Nicht selten wundert es diejenigen, die Jesus, den Christus, ehren und seinem Beispiel zu folgen bestrebt sind, daß seine Jünger, mit denen er fortwährend im Umgang stand, seine Mission nicht besser verstanden und seine Lehren nicht in höherem Maße in sich aufnahmen. Es scheint allerdings unbegreiflich, daß die Jünger in Gegenwart dieses auserwählten Darlegers der göttlichen Weisheit und Kraft über ihren persönlichen Wert in Streit gerieten, oder daß die Söhne des Zebedäus sich nicht entblödeten, ihn um Stellung und Macht anzugehen.
Manche denken wohl auch, sie würden die Fehler der Jünger nicht haben begehen können, sie hätten für die wunderbaren Lehren Jesu keine tauben Ohren gehabt, niemals hätten sie das auf dem Berg der Verklärung geistig Erschaute in dem groben Materialismus eines solch persönlichen Sinnes untergehen lassen, und auf keinen Fall würden sie den Christus verleugnet haben wie Petrus; auch meinen sie, sie wären nicht in Schlaf verfallen, wie seine Jünger. Dabei bedenken sie aber nicht, daß sie durch ihren Tadel gegen andre und die Wertschätzung ihrer selbst gerade das tun, was sie meinen nicht getan zu haben. „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet”, und wenn ihr schon richtet, „richtet ein recht Gericht”. Diese Warnung Jesu ist von weittragender Bedeutung.
Die Stärke der christlich-wissenschaftlichen Bewegung liegt in ihrer Einigkeit. Eines Sinnes zu sein, ist das Ideal der Christlichen Wissenschafter; es bringt ihnen Erlösung. Da diese Einigkeit auf der festen metaphysischen Grundlage beruht, daß Gemüt aus dem Wesen seiner Unendlichkeit heraus eins ist, so hat sie genau insoweit einen beweisbaren, praktischen Wert, wie der einzelne ein Verständnis von diesem einen Gemüt hat und durch Vertrauen auf dasselbe befähigt wird, sich beständig auf die Tätigkeit des göttlichen Prinzips zu stützen, statt auf menschlichen Willen. Um also die Einigkeit zu wahren, die für die Wohlfahrt der Christlichen Wissenschaft so wesentlich ist, ist es notwendig, daß jeder einzelne Christliche Wissenschafter das Gute als die einzige Macht erkenne, und demgemäß handle. Das Gute muß in seinem Denken vorherrschen, und er muß nach Möglichkeit nur Gutes kennen, Gutes sehen und Gutes zum Ausdruck bringen. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß das Böse als gut anzusehen ist, sondern vielmehr, daß man durch das Verständnis von der Allheit des Guten die Unwirklichkeit des Bösen klar genug erkennen soll, um vom Bösen und seinen falschen Suggestionen nicht getäuscht zu werden. Dieses „Nichtsehen” des Bösen steht in genauer Übereinstimmung mit Jesu Auffassung, wie sie in dem Ausspruch zum Ausdruck kommt: „So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.”
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