ein und bewirkt in demselben eine Aufwallung, die zwar ungewöhnlich aber heilsam ist. Gar manche Schicht versteckter Eigenliebe, Selbstsucht und Sinnlichkeit wird auf solche Weise an die Oberfläche befördert. Wenn nun diese Unreinheiten nicht durch die Ströme eines stets sich erweiternden geistigen Lebens weggeschwemmt werden, so erzeugen sie all die Irrtümer und Widersprüche, die einen Menschen in Mißkredit bringen und ihn in den Augen der Welt demütigen. Es ist daher so sehr notwendig, jeden Gedanken, jedes Wort und jede Tat zu bewachen.
Bei unserm Bestreben, üble Angewohnheiten loszuwerden, ist es von größter Wichtigkeit, daß wir uns den Geist der Liebe und des Wohlwollens gegen alle Menschen, den Geist der Lernbegierde und Demut aneignen, denn dadurch werden wir befähigt, Öl auf das unruhige und ungestüme sterbliche Gemüt zu gießen. Das Betonen von geringfügigen Dingen, wodurch fortwährend Reibungen entstehen; das anmaßende Wesen, welches im Heim und in der Kirche so viel Unheil stiftet; das Streben nach Macht und Stellung, welches einer demokratischen Kirchenherrschaft mißtraut und politische Methoden zur Erlangung eines Ziels billigt: alle diese Ärgernisse und noch manche andre, die sich da und dort zeigen, werden aufhören, wenn wir alle von dem Wunsche beseelt sind, treue Zeugen der Wahrheit zu sein. Um dieses Streben zur Verwirklichung zu bringen, tun wir wohl daran, mindestens einmal die Woche die tiefernsten und liebevollen Ermahnungen zu lesen, die der Apostel Paulus im dritten Kapitel seines Briefes an die „Heiligen in Kolossä” ergehen ließ.
