Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Aufrichtiges Verlangen

Aus der August 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Bei der Verbreitung der guten Botschaft des Heilens durch das göttliche Gemüt machen die Praktiker der Christlichen Wissenschaft gar mancherlei Erfahrungen. In dem Maße, wie sich ihnen ein größeres Feld für ihre Tätigkeit erschließt, sehen sie sich vor neue und oft schwierige Aufgaben gestellt. Sie begegnen vielerlei Gemütsarten und Charakteranlagen, die einen hohen Grad der Weisheit nötig machen. Wer hätte es nicht schwierig gefunden, zu ermessen, wie tief bei einem Kranken das Verlangen nach Heilung geht? Ist der Umstand, daß ein Wunsch aufs ernstlichste geäußert wird, ein untrüglicher Beweis für die völlige Aufrichtigkeit dieses Wunsches?

Aufrichtigkeit ist der liebliche Duft des christlichen Glaubens, der uns bei unsrer täglichen Arbeit das Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit gibt. Ist aber ein Mensch, der sich in der Not befindet, immer aufrichtig, wenn er einen andern um Hilfe bittet? Hier mag nun jemand die Frage aufwerfen: „Ein leidender Mensch will doch seine Schmerzen loswerden. Ist das nicht ganz natürlich?” Sicherlich; aber gar zu oft ist das Jammern des sterblichen Sinnes, das wir um uns her vernehmen, der Schrei nach den Broten und Fischen, mit denen man einen zeitweiligen Hunger stillen will. Wenn der Leidende seine Bitte ergehen läßt, täte er gut zu bedenken, daß wahres Verlangen, das Verlangen, welches einem Gebet gleichkommt und viel vermag, zu den Seltenheiten gehört.

Unter dem Druck körperlicher und geistiger Not glaubt so mancher, er würde alles, was er an materiellen Gütern besitzt, für eine einzige Stunde des Freiseins von Schmerz dahingeben. Ist nun ein solches Verlangen nach Hilfe kein aufrichtiges Verlangen? Gewissermaßen ja; aber bedurfte es neben dem starken Verlangen des Patienten nicht des selbstlosen Gebets des Heilers, um Abhilfe zu schaffen? Wäre nicht durch ein völlig selbstloses Beten seitens des Kranken das Werk ebensogut vollbracht worden? Ein Mensch, dessen Leben und Denken von selbstischen Vorstellungen geläutert ist, kommt nicht so leicht in die Lage, um Hilfe bitten zu müssen. Läßt sich demnach nicht alles in die Frage zusammenfassen, ob man gerne bereit ist, den Preis in der Form von eigner Arbeit zu zahlen? Es dürfte sich für jeden, der bei einem Praktiker Hilfe sucht, empfehlen, sich diese Frage vorzulegen.

Man nehme an, dem Leidenden sei die erwünschte Hilfe zuteil geworden, und der Kampf habe mit Sieg geendet. Wie steht es um das Gebet, das der Leidende so inbrünstig dargebracht hat? Ist er durch die Heilung wahrhaft dankbar geworden? Ist sein Wunsch, mehr von der Wahrheit des Evangeliums zu kennen, hinreichend, ihn zu hilfreicher Arbeit für seinen Mitmenschen zu veranlassen? Liebt er jetzt seinen Nächsten wie sich selbst, oder ein wenig mehr als sich selbst? Ist dies der Fall, dann hat sein Gebet mehr vermocht als alle menschlichen Überzeugungskünste und Vernunftgründe. Der Praktiker würde viel Freude erleben, wenn jeder Heilungsfall zu einem solchen Ergebnis führte.

Auf Seite 11 von Wissenschaft und Gesundheit sagt unsre Führerin: „Wir wissen, daß ein Verlangen nach Heiligkeit erforderlich ist, um Heiligkeit zu gewinnen; wenn wir aber Heiligkeit mehr als alles andre begehren, so werden wir alles für sie opfern.” Wenn wir Heilung erstreben, sollten wir uns dann nicht wenigstens willig an der Arbeit beteiligen? Wie steht es z. B. mit dem, dessen Wunsch, geheilt zu werden, nicht aufrichtig genug ist, um ihn zum pflichtgetreuen Forschen in dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, zu veranlassen, sowie zum Lesen unsrer Zeitschriften und autorisierten Werke, die ihm zur nötigen Weisheit verhelfen würden? Wenn der Leidende Schmerzen empfindet, ruft er aus: „Tu’ dein möglichstes für mich!” Nachdem aber die Besserung eingetreten ist, wird der Verpflichtungen gegenüber der Christlichen Wissenschaft und dem Praktiker im Hasten und Treiben des modernen Lebens oft nicht mehr gedacht.

Natürlich verhält es sich in vielen Fällen ganz anders. Ein Mann, der dem Trunk ergeben war, kam einst in großer Angst zu einem Praktiker. Er hatte früher durch die Christliche Wissenschaft Heilung gefunden, war aber wieder in den alten Fehler verfallen und sah nun nichts als Elend und Finsternis vor sich. Sein Wunsch, emporgehoben zu werden, war aber so aufrichtig, und sein Glaube, daß ihm Gott vergeben, ihn von dem knechtenden Irrtum befreien würde, war so echt und stark, daß er durch einmaligen Beistand geheilt wurde und es nie wieder an der nötigen Dankbarkeit fehlen ließ.

Diesem Fall könnte ein andrer gegenübergestellt werden von einem jungen Mann, der offenbar einen Lichtblick vom wahren Menschentum erlangt hatte, denn er hatte sich veranlaßt gefühlt, Befreiung von der Gewohnheit des Rauchens zu suchen. Als er über die Aufrichtigkeit seines Wunsches gefragt wurde, antwortete er, er begehre sehr, geheilt zu werden. Nach einigen Tagen der Arbeit zeigte es sich aber, daß sein Glaube, daß das Rauchen genußbringend sei und wohltuend wirke, stärker war als das von ihm geäußerte Verlangen nach sittlicher Freiheit; und so kam natürlich keine Heilung zustande.

Wie der Verfasser beobachtet hat, erlangt ein Mensch, der bereit ist, schon die geringste Forderung anzuerkennen, am schnellsten Heilung. Die Sinnesart, die zuversichtlich Heilung erwartet, ungeachtet alles menschlichen Scheins, macht dem Praktiker Freude. Zwar sind die Christlichen Wissenschafter alle in gewissem Sinn Praktiker; aber es sind hier besonders solche gemeint, die ihre ganze Zeit der Linderung der menschlichen Not widmen. Sie sind die getreuen Wachtposten. Sie bedürfen der Ermutigung und der helfenden Hand eines jeden, der im Dienste der Wahrheit steht. Mitarbeit, besonders seitens der Leidenden oder Bekümmerten, denen Beistand erteilt wird, ist, wenn sie freudig und mit Danksagung geschieht, eine erstaunliche Hilfe zum Gelingen der Arbeit.

Das aufrichtige Verlangen ist der Seidenfaden, der zu allem rechten Gelingen führt. Es ist das Geheimnis jenes Gebets, das nicht vergeblich dargebracht wird. Der Mann von Galiläa gab seinen Jüngern die Verheißung: „Alles was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr’s empfahen werdet, so wird’s euch werden.” Ein andermal sagte er: „Denn ich sage euch: Viel Propheten und Könige wollten sehen, das ihr sehet, und haben’s nicht gesehen, und hören, das ihr höret, und haben’s nicht gehöret,” womit er meinte, daß das Wort der Wahrheit für den geringsten Erdenbürger wirksam wird, wenn er ernsten und getreuen Sinnes danach strebt. Diesen Ton schlug auch der Psalmist an in Augenblicken großer Erhebung, doch sang er kein wahreres Wort als dieses: „Habe deine Lust am Herrn; der wird dir geben, was dein Herz wünschet.”


Nun seid getrost! So lang ist keine Nacht,
Daß nicht auch ihr zuletzt ein Tag erwacht.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / August 1917

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.