In seiner Prophezeiung von dem Kommen des Christus bezeichnete Jesaja den Messias als den „Friedefürsten”. Dennoch sagte Jesus von Nazareth fünf Jahrhunderte später, als diese Prophezeiung in Erfüllung ging: „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich kommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht kommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.”
Die wahre Bedeutung des Wortes „Friede”, wie dasselbe von dem ebräischen Propheten gebraucht wird, war „Versöhnung mit Gott”. Jesus sah, daß, ehe diese Art des Friedens hergestellt werden konnte, die Menschheit von ihrer falschen und beschränkten Anschauung von Frieden befreit werden müßte; daher sagte er: „Ich bin kommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater”, und: „Wer Vater oder Mutter mehr liebet denn mich, der ist mein nicht wert.”
Im Alter von zwölf Jahren erklärte Jesus seiner Mutter Maria, er müsse in dem sein, was seines Vaters sei, mit andern Worten, er müsse im Dienste des Vaters geschäftig sein. Die Arbeit im Dienste des Vaters wurde bereits durch den Propheten Jesaja angedeutet, als er schrieb: „Der wird kein Ende machen, die Herrschaft und den Frieden zu vermehren” [Zürcher Bibel]. Jesus erkannte aufs deutlichste, daß alle Einrichtungen, die auf einer falschen Grundlage beruhen, umgestoßen werden müssen, ehe diese Gottesherrschaft unter den Menschen gegründet werden kann. Er sah, wie Jeremia vor ihm, wie verfehlt es ist, das Beispiel der falschen Propheten nachzuahmen, die das Übel des Volks „nur leichthin” heilten und sprachen: „‚Friede! Friede!‘”, wo „doch nicht Friede” war [Zürcher Bibel].
Der wahre Prophet Israels verstand die Bedürfnisse der Menschheit so genau, daß er sich nicht scheute, dem persönlichen Stolz Wunden zu schlagen und den Königreichen dieser Welt statt Frieden ein Schwert zu bringen. Jesus setzte mit seinem Werk tief im menschlichen Denken ein; er ruhte nicht eher, als bis er auf den Felsen gedrungen war, auf den sich der wahre Bau gründen muß. Gerade wegen der unendlichen Weite, Tiefe und Höhe seiner Erkenntnis konnte er das Übel der Menschheit nicht „leichthin” heilen. Das Schwert seiner metaphysischen Wissenschaft forderte ein vollkommenes, bedingungsloses Aufgeben alles dessen, was Gott unähnlich war. Er wußte, daß ein Reich, das „mit ihm selbst uneins” ist, nicht bestehen kann. Die Menschheit muß also zwischen Gott und dem Mammon wählen, ehe vollkommener Friede hergestellt werden kann.
Wenn wir heute um uns blicken und eine von menschlichen Konflikten zerrissene Welt sehen, werden wir uns bei allem Bestreben, das Ende jeglichen Haders zwischen den Völkern herbeizuführen, der Erkenntnis nicht verschließen können, daß kein dauernder Friede hergestellt werden kann, ehe die Menschheit im allgemeinen willens ist, sich von der Verehrung des Mammons abzuwenden — der ja nur die natürliche Folge der Annahme ist, daß Materie Substanz sei und daß ihr Leben und Intelligenz innewohne —; ehe die Menschheit dahin gelangt, Gott als den Vater des Menschen und den Menschen als geistig, ja als das Ebenbild und Gleichnis Gottes anzuerkennen. Der Glaube an persönliches Eigentum, widerstreitende menschliche Interessen und nationale Stellung, der zweifellos allem Hader zugrundeliegt, ist das Ergebnis dieser Annahme von einem materiellen Ursprung des Menschen. Solange diese Annahme im menschlichen Bewußtsein gefördert und genährt wird, werden sich die entsprechenden Falschheiten nach außen hin kundtun. Die Nadel des mentalen Kompasses des Menschengeschlechts muß so gestellt werden, daß sie nach Gott und der geistigen Idee weist und hinweg vom Selbst oder der materialistischen Annahme, daß es ein von Gott getrenntes Leben gebe. Das stete An-sich-selbst-denken beeinträchtigt alles Glück und alle Gemütsruhe aufs schwerste. Dagegen gibt es nur ein Mittel, nämlich die Erkenntnis der Wahrheit, was Gehorsam gegen das göttliche Gesetz bedingt, das im ersten Gebot seinen Ausdruck findet. Dieses Alphabet wahrer Religion werden alle Menschen lernen müssen. Gott wird in der Liebe der Menschheit den ersten Platz einnehmen, und Sein Reich wir „auf Erden wie im Himmel” errichtet sein.
Wenn durch die Anwendung der Christlichen Wissenschaft das in der Heiligen Schrift enthaltene Wort Gottes besser verstanden wird, werden die Leidenschaften der Menschen nachlassen. Der Krieg wird nicht mit Heeren und Flotten geführt werden, sondern er wird im Überwinden des Bösen durch die Erkenntnis des Guten bestehen. Schlachten werden nicht mehr im offenen Felde geschlagen werden, sondern in der Verborgenheit des menschlichen Gemüts. Die einzigen Feinde in diesem Kampfe werden falsche Annahmen und die einzigen Bundesgenossen richtige Ideen sein. Niederlagen werden in der Zerstörung böser Suggestionen bestehen und Siege in dem Bewußtsein vollkommenen Friedens. Wie lange es dauern wird, ehe diese Veränderungen im menschlichen Bewußtsein zu erwarten sind, wird von dem Eifer und der Aufrichtigkeit abhängen, mit der die einzelnen, aus denen das Menschengeschlecht besteht, nach der Erkenntnis der Wahrheit streben, die sie frei macht. Eines jedoch ist gewiß: der moralische Mut, der für das Prinzip eintritt, fordert von einem Menschen die größte Güte lind Beharrlichkeit und steht viel höher als physische Tapferkeit und das Streben nach Selbsterhaltung, das sehr oft gleichbedeutend ist mit Furcht. Wenn sich die Erkenntnis allmählich Bahn bricht, daß der Erfolg im Töten — mag der hierzu erforderliche Mut auch noch so sehr verherrlicht worden sein — nicht den Grad des Mutes bedeutet wie der Erfolg im Überwinden der Ansprüche des sündigen Sinnes, dann wird sich das menschliche Streben auf höhere Dinge richten. Man darf seine kostbare Zeit nicht damit verbringen, falsche Dinge zu verurteilen, wohl aber sollte man darauf bedacht sein, aus der gegenwärtigen menschlichen Erfahrung die entsprechenden Lehren zu ziehen.
Krieg und Kriegsgeschrei wird nicht aufhören, solange die Selbstsucht, das Rassenvorurteil, der nationale Stolz und all die andern Übel der Menschen genährt werden, die durch den Glauben entstehen, daß die Materie der Träger des Lebens und der Mensch von Gott getrennt sei. Diese Dinge können und müssen überwunden werden. Die Mittel hierzu sind zur Hand. Sie sind deutlich angegeben und denen verständlich, die Augen haben, zu sehen, und Ohren, zu hören. Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, enthält eine genaue Darlegung des göttlichen Prinzips und Gesetzes, durch das alle Probleme des Seins in Übereinstimmung mit den Lehren des Meisters ausgearbeitet werden können.
Auf Seite 96 dieses Lehrbuchs schreibt Mrs. Eddy: „Schon heute wird diese materielle Welt zum Kampfplatz widerstreitender Gewalten. Auf der einen Seite wird Disharmonie und Schrecken sein, auf der andern Wissenschaft und Friede.” Wir wollen darauf bedacht sein, daß unser Leben und unsre Taten Gott verherrlichen helfen, damit dauernder Friede auf Erden in die Erscheinung treten möge.
Man soll nicht wollen Gott ein Ziel stecken, Tag oder Stunde bestimmen noch die Weise oder das Maß setzen Seiner Erhörung, sondern das Seiner Weisheit und Macht anheimstellen, nur frisch und fröhlich warten und nicht wissen wollen, wie und wo, wie bald, wie lang, durch was uns der Herr erhört. Denn Seine göttliche Weisheit wird überschwänglich bessere Weise und Maß, Zeit und Stätte finden, denen wir gedenken mögen.—