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Übersehen heißt nicht überwinden

Aus der Februar 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


In der Lehre der Christlichen Wissenschaft ist nichts zu finden, womit man die Annahme rechtfertigen könnte, daß das Übersehen oder Außerachtlassen des Bösen dessen Überwindung bedeute. Die christlich-wissenschaftliche Lehre in bezug auf die Unwirklichkeit des Bösen ist bestimmt und klar und läßt keine Verdrehung oder Umkehrung zu. Es muß einem jeden einleuchten, daß die Erkenntnis der absoluten Wirklichkeit Gottes und Seiner Schöpfung, des Alles-in-allem, von der weiteren Erkenntnis der Unwirklichkeit des vermeintlichen Teufels und all seiner Werke begleitet sein muß. Aber in der relativen menschlichen Erfahrung muß jeder Wahrheitssatz bewiesen und jede Art des Irrtums bloßgelegt werden, ehe der Irrtum wirklich überwunden werden kann.

Das Übersehen, Ignorieren, Ausweichen, Unterdrücken, Heucheln — jede derartige Haltung läßt das Bestreben erkennen, die Wissenschaft des Christentums zu verdrehen oder umzukehren und ihre Entdeckung und Gründung zunichte zu machen. Daher weist ein Zustand der Untätigkeit, der Gleichgültigkeit, der Unempfänglichkeit, der Parteilosigkeit gegenüber der Norm des Guten und Bösen auf bevorstehende Trockenfäule und herannahendes Unheil hin. Sehr oft ist solch ein Zustand der trägen Parteilosigkeit das Vorspiel zu einer Tragödie auf der Bühne menschlicher Tätigkeit, wo dann Völker sowohl wie Einzelwesen zu unfreiwilligen und zur Zeit hilflosen Schauspielern werden.

Nun entsteht die Frage: Welcher Art ist die böse Einflüsterung, die einen wohlmeinenden Christlichen Wissenschafter zu der Annahme verleiten kann, daß das Übersehen des Bösen dessen Überwindung bedeute? Ist nicht vielleicht die Beweisführung dieser Art: Einflüsterung Nummer eins: „Du sagst, das Böse sei unwirklich; warum es dann unwirklich machen wollen?” Der wohlmeinende Wissenschafter wird vielleicht momentan durch diese Frage verwirrt, so daß ihm nicht rechtzeitig die Antwort einfällt, daß das Böse in der Wahrheit unwirklich ist, in der Sterblichkeit aber wahr zu sein scheint, und daß man ihm daher in seinen verschiedenen Erscheinungsformen immer und immer wieder begegnen muß, ehe seine ganze Unwirklichkeit offenbar werden kann.

Wer sich durch die erste Frage hat verwirren lassen, fällt dem Versucher leicht bei dessen zweiten Einflüsterung zum Opfer: „Behauptest du nicht, daß alles gut sei? Dann muß also auch das Böse gut sein.” Nachdem der verwirrte Wissenschafter versucht hat, das Böse zu ignorieren, erscheint es aufs neue in seinem Bewußtsein, weil es nicht unwirklich gemacht worden ist; es sieht sehr wirklich aus, ja es ist diesmal als das Gute verkleidet. Das Ergebnis dieser Versuchung ist dann wohl, daß der Christliche Wissenschafter zu seinem Erstaunen das Böse sowohl als wirklich wie als gut klassifiziert findet, und die Liebesmühe ist zeitweilig verloren. So kommt es gar leicht dahin, daß der Christliche Wissenschafter sein Bewußtsein, welches er mit viel Fleiß und Sorgfalt ausschließlich für den Empfang des Guten gekehrt und geschmückt hatte, dem animalischen Magnetismus weit öffnet. In einem Bewußtsein, das durch fortwährende Einflüsterungen schutzlos und parteilos gemacht worden ist, kann die Zauberei leicht mentale Gaukelkünste mit dem Guten und Bösen treiben.

Salomo, der offenbar von mancherlei listigen, im Gewande des Guten einhergehenden Formen des Bösen befallen wurde, betete um „ein gehorsames Herz,” damit er möchte „verstehen, was gut und böse ist.” In der gegenwärtigen bedeutungsschweren Zeit ist den Christlichen Wissenschaftern die Ermahnung ihrer Führerin auf Seite 209 von Miscellaneous Writings sehr willkommen: „Der Friede faßt keinen festen Fuß auf der Grundlage, daß das Böse verhüllt werden solle und dabei von Leben und Glück begleitet sein könne. Egoismus und falsche Wohltätigkeit erklären: ‚Nicht also, mein Herr; es ist klug, Bosheit zu verhüllen und sie nicht zu strafen, dann werden die Sterblichen Frieden haben‘.”

Übersehen heißt nicht überwinden. Wird das Böse nicht als ein Nichts erkannt, so erscheint es als ein Etwas, als ein Teil jenes ewigen Etwas, das ganz und gar gut ist. Die Schlußfolgerung wäre dann, daß das Böse gut ist. Anstatt das Böse gewohnheitsmäßig zu übersehen, verfolgt der unterwiesene Wissenschafter die Verfahrungsart, die in folgender Bibelstelle angedeutet wird: „Da schied Gott das Licht von der Finsternis.” Wenn Gottes Scheidelinie zwischen dem Guten und dem Bösen genau gezogen ist, dann und erst dann kann das Böse als nichts erkannt werden. Die Christliche Wissenschaft stellt das Böse als eine Nichtsheit dar, nie aber als etwas Gutes.

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