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Gebet und Heilung

Aus der Juni 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Seit frühesten Zeiten sucht der Sterbliche nach einer Lösung der Rätsel, die ihn umgeben, nach Hilfe zur Beseitigung der Schwierigkeiten in der menschlichen Erfahrung, nach der Art und Weise, das höhere Streben, das Sehnen nach etwas Besserem zum Ausdruck zu bringen. Die ewige Wahrheit, das göttliche Gemüt, spricht zu allen Menschen und schließt alles wahre Denken in sich. Dies ist von allen, die auf die göttliche Stimme gehört haben, mehr oder weniger klar erkannt worden, denn diese Stimme bewirkt beim Menschen einen höheren Begriff vom Leben und seinem göttlichen Ursprung.

Die unzähligen religiösen und philosophischen Systeme lassen das Streben erkennen, der Wahrheit näherzukommen. Dasselbe Verlangen nach Licht liegt ihnen allen zugrunde, mögen auch ihre Darlegungen des Wesens der Wahrheit sehr verschieden zum Ausdruck kommen. Man ist sich wohl darüber einig, daß die höchste Offenbarung die ist, die den klarsten Begriff von der großen Ursache alles Bestehenden gibt, weil ein solcher Begriff das Verständnis und die Gewißheit über das Wesen seiner Bekundungen in sich schließt.

Aus der Geschichte der Menschheit ersehen wir, daß, so oft „die Zeit erfüllet ward,” Menschen erstanden, die vermöge ihrer klareren Erkenntnis vom Ewigen den Zeitgenossen eine derartige Erleuchtung brachten, daß diese das Dasein von einem neuen Standpunkt aus zu betrachten lernten. Vor nun bald zwanzig Jahrhunderten durfte die Welt den sehen, der von Johannes dem Täufer als „Gottes Lamm” bezeichnet wurde, „welches der Welt Sünde trägt,” und der sagen konnte: „Ich habe dich verkläret auf Erden und vollendet das Werk, das du mir gegeben hast, daß ich es tun sollte.” Jesus offenbarte nicht nur den Vater als Geist, als allmächtige Liebe, allmächtige Wahrheit und allmächtiges Leben, sondern er lehrte auch durch Wort und Tat, was des Menschen Einssein mit Gott in sich schließt.

Im vollsten Sinn des Wortes war Christus Jesus der Heiland, der den Weg aus allem falschen Denken und allen falschen Anschauungen heraus wies. Und doch haben so viele die praktische Bedeutung seiner Lehre verkannt! Nur als die Wissenschaft des Seins kann eine Religion wirklich ihren Zweck erfüllen. Religion und Wissenschaft sind untrennbar verbunden, und indem die Christliche Wissenschaft auf diese Wahrheit und ihre Konsequenzen hinweist, hat sie sich für viele als ein Segen erwiesen. Dies wird durch das große Wachstum der Bewegung bezeugt, die sich in etwa fünfzig Jahren über die ganze Welt verbreitet hat.

Die Christliche Wissenschaft gründet sich völlig auf die Bibel; sie offenbart das Wesen Gottes so deutlich, daß Gott den Menschen zur höchsten Wirklichkeit und Tatsächlichkeit wird und sie in Ihm unter allen Umständen einen geeigneten Führer und eine sichere Hilfe sehen. Wenn wir uns fragen, was zur Befreiung und zum Fortschritt der Menschheit hauptsächlich nötig ist, werden wir antworten müssen, daß es die Kenntnis der Gesetze ist, die das Weltall und den Menschen regieren, also exakte, wissenschaftliche Kenntnis des aller Wirklichkeit zugrundeliegenden Prinzips. Ist nicht der Grund, weshalb so viel wohlgemeintes Bemühen zur sittlichen Besserung und zur Erlösung vom Übel ergebnislos bleibt, darin zu finden, daß die Menschen suchen, Wirkungen aufzuheben, ohne vorerst die Ursache zu vernichten, ohne das Übel an der Wurzel zu packen? Es ist klar, daß das einzige Mittel gegen Unwissenheit, gegen Disharmonie, gegen das Herumtappen im Finstern nach geistigen Dingen, von denen die sichtbaren Dinge nur ein verzerrtes und oft gänzlich falsches Bild bieten, darin besteht, die Kenntnis der Wahrheit und ihres Wirkens zu erlangen.

Die wichtigste Wissenschaft, ja, ich möchte mit Thomas von Aquino sagen, die einzige absolute Wissenschaft ist die Kenntnis des Urgrundes, den wir Gott nennen. Das unveränderliche Wesen dieses Urgrundes macht Ihn zur Grundlage alles wahren Wissens. Daß ihre Kundwerdungen oft mißdeutet und andern Ursachen zugeschrieben werden, ändert nichts an ihrer Absolutheit. Auf allen Gebieten der Forschung findet ein Suchen nach diesem Urgrund statt, nach der allem zugrundeliegenden Wahrheit. Die Christliche Wissenschaft bildet in diesem Punkte keine Ausnahme. Auf der ersten Seite von Rudimental Divine Science, von Mrs. Eddy, lesen wir folgende Begriffsbestimmung der Christlichen Wissenschaft: „Das Gesetz Gottes, das Gesetz des Guten, welches das göttliche Prinzip und das Gesetz der universellen Harmonie erläutert und demonstriert.”

Es ist äußerst wichtig, daß man diese Erklärungen vom geistigen Sein erfasse, die Mrs. Eddy in ihren Schriften gibt und die sich auf die Bibellehre gründen. Dadurch vernichtet man die beschränkte menschliche Anschauung vom Schöpfer, und an ihre Stelle tritt ein stärkendes, tröstendes Bewußtsein von Gottes nieversagender und stets gegenwärtiger Kraft, von Seiner Allheit, worauf alle Furcht verschwindet. Da das von einem Menschen als Macht Anerkannte auf sein Denken und Handeln bestimmend wirkt, so können diese veränderten Anschauungen nicht ohne großen Einfluß auf das Leben des einzelnen wie auf die Allgemeinheit bleiben.

Gott, Geist, Gemüt ist absolute, ewige, unveränderliche Wahrheit, und Seine Äußerungen — all die Kundwerdungen des göttlichen Lebens, der göttlichen Wahrheit, der göttlichen Liebe — sind ebenso vollkommen und ewig wie die Intelligenz, aus der sie hervorgegangen sind. Die Christliche Wissenschaft nennt nur das wirklich, was Gott zum Ausdruck bringt und somit seine Herrlichkeit offenbart. Im göttlichen Gemüt kann es keinen Raum geben für ein veränderliches, unvollkommenes und zerstörendes Element, genannt das Böse. Wenn dies der Fall Wäre, so müßten wir zu dem vernunftwidrigen Schluß kommen, daß die Wahrheit teilweise vergehen oder der Vernichtung anheimfallen könne.

Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß das Böse das Ergebnis der Unwissenheit ist, einer falschen Anschauungsweise, und daß es in der Wirklichkeit keinen Raum einnimmt. Wenn es zur Wirklichkeit gehörte, so wäre es eine Kundwerdung Gottes, es hätte seinen Ursprung in Gott. Dann würde ein Sich-Gott-Nähern und eine wachsende Erkenntnis von des Menschen Einssein mit dem Vater den Menschen nicht nur dem Guten sondern auch dem Bösen näherbringen. Dieses Einswerden würde dann nicht Erlösung bedeuten, und Jesu Befehl: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist,” wäre ein Hohn.

Das Böse besteht nur im unerleuchteten sterblichen Gemüt und durch dasselbe. Dieses Gemüt umfaßt eine falsche, beschränkte, materielle Vorstellung vom geistigen Weltall und vom geistigen Menschen, die die Allmacht des Guten nicht kennt und ihren eignen Annahmen den Platz einräumt, der allein Gottes Ideen zukommt. Das sterbliche Gemüt glaubt, es bestehe eine Macht neben Gott, und sucht somit dem Bösen etwas zuzugestehen, was das Böse nicht besitzen kann.

Wird durch die christlich-wissenschaftliche Anschauung, die die Wirklichkeit des Bösen verneint, der Allmacht und Allgegenwart Gottes etwas entzogen? So töricht sind die Christlichen Wissenschafter nicht, daß sie etwa dächten oder sagten, es gebe in dem menschlichen Erfahrungskreis kein Übel. Sie wissen nur zu gut, wie wirklich es ihnen bisweilen noch erscheint; doch haben sie in der Christlichen Wissenschaft gelernt, daß, wenn sie in der einmal erkannten Wahrheit verharren und in Gedanken, Wort und Tat treu bleiben, sie sich in steigendem Maße der Unwirklichkeit des Guten bewußt werden und ihnen dadurch das trügerische Wesen des Bösen klar wird.

Die Erkenntnis von der Unwirklichkeit des Bösen ist die einzige Grundlage, auf der sich für den einzelnen wie für die Allgemeinheit eine Aussicht auf Besserung oder Erlösung bietet. Jede Reformbestrebung ist das Ergebnis einer wenn auch vielleicht noch unklaren Erkenntnis dieser Wahrheit. Im Kampf gegen das Böse hat die Menschheit keine wirksamere Waffe als die Erkenntnis seiner Unwirklichkeit, die sich aus der Erkenntnis der Allheit Gottes ergibt. Diese Erkenntnis bedeutet den Einzug des Christus in das Menschenherz — der erlösenden Wahrheit über Gott und Seine Schöpfung, die das Bewußtsein von der göttlichen Sohnschaft mit sich bringt. Christus, die Wahrheit, ist bei den Menschen „alle Tage bis an der Welt Ende,” und bringt denen, die bereit sind, sie zu empfangen, Befreiung von allem Übel, von allen falschen Vorstellungen.

In Wissenschaft und Gesundheit kennzeichnet Mrs. Eddy den Christus mit den Worten: „Die göttliche Offenbarwerdung Gottes, die zum Fleisch kommt, um den fleischgewordenen Irrtum zu zerstören” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 583), und auf Seite 589 heißt es von Jesus, er sei „der höchste menschliche, körperliche Begriff von der göttlichen Idee, die den Irrtum rügt und zerstört und die Unsterblichkeit des Menschen ans Licht bringt.” Jesus faßte seine Lebensmission in die Worte zusammen: „Ich bin dazu geboren und in die Welt kommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll.” Wir wissen, daß unser Heiland dieser Aufgabe vollkommen gerecht wurde, daß er in allen Dingen und zu allen Zeiten Gott, der Wahrheit, treu blieb, uns dadurch mit Gott aussöhnte und den Vater aller als allmächtige Liebe und Wahrheit, als unüberwindliches Leben offenbarte.

Vor einiger Zeit hörte ich jemand sagen, der viel ernstes Nachdenken auf diese Dinge verwandt hatte, die Lehre, daß Jesus Gott sei und nicht Mensch, setze der Verbreitung des wahren, lebendigen Christentums ein unüberwindliches Hindernis entgegen; diese Anschauung von dem Wesen Jesu gebe dem Menschen einen Entschuldigungsgrund, wenn er den Erfordernissen, die das Christentum stellt, nicht gerecht wird; ja Mißerfolge seien unvermeidlich wegen des Unterschiedes, den man zwischen Jesus und dem Menschen mache. Auch werde uns dadurch der Mut benommen, in den Fußtapfen des Meisters zu wandeln, uns auf seinen Standpunkt zu stellen und Schritt für Schritt die Herrschaft über das Böse zu erringen, die er besaß. Darf nun ein Christ mit weniger zufrieden sein? Darf er die Wahrheit der Worte Jesu bezweifeln: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubet, der wird die Werke auch tun, die Ich tue”?

Jesus sagte nie, daß die Kraft, durch die er dem Bösen widerstand und andern Freiheit brachte, eine ihm persönlich verliehene Gabe sei. Seine Gotteserkenntnis war es, die ihm dies ermöglichte. Nur dadurch, daß wir die Lehren Jesu mit all ihren Konsequenzen annehmen und denselben gemäß leben, können wir den Weg finden, den wir alle einschlagen müssen, um das Verständnis, das er besaß, zu erlangen und in seinen Fußtapfen zu wandeln. Jesus betrachtete die Zeichen, die dem Glauben seiner Jünger folgen würden, als Beweis für die Aufrichtigkeit dieses Glaubens. Ist dies nicht der Prüfstein für das wahre Verständnis seiner Lehren?

Hier erhebt sich nun die Frage, wie man das geistige Bewußtsein erlangen kann und auf welche Weise die Christliche Wissenschaft wirkt. Die Antwort auf diese Frage lautet: durch wahres Gebet. Wenn wir über Mrs. Eddys Erklärungen des Wesens Gottes nachdenken, wird es uns klar, daß es nutzlos wäre, den Allweisen zu bitten, Er möge Seinen Willen unserm Willen anpassen, oder den Allgütigen um einen Segen anzuflehen, den Er uns, wie wir glauben, sonst vorenthalten würde. Durch das Gebet werden Gottes Beschlüsse nie und nimmer geändert, aber die Gemeinschaft mit Ihm wandelt den sterblichen Menschen um durch die Erneuerung des Gemüts.

Gebet im wahren Sinn bedeutet, auf Gott lauschen. Wenn man Gott, die Wahrheit, erkennt, kann man nicht im Irrtum verharren; und das tägliche Leben offenbart dann, ob man aufrichtig gebetet hat. Das christlich-wissenschaftliche Gebet besteht also nicht darin, daß man Gott um das Gelingen selbstgemachter Pläne bittet, sondern es fordert von uns den Geist, den Jesus mit den Worten bekundete: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!” Dann wird uns klar — vielleicht langsam, aber sicher —, daß Gottes Wille auch der unsre ist, da des Menschen wirkliches Selbst nichts andres ist als der Ausdruck Gottes.

Ein solches Beten bewahrt uns vor bösen Erlebnissen irgendwelcher Art, und zwar nicht etwa, weil es uns der Wirklichkeit gegenüber blind macht und uns hindert, alles, was besteht, zu sehen, sondern weil es die Wolken vertreibt, die das Wirkliche zu verbergen trachten. Der Prophet Habakuk schreibt: „Deine Augen sind rein, daß du Übels nicht sehen magst.” So zu sehen, wie Gott sieht, ist gewiß das klarste Sehen, das der Mensch erlangen kann. Auf diese Weise wird das Leben zu einem beständigen Gebet, weil der Mensch dann unter allen Umständen und in allem, was er tut, auf Gottes Stimme zu hören und die Allgegenwart des Guten zu bezeugen sucht.

Die Christlichen Wissenschafter erfahren, daß ihnen ihre Erkenntnis der Wahrheit hilft, andre zum Bewußtsein ihres wahren Seins als Gotteskinder emporzuheben. Die Möglichkeit, andern zu helfen, die Fesseln der Sünde und Krankheit zu sprengen, die Fähigkeit, ihnen wahre, hilfreiche Barmherzigkeit zu erweisen, indem man mit ihnen zum Vater geht, ist für den Christlichen Wissenschafter kein geringer Grund zur Dankbarkeit und Freude. Er lernt immer mehr, in jedem Menschen seinen Bruder zu sehen, dem er jederzeit zu helfen bereit sein muß, und sein Leben wird zu einem Leben der Hingabe (aber nicht an das Leiden), einem Leben, das die Verheißung einer verherrlichten Menschheit mit sich bringt.

In Wissenschaft und Gesundheit (S. 288) lesen wir: „Die Grundsteine in dem Tempel der Christlichen Wissenschaft liegen in folgenden Postulaten: daß Leben Gott ist, gut und nicht böse; daß Seele sündlos und nicht im Körper zu finden ist; daß Geist weder materialisiert ist noch materialisiert werden kann; daß Leben dem Tode nicht unterworfen ist; daß es für den geistigen, wirklichen Menschen weder Geburt noch materielles Leben noch Tod gibt.” In diesen Tempel, in dieses himmlische Bewußtsein werden wir dann geführt, wenn wir so „gesinnet” sind, „wie Jesus Christus auch war”— wenn wir das göttliche Gemüt, die eine Wahrheit, als unser alleiniges Gemüt anerkennen. Dann lernen wir das erste Gebot unter allen Umständen halten, erkennen keine andern Götter oder Mächte an als das unendliche Gute, die universelle Liebe, bei der kein Ansehen der Person gilt, und sehen unsre Mitmenschen als Miterben Christi an, als Miterben alles dessen, was Gott für Seine Kinder bereitet hat.

In diesem Licht betrachtet, entfaltet sich uns die Brüderschaft der Menschen als die Tätigkeit des einen Gemüts, das in allen wohnt, und durch dessen Wirken alles, was den einzelnen betrifft, die gesamte Menschheit berührt. Aller Mangel, aller Hader und Neid, alles tyrannische und selbstsüchtige Streben, alle falschen sozialen Zustände sind der Vorstellung entsprungen, daß es ebensoviele Gemüter gebe wie Menschen; daß, was einer besitzt, andern vorenthalten bleibe; daß die Versorgungsquelle beschränkt und parteiisch sei.

Die Lösung aller sozialen Fragen und aller internationalen Probleme wird dadurch herbeigeführt, daß man in dem einen Gemüt, in der göttlichen Liebe lebt, denn die göttliche Liebe vernichtet die Wurzeln der Übel, denen solche Fragen und Probleme entwachsen. So lernt der Mensch die praktische Wahrheit der Worte Jesu verstehen: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.”

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