Die Metaphysik führt uns zu der Erkenntnis, daß das Leben dein Bewußtsein innewohnt; daß der Charakter des Lebens eines Menschen durch sein Denken bestimmt wird. Daher bedeutet rechtes Denken ein rechtes Leben. Wie muß man nun denken, um recht zu leben? Die meisten Menschen haben den natürlichen Drang, recht zu denken und recht zu handeln; aber die große Anzahl von Krankheiten, Unglücksfällen, Leiden und Fehlschlägen im Leben so vieler Menschen weist darauf hin, daß in vergangenen Zeiten viel falsches Denken stattgefunden hat. In der Christlichen Wissenschaft, die in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift dargelegt ist, zeigt uns Mrs. Eddy, wie wir richtig denken können, indem sie uns das Prinzip alles wahren Seins sowie die Regel zu dessen Demonstrierung lehrt, so daß der gewissenhafte Schüler diese Regel verstehen lernen und sein Leben danach einrichten kann.
Der Anfang alles rechten Denkens ist Gott, das göttliche Gemüt, der Schöpfer und die Ursache alles dessen, was wirklich ist. Gottes Wesen erschließt sich uns, wenn wir die Wahrheit von Jesu Grundsatz erkennen: „Gott ist Geist”; auch wird uns dadurch die Möglichkeit geboten, Seine Schöpfung von allem Scheinbaren zu unterscheiden. Diesem Grundsatz zufolge muß Gottes Schöpfung geistig sein, und das Geistige allein hat Wirklichkeit. Da Materie der Gegensatz von Geist ist, so sind materielle Dinge unwirklich. Mit dieser Erkenntnis beginnt unsrerseits eine richtige Denktätigkeit, und wenn wir an der Wahrheit festhalten, daß Gott das Prinzip alles wahren Seins ist, werden wir fortwährend richtiges Denken üben. Die Erkenntnis des Geistes als göttliches Prinzip ist sozusagen der Prüfstein, an welchem wir alle Gedanken hinsichtlich ihrer Wahrheit und Richtigkeit beurteilen können.
Den Lehren der Christlichen Wissenschaft zufolge ist aber Gott sowohl Geist oder Prinzip des Seins als auch göttliches Gemüt, d. h. die Quelle aller rechten Ideen; daher gehen alle rechten Gedanken aus Gott hervor. Überdies ist Gott unendlich; daher eröffnet uns das Erforschen Seines Wesens ein unendliches Gebiet. Wir können nur dann über alles richtig denken, wenn unsre Gottes-erkenntnis vollkommen ist. Das fortwährende Streben, richtig zu denken, wird in uns den Boden für weitere Offenbarungen des Wesens Gottes vorbereiten, bis Gott völlig in uns geoffenbart ist und wir uns unsres Einsseins mit Ihm völlig bewußt sind. Da alle Intelligenz und alles Gute in Gott ihren Ursprung hat, so können wir, wenn wir uns Ihm stets zuwenden, einen reichen Zufluß rechter Ideen haben. Jede Idee, die von Gott kommt, hat Teil an Seinem Wesen; daher ist der Mensch in seiner Eigenschaft als Gottes höchste Idee geistig und vollkommen, und wir sollten nur in diesem Sinne über den Menschen denken. Auch ist es klar, daß sich uns das Wesen des Menschen nur in dem Maße erschließen kann, wie wir Gott erkennen.
Das Denken ist ein Vorgang im Bewußtsein, und das sterbliche Bewußtsein besteht zum großen Teil aus Wahrnehmungen materieller Gegenstände, die scheinbar unabhängig von unserm Denken bestehen. In der Christlichen Wissenschaft jedoch lernen wir verstehen, daß Gedanken Dinge sind, daß Gedanken, die nicht aus dem göttlichen Gemüt hervorgehen, nur eine Scheinexistenz haben, und daß die Objekte rechten Denkens (Ideen) Schöpfungen des Gemüts darstellen. Mit dieser Erkenntnis ausgerüstet vermögen wir die Tätigkeit in unserm Bewußtsein zu regeln, indem wir unsre Gedanken prüfen und ihre Beziehung zum Prinzip untersuchen. Wir haben dann den Prüfstein, der uns befähigt, die wahren Begriffe festzuhalten und die falschen abzuweisen. Das Gedächtnis kann als die Fähigkeit bezeichnet werden, eine Tatsache oder eine Erfahrung ins Bewußtsein zurückzurufen. Es wird allgemein als eine Fähigkeit des menschlichen, sterblichen Gemüts aufgefaßt, die sich bei den Menschen in höherem oder geringerem Grade vorfindet, je nachdem diese Fähigkeit vererbt oder durch Erziehung entwickelt worden ist. Der Annahme nach geht das Gedächtnis bisweilen verloren, und wenn demjenigen, der diese Annahme hegt, das Gedächtnis versagt, so glaubt er viel Willenskraft aufwenden zu müssen, um es wiederzuerlangen.
In Wissenschaft und Gesundheit (S. 407) sagt Mrs. Eddy: „Keine Fähigkeit des Gemüts geht verloren.” Im allwissenden Gemüt gibt es kein Vergessen, und die Zuverlässigkeit unsres Gedächtnisses hängt von dem Grade ab, in welchem wir uns unsres Einsseins mit diesem Gemüt bewußt werden. Ferner lesen wir (S. 84), daß es „das Vorrecht des immergegenwärtigen, göttlichen Gemüts [ist] und des Gedankens, der mit diesem Gemüt in Übereinstimmung steht, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zu kennen.” Von dieser Erkenntnis ausgehend, brauchen wir keine menschliche Willenskraft auszuüben, um irgendeine der vergangenen Annahmen oder Erfahrungen ins Bewußtsein zurückzurufen, sondern wir können uns ruhig und gelassen des Menschen Einssein mit dem göttlichen Gemüt vergegenwärtigen und auf diese Art den gewünschten Gedanken finden. Kein langwieriges und ermüdendes Verfahren ist nötig, um diese Fähigkeit zu entwickeln, denn sie ist dem Menschen als einem Kinde oder einer Widerspiegelung des Gemüts eigen, und wir erlangen sie in dem Maße, wie wir den falschen Glauben an ein materielles Selbst beseitigen und durch die Christliche Wissenschaft des Menschen Einssein mit dem göttlichen Gemüt erkennen lernen.
Zum Denken gehört sowohl Erkenntnis wie Gefühl. Nach beiden Richtungen ist uns die Christliche Wissenschaft förderlich. Wir müssen unsre Gefühle auf ihre Übereinstimmung mit dem göttlichen Prinzip, der göttlichen Liebe hin prüfen. Gefühle wie Furcht, Zorn, Haß, Sinnlichkeit und Selbstbedauern entsprechen nicht dem Wesen der göttlichen Liebe, weil sie einen Glauben an ein materielles Selbst zum Ursprung haben. Demut, Glaube, Freudigkeit, Liebe und Friede hingegen sind ihrem Wesen nach geistig, daher Widerspiegelungen der göttlichen Liebe; sie gehören unbedingt zum rechten Denken. Liebe, nach menschlicher Auffassung, kann man als ein Streben nach dem Guten bezeichnen, und wenn dieses Streben unsern jeweiligen Beweggrund bildet, wird auch unser Denken die rechte Richtung nehmen.
Treten uns Erscheinungen des Übels in irgendeiner Form entgegen, wie z.B. Krankheit oder Disharmonie, so können wir sie durch die Macht der Wahrheit zunichte machen, eingedenk der Tatsache, daß „die geistige Kraft eines wissenschaftlichen, richtigen Gedankens, ohne besondere Anstrengung, ohne ein hörbares oder selbst mentales Argument ... oftmals die hartnäckigsten Krankheiten geheilt” hat („Rudimental Divine Science“, S. 9). Wer richtig denkt, bringt so viel Gesundheit, Harmonie, Freudigkeit und Frieden zum Ausdruck, daß er unwillkürlich die Aufmerksamkeit derer erregt, die noch nicht gelernt haben, ein solches Denken zu üben. Aber auch sie werden mit der Zeit durch das ihnen gegebene Beispiel dahin kommen. Jesus sagte: „Und Ich [das Christus-Ideal], wenn ich erhöhet werde ... will ich sie alle zu mir ziehen.” Wenn alle Menschen gelernt haben, richtig, wahrhaftig und liebevoll zu denken, sowohl über sich selbst wie über einander, dann werden sie in vollkommener Harmonie leben. Einem andern Ausspruch Jesu gemäß ist dieser Himmel „genahet” [Zürcher Bibel] und „inwendig”. Dies Sichbewußtwerden des Himmels kommt durch rechtes Denken.
