Dem aufmerksamen Bibelleser muß es auffallen, wie genau Christus Jesus mit den Schriften des Alten Testaments bekannt war. Wenn er sich einem scheinbar schwierigen Problem gegenübersah, so antwortete er den Fragern, den freundlich gesinnten sowohl wie den tadelsüchtigen, mit einer Stelle aus der Schrift, die vom gesamten Volk wenigstens oberflächlich anerkannt wurde. „Er tauchte unter die materielle Oberfläche der Dinge und fand die geistige Ursache” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 313). Mit andern Worten, er gebrauchte Schriftworte sehr selten in dem allgemein anerkannten Sinn, sondern fand ihren geistigen, metaphysischen Sinn und gab somit den vorurteilsfreien Menschen eine höhere Auffassung von den vorliegenden Problemen.
Als die Sadduzäer zu ihm kamen und ihn über seine Ansicht über das Leben im Jenseits befragten, und den Fall einer Frau anführten, die sieben Männer gehabt hatte, antwortete er: „Ihr irret und wisset die Schrift nicht noch die Kraft Gottes.” Nun steht aber nichts im Alten Testament, was als direkte Antwort auf die vorgelegte Frage betrachtet werden könnte, nämlich, welchen von diesen sieben Männern eine solche Frau im Jenseits haben werde; und doch wies der Meister sie mit großer Bestimmtheit auf eine Stelle im zweiten Buch Mose hin und gab ihnen sodann seine Erklärung dieses Ausspruchs mit folgenden Worten: „Gott aber ist nicht der Toten, sondern der Lebendigen Gott; denn sie leben ihm alle.” Bei vielen andern Gelegenheiten gab ihm seine genaue Schriftkenntnis die Waffe in die Hand, wenn er den materialistischen Ansichten derer begegnete, die für streng religiös gelten wollten. Nachdem er bei einer Gelegenheit zu seinen Zuhörern gesagt hatte, daß sie wohl in der Schrift forschten und meinten, da das ewige Leben zu finden, fügte er hinzu: „Ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben haben möchtet.”
Diese Worte gelten auch in unsern Tagen all denen, die wohl behaupten, die Schrift anzuerkennen, besonders das Neue Testament, sich dabei aber weigern, das ewige Leben auf die Weise des Christus zu suchen — auf die Weise, die uns Mrs. Eddy in allen ihren Schriften lehrt und die vielen Tausenden Gesundheit, Heiligkeit und Glück gebracht hat. Wieviele gibt es wohl außerhalb der Reihen der Christlichen Wissenschafter, die die einzige Art Leben, welche der große Meister dartat, anerkennen, nämlich das ewige Leben, das ununterbrochene Bewußtsein des Seins als Ausdruck Gottes, das Leben, welches stets vorhanden ist und in den unsterblichen Eigenschaften der Christus-Idee wiedergespiegelt wird.
Die Christlichen Wissenschafter dürfen sich wohl die Frage vorlegen, ob sie der Tadel des Meisters trifft: „Ihr irret und wisset die Schrift nicht noch die Kraft Gottes.” Sie forschen allerdings fleißig in der Schrift, und es ist ihnen sehr daran gelegen, die Kraft Gottes in höherem Maße zu erkennen, damit sie auf dieser menschlichen Daseinsstufe alles, was Ihm ungleich ist, überwinden mögen. Dennoch aber sollten sie sich oft die Frage vorlegen, ob sie dieses Forschen mit demselben Eifer betreiben, den sie z. B. auf das Studium eines Zweigs der Naturwissenschaft verwenden würden. Niemand denkt daran, zu behaupten, eine oberflächliche Kenntnis in solchen Fächern befähige einen Menschen, ihre Regeln zu demonstrieren. Und dennoch läßt man sich so leicht zu der Annahme verleiten, es genüge das zur Demonstration der Wissenschaft des Seins. Dieser Fehler ist viel ernster als ein Fehler auf dem Gebiete der materiellen Sinne.
Schreiberin dieses erinnert sich einer Nacht, in welcher tiefes Forschen in der Bibel und anhaltendes Beten in einem Krankheitsfall keine Besserung herbeizuführen schien, bis endlich im vierundzwanzigsten und fünfundzwanzigsten Vers des elften Kapitels im Markus-Evangelium das richtige Wort gefunden war. Es genügte nicht, diese Worte bloß zu lesen. Der sterbliche Sinn seitens des Patienten und des Praktikers widerstanden der geistigen Forderung und mußten daher aufgedeckt und zum Schweigen gebracht werden. Als dies stattgefunden hatte, war der Berg der Krankheit und Sünde „ins Meer” versenkt. Wir können uns nicht zu oft des ersten Glaubenssatzes unsrer Kirche auf Seite 497 unsres Lehrbuchs erinnern: „Als Anhänger der Wahrheit haben wir das inspirierte Wort der Bibel zu unserm geeigneten Führer zum ewigen Leben erwählt.”