Es sollte den tätigen Christlichen Wissenschafter nicht stutzig machen, wenn ihm gesagt wird, daß der sterbliche Sinn ihm wahrscheinlich die Wahl lassen wird, entweder ein Wolf zu werden, der Raub an den Schafen begeht, oder aber ein guter Hirte, der seine Herde „auf einer grünen Aue” weidet und „zum frischen Wasser” führt. Solch eine Versuchung gereicht dem Geistiggesinnten nicht zur Schande, denn Jesus wurde in der Wüste von diesem vermeintlichen Gemüt in ähnlicher Weise versucht. Vielleicht war es gerade diese Anfechtung, die den Meister veranlaßte, zu seinen Jüngern zu sagen, als er sie aussandte: „Siehe, Ich sende euch als die Lämmer mitten unter die Wölfe;” und ihre späteren Erfahrungen bewahrheiteten diese Aussage.
Jesus hatte offenbar gewisse mentale Eigenschaften der Sterblichen im Sinn, die durch das Lamm und den Wolf versinnbildlicht werden, und diese Ausdrücke weisen daher mehr auf die Metaphysik als auf das Physische im Tierreich. Von diesem Gesichtspunkt aus scheint in menschlichen Angelegenheiten der Kampf zwischen dem Lamm und dem Wolf stets vor sich zu gehen und bildet den größten Teil dessen, was die Geschichte der Menschheit genannt wird. Saul scheint stets den David zu verfolgen, die Jsebel den Elia, der Drache „das Weib;” und Babylon sucht von jeher die Stätte des neuen Jerusalems einzunehmen. In Äsops Fabel war der hungrige Wolf entschlossen, eine Rechtfertigung zu finden für sein Vorhaben, das Lamm zu verschlingen, und dieses konnte zuletzt nur noch stöhnend erwidern: „Irgend eine Entschuldigung dient dem Tyrannen.” Der Wolf in einer Nation erbeutet das Lamm in einer andern. Wir finden die gleiche Verfolgung in den Regierungen, in den Kirchen, in den Schulen, in den Familien, in jedem einzelnen Bewußtsein. Aber auf dem geistigen Kampfplatz gewinnt das Lamm stets den endlichen Sieg.
Mrs. Eddy macht dies sehr klar, wenn sie auf Seite 567 von Wissenschaft und Gesundheit sagt: „Die göttliche Wissenschaft zeigt, wie das Lamm den Wolf erwürgt. Unschuld und Wahrheit überwinden Schuld und Irrtum. Von jeher, seit der Gründung der Welt, seit der Irrtum die materielle Annahme einsetzen wollte, hat das Böse versucht das Lamm zu erwürgen; aber die Wissenschaft ist imstande, diese Lüge, das Böse genannt, zu zerstören.” Das Lamm, welches in physischer Hinsicht als das hilfloseste aller Tiere erscheint, versinnbildlicht merkwürdigerweise die mächtigste geistige Eigenschaft — die harmlose Unschuld, welche nie haßt sondern stets liebt.
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