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Das Lamm und der Wolf

Aus der Juni 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Es sollte den tätigen Christlichen Wissenschafter nicht stutzig machen, wenn ihm gesagt wird, daß der sterbliche Sinn ihm wahrscheinlich die Wahl lassen wird, entweder ein Wolf zu werden, der Raub an den Schafen begeht, oder aber ein guter Hirte, der seine Herde „auf einer grünen Aue” weidet und „zum frischen Wasser” führt. Solch eine Versuchung gereicht dem Geistiggesinnten nicht zur Schande, denn Jesus wurde in der Wüste von diesem vermeintlichen Gemüt in ähnlicher Weise versucht. Vielleicht war es gerade diese Anfechtung, die den Meister veranlaßte, zu seinen Jüngern zu sagen, als er sie aussandte: „Siehe, Ich sende euch als die Lämmer mitten unter die Wölfe;” und ihre späteren Erfahrungen bewahrheiteten diese Aussage.

Jesus hatte offenbar gewisse mentale Eigenschaften der Sterblichen im Sinn, die durch das Lamm und den Wolf versinnbildlicht werden, und diese Ausdrücke weisen daher mehr auf die Metaphysik als auf das Physische im Tierreich. Von diesem Gesichtspunkt aus scheint in menschlichen Angelegenheiten der Kampf zwischen dem Lamm und dem Wolf stets vor sich zu gehen und bildet den größten Teil dessen, was die Geschichte der Menschheit genannt wird. Saul scheint stets den David zu verfolgen, die Jsebel den Elia, der Drache „das Weib;” und Babylon sucht von jeher die Stätte des neuen Jerusalems einzunehmen. In Äsops Fabel war der hungrige Wolf entschlossen, eine Rechtfertigung zu finden für sein Vorhaben, das Lamm zu verschlingen, und dieses konnte zuletzt nur noch stöhnend erwidern: „Irgend eine Entschuldigung dient dem Tyrannen.” Der Wolf in einer Nation erbeutet das Lamm in einer andern. Wir finden die gleiche Verfolgung in den Regierungen, in den Kirchen, in den Schulen, in den Familien, in jedem einzelnen Bewußtsein. Aber auf dem geistigen Kampfplatz gewinnt das Lamm stets den endlichen Sieg.

Mrs. Eddy macht dies sehr klar, wenn sie auf Seite 567 von Wissenschaft und Gesundheit sagt: „Die göttliche Wissenschaft zeigt, wie das Lamm den Wolf erwürgt. Unschuld und Wahrheit überwinden Schuld und Irrtum. Von jeher, seit der Gründung der Welt, seit der Irrtum die materielle Annahme einsetzen wollte, hat das Böse versucht das Lamm zu erwürgen; aber die Wissenschaft ist imstande, diese Lüge, das Böse genannt, zu zerstören.” Das Lamm, welches in physischer Hinsicht als das hilfloseste aller Tiere erscheint, versinnbildlicht merkwürdigerweise die mächtigste geistige Eigenschaft — die harmlose Unschuld, welche nie haßt sondern stets liebt.

Ehe ein unechter Adam den Tieren eingebildete Naturen zuschrieb, lebten das Lamm und der Wolf friedlich nebeneinander, und Jesaja sah voraus, daß dieser Zustand wieder eintreten wird. „Die Wölfe werden bei den Lämmern wohnen,” erklärt er. Wie zähmt nun das Lamm den Wolf, wie vernichtet es seine Raubgier, wie nimmt es ihm seinen falschen Namen, wie verwandelt es ihn in einen Freund? Das Verfahren ist das Geheimnis der Christlichen Wissenschaft, aber ein offenes Geheimnis, ein Geheimnis, in welches jeder, der nur will, eindringen kann. Das Lamm siegt vermöge der Erkenntnis, daß das Böse unwirklich ist. Gottes Geschöpfe sind unschuldig. Die Eigenschaften der Schlauheit und Beutegier, wie man sie mit dem Begriff Wolf in Verbindung bringt, sind Unwirklichkeiten. Das Verfahren, Wolf mit Wolf zu bekämpfen, läßt die größere Grausamkeit als Sieger aus dem Kampf hervorgehen und verfolgt den Zweck, den Wolf zu vernichten anstatt ihn umzuwandeln, damit er bei dem Lamm wohnen könne. Die Christliche Wissenschaft lehrt die Sterblichen, ihre Mitsterblichen dadurch zu erretten, daß sie der Wahrheit Raum geben, damit diese das Böse als unwirklich bloßstelle.

Wie steht es aber mit dem allerschlimmsten Wolf, dem Wolf in Schafskleidern? Kann das Lamm auch ihn besiegen? Die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft hat bewiesen, daß selbst diese wegen ihrer Verstecktheit so gefährliche Art der mentalen Verirrung mit der Wahrheit überwunden werden kann, möge sie auch noch so weit in die Schafherde eingedrungen sein. Sodann ist noch der untreue Hirte zu nennen, der Mietling, der da „siehet den Wolf kommen und verlässet die Schafe und fleucht.” Kann auch dieser befreit werden von seiner Treulosigkeit, von seinem Bestreben, die Unschuld auszubeuten, und kann er in Wahrheit ein guter Hirte werden? Ja, auch in diesem Punkt genügt die Wissenschaft, und zwar durch das Mittel der Reue, welches durch die Erkenntnis wirksam wird, daß das Böse unwirklich ist.

Wenn der fortschreitende Christliche Wissenschafter zwischen dem Lamm und dem Wolf die rechte Wahl trifft, so bedeutet das, daß er den liebevollen und heiligen Auftrag zu befolgen sucht, den der Meister einst einem impulsiven Jünger gab: „Weide meine Lämmer;” und er wird in dem Maße seines Gehorsams gesegnet sein.

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