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Wahre Befreiung

Aus der Februar 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Freiheit, Unabhängigkeit, Selbständigkeit — mit welchem Eifer trachten doch Völker wie Individuen nach diesen Kleinodien! Der über dem Eingang eines gewissen Gerichtsgebäudes eingemeißelte Spruch: „Gehorsam gegen das Gesetz ist Freiheit,” gibt uns eine klare und bündige Regel, wie Freiheit erlangt und aufrecht erhalten werden kann, ja diese Worte bezeichnen unverkennbar den wahren Charakter der Freiheit. Wenn wir die in der Christlichen Wissenschaft gelehrte Tatsache erkennen, daß Gott das einzige Gemüt und somit der einzige Gesetzgeber ist, dann sehen wir auch ein, daß Gehorsam gegen Gottes Gesetz Freiheit bedeutet, daß in der Tat Freiheit der normale Bewußtseinszustand aller Menschen ist. Wer den Gesetzen des Gemüts gehorcht, kann mit Recht erwarten (und er wird in seiner Erwartung nicht getäuscht werden), von allem, was Gott unähnlich ist, befreit zu werden.

Durch sein großes Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben,” gab Moses der Menschheit die Regel zur Erlangung von Freiheit. Jahrhunderte später drückte Jesus das gleiche Gebot mit den folgenden Worten aus: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte.” Wie viele Menschen haben doch im Laufe der Zeit diese Worte des Moses und des Meisters gelesen; aber ihre wahre Bedeutung verstanden sie nie so recht, denn sie waren nicht im klaren über das Wesen und das Walten Gottes. Die Christliche Wissenschaft nun ist unserm Zeitalter geoffenbart worden, damit sie die Menschheit aus ihrer Unwissenheit über Gott und den Menschen erwecke.

Über etwas, was nicht verstanden wird, herrschen in der Regel verschiedene Ansichten. Unwissenheit und Trägheit sind schnell bereit, etwas zu tadeln, was sie nicht erfassen können. Unwissenheit kommt als Furcht oder Vorurteil zum Ausdruck, und nur vermöge ihrer Dreistigkeit ist sie imstande, ihren Anspruch auf Stellung und Macht aufrecht zu erhalten. Es gibt eine Mentalität, die den alten Ruf der Selbstzufriedenheit und Selbstgerechtigkeit auch heute wiederholt: Laß uns in Ruhe! Gar mancher kann die Störung nicht leiden, die seine Ansichten und Theorien durch eine Betrachtung im Lichte neuentdeckter Wahrheiten erfahren, und er ignoriert diese deshalb ganz und gar.

Zum Glück aber gibt es auch andre Mentalitäten. Wird ihnen eine bisher unbekannte Wahrheit dargelegt, so zeigen sie ein reges Interesse und ein großes Verlangen, mehr darüber zu erfahren. Sie wollen ihre Zuverlässigkeit prüfen, ihre Richtigkeit bewiesen sehen. So ist denn auch die Aufnahme, die die Christliche Wissenschaft erfährt, eine verschiedene, je nach dem Bewußtseinszustand dessen, bei dem sie anklopft. Alle Menschen unterstehen dem gleichen unabänderlichen Gebot, Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt zu lieben. Weder Unwissenheit, Trägheit, Selbstgefälligkeit, Selbstgerechtigkeit noch irgendein andrer sterblicher Irrtum bietet einen Ausweg, auf dem wir dem Gehorsam gegen Gott ausweichen können. Daher wird auch die Befreiung vom Bösen, von Sünde, Krankheit und Tod zuletzt einem jeden zuteil werden.

Um Gott lieben zu können, müssen wir Ihn erst verstehen. Kann jemand die griechische Sprache schätzen, wenn er sie nicht kennt? Hat je ein Mensch dadurch Griechisch gelernt, daß er diese Sprache mit jemandem erörterte, der ihrer nicht mächtig war? Lernt man eine Sprache durch das Lesen von Abhandlungen, die von ihrem Studium abraten und ihre Schönheit und Nützlichkeit in Abrede stellen? Um Gott zu verstehen, müssen wir freudig, geduldig und unentwegt nach Mitteln suchen, die uns zu einer klareren Erkenntnis Seines Wesens, Seiner Gesetze und Seiner Macht verhelfen. Die Bibel enthält eine Menge Definitionen von Gott; aber wir verstanden sie erst, als wir die Notwendigkeit einsahen, beim Denken oder Reden über Ihn wissenschaftlich zu verfahren. Vor der Erleuchtung, die uns durch das Studium der Christlichen Wissenschaft zuteil wurde, glaubten viele von uns, wir könnten Ihn dadurch ehren, daß wir Ihn uns als in einem weitentfernten mysteriösen Himmel thronend vorstellen.

Im Alten Testament lesen wir: „Gott ist nicht ein Mensch;” ferner: „Ich bin Gott und nicht ein Mensch.” Diese Zitate zusammen mit den neutestamentlichen Worten: „Gott ist Liebe” und „Gott ist Geist,” nehmen dem Glauben an einen menschenähnlichen Gott, den so viele zu verstehen und zu lieben versucht haben, alle Berechtigung und offenbaren die Wahrheit und Weisheit der Worte Mrs. Eddys auf Seite 269 von Wissenschaft und Gesundheit: „Die menschliche Philosophie hat Gott dem Menschen ähnlich gemacht. Die Christliche Wissenschaft macht den Menschen Gott ähnlich. Das erstere ist Irrtum, das letztere ist Wahrheit.” Wenn wir frei geworden sind von dem Glauben an einen menschenähnlichen Gott, fangen wir an zu verstehen, was es heißt, Gottes Bild und Gleichnis zu sein, ja wir beginnen Anspruch zu erheben auf die Freiheit, die den Kindern Gottes auf ewig gehört.

Im ersten Buch Mose finden wir die Geschichte von Hagar, einer Magd, die durch ihr Vertrauen auf das göttliche Gemüt aus der Knechtschaft befreit wurde und ihr rechtmäßiges Erbe erhielt — ihre Freiheit und Unabhängigkeit von materiellen Mitteln. Die Prüfung Hagars müssen alle bestehen, die in ihrem Begriff von Frieden und Glück irregeführt worden sind, die den menschlichen Neigungen folgen, geistig stille stehen und dem Fortschritt widerstreben. Sie alle müssen den Irrtum, das Materielle, fahren lassen und die Wahrheit, das Geistige, in sich aufnehmen. Hagar ging, mit Brot und Wasser versehen, in der Wüste des sterblichen Gemüts irre; sie hatte Gedanken des Grolls, des Selbstbedauerns und der Furcht im Herzen, und dadurch verschloß sie ihr Bewußtsein der Wahrheit, welche erhält, erfrischt und stärkt. Sie erkannte nicht sofort, daß das göttliche Gemüt alle unsre Notdurft stillt, und geriet daher in Verzweiflung. Sie setzte sich nieder und weinte und beklagte ihr Schicksal, in dem Glauben, sie werde nicht geliebt und nicht verstanden.

In unserm Bestreben, die sterblichen Vorstellungen zu überwinden, haben wir alle Zeiten gehabt, wo Gott, das Gute, weit entfernt zu sein schien — wo wir dachten, die stets gegenwärtige Liebe sei unerreichbar. Zuweilen ist es „furchtsamer Konservatismus” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 167), der uns aufhält, oder Selbstsucht, oder Gleichgültigkeit. Stets ist das Hindernis Furcht in irgendwelcher Gestalt. Die Erkenntnis jedoch, daß der Mensch als die Idee des göttlichen Gemüts stets im göttlichen Bewußtsein einbegriffen ist und nie an etwas Nötigem oder Gutem Mangel leidet, beseitigt das Hindernis zum Wachstum und zur Entwicklung. Wer seine wahre Selbstheit als den Ausfluß des göttlichen Gemüts erkennt, als den Ausdruck der göttlichen Intelligenz, Herrschaft, Kraft, Liebe und Unsterblichkeit, legt den falschen Begriff von seinem Selbst ab und kann mit Paulus sagen: „Dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.” Wer klar erkannt hat, daß bei Gott, Geist, alle Dinge möglich sind, muß auch zugeben, daß das Böse, daß die Materie, daß Irrtum und Haß weder Macht noch Wesenheit besitzen. Er gesteht Gott allein „das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit” zu.

Das Wasser in dem Schlauch war alle, und Hagar glaubte sich nunmehr von jeder Versorgungsquelle abgeschnitten. Sie hatte alle Hoffnung auf Hilfe aufgegeben. Wer auf diese Weise dem Zeugnis der sogenannten materiellen Sinne beistimmt, öffnet dem Feind Tür und Tor. Statt dessen muß man sich beharrlich gegen Mutlosigkeit wehren und trotz aller Scheinbarkeit des Menschen Freiheit von Furcht und Angst bekräftigen, da ja die göttliche Liebe alles liebevoll regiert und leitet. Dieses Verfahren verscheucht das Gefühl des Verlassenseins.

Auf Seite 323 von Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Die Willigkeit, wie ein kleines Kind zu werden und das Alte um des Neuen willen aufzugeben, macht den Gedanken für die vorgeschrittene Idee empfänglich.” Diese Worte erinnern an die Warnung Jesu: „Wer das Reich Gottes nicht empfähet als ein Kindlein, der wird nicht hineinkommen.” In der Geschichte von Hagar und ihrem Kinde lesen wir des weiteren: „Da erhörte Gott die Stimme des Knaben.” Der kindliche Gedanke, welcher frei ist von menschlichen Ansichten, von Furcht und Aberglauben, wendet sich natürlich und zuversichtlich dem göttlichen Gemüt zu, und dem Bedürfnis nach Erfrischung, nach Frieden und nach Vertrauen wird abgeholfen. Obwohl Hagar die vorhandenen Versorgungsmittel nicht erkannte, obwohl sie Mangel zu leiden schien, wurde ihr dennoch das, was sie nötig hatte, auch nicht einen Augenblick vorenthalten. Das göttliche Gesetz der Versorgung ist immer in Kraft, und keine sterbliche Annahme vermag ihm entgegenzuwirken oder es aufzuheben. Menschliche Annahmen oder Vorstellungen sind nicht imstande, eine geistige Wirklichkeit zu ändern oder ein geistiges Gesetz null und nichtig zu machen, denn dieses besitzt das Wesen der Ewigkeit und Unveränderlichkeit.

Der unablässige und beharrliche Ruf der Wahrheit lautet: „Wache auf!” Die Wahrheit ist geistig, mental in ihrer Wirkung, und ihre Forderungen sind mental. Durch das Studium der Christlichen Wissenschaft erlangen die Menschen ihr Erbrecht der Freiheit und kommen zur Erkenntnis der Notwendigkeit, über jedes Problem, das sich ihnen darbietet, richtig zu denken. Sie lernen erkennen, daß sie nicht wegen eines andern Ungerechtigkeit, Lieblosigkeit oder Rücksichtslosigkeit zu leiden brauchen; daß es nicht nötig, ja daß es ein Vergehen ist, wegen eines andern Sünde und Fehler beunruhigt oder aufgebracht zu sein. Ein jeder muß sein eignes Heil ausarbeiten, und dies kann nur dadurch geschehen, daß man so denken lernt, wie Gott denkt. Durch eine solche Denkart segnet man sich selbst und andre. Der Mensch ist nie ungerecht, grausam oder eifersüchtig, außer in der Vorstellung, und die Folgen solcher Eigenschaften können in einem andern nie und nimmer Leiden verursachen, es sei denn, er räume diesen falschen Annahmen Macht ein.

Durch die Vergeistigung des Denkens gelangen wir auf eine höhere Bewußtseinsstufe, d. h. wir machen uns los von dem Materiellen und streben dem Geistigen zu. Wir müssen der Ermahnung des Paulus, zu „nehmen gefangen alle Vernunft” (alle Gedanken über uns selbst und andre) „unter den Gehorsam Christi,” der Wahrheit, Folge leisten und alle falschen Vorstellungen in bezug auf uns selbst und andre aufgeben. In dem Maße, wie wir die Wahrheit erkennen und in uns aufnehmen, erfolgt in unserm Bewußtsein eine entsprechende Ausscheidung ihres Gegenteils, nämlich des Irrtums oder des Bösen, mit dem Ergebnis, daß wir den sterblichen, materiellen Annahmen gegenüber weniger empfänglich und empfindlich sind.

Der Glaube an Gottes Abwesenheit führt zu Furcht, Entmutigung, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit — harte, unbarmherzige Zuchtmeister, deren scheinbare Macht bald zu Ende ist, wenn des Menschen geistige Selbstheit, seine Untrennbarkeit vom göttlichen Gemüt, der ewigen, unveränderlichen Liebe, erkannt wird. Dann wird die „herrliche Freiheit der Kinder Gottes” erlangt. Wenn wir als Christliche Wissenschafter Tag für Tag mehr von dem Christussinn in uns aufnehmen, bringen wir nicht nur Segen auf uns selber herab, sondern auch auf die ganze Menschheit, indem wir die Finsternis des Irrtums mit dem Lichte der göttlichen Wahrheit und Liebe vertreiben..


Willst du den Aetna ersteigen, so schaue nicht in den Abgrund,
Daß du nicht schwindelst, empor richte gen Himmel den Blick —
Strebst du göttlich zu werden, so schaue nicht auf die Ketten,
Welche zur Erde dich ziehn, schau auf die Krone am Ziel!

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