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Die Unwirklichkeit des Irrtums

Aus der August 1917-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Nichts in der Christlichen Wissenschaft hat so viel abfällige Kritik hervorgerufen, wie die Behauptung, daß der Irrtum oder das Böse unwirklich ist. Dieser Standpunkt ist jedoch der einzig konsequente, wenn man sich auf die allgemein anerkannte Auffassung von Gott als dem unendlichen und vollkommenen Wesen stützt. Die Behauptung, daß Gott allgegenwärtig, allwissend oder allmächtig ist, schließt die Möglichkeit aus, daß das Böse Macht oder Dasein hat. Der einzig logische Schluß, den wir aus der Voraussetzung ziehen können, daß Gott, das Gute, allen Raum erfüllt, mit andern Worten, allgegenwärtig ist, ist der, daß das Böse weder Dasein noch Wirklichkeit hat, denn wenn es besteht, muß es Raum einnehmen.

Wenn Gott allwissend ist, d.h. alles weiß, so können wir nichts wissen, was Er nicht weiß; denn alles stammt von Ihm, dem göttlichen Bewußtsein, das nichts Böses in sich birgt. Da Seine Kenntnis vollkommen ist, so kann Er den Irrtum nicht als wahr oder wirklich erkennen. Könnte der Irrtum als wahr erkannt werden, so würde er aufhören, Irrtum zu sein. Er würde zur Wahrheit. Jesus nannte den Quell des Bösen oder des Irrtums einen „Lügner” und einen „Vater derselbigen.” Tatsächlich kann man einen Irrtum nicht als wahr erkennen, sondern man kann nur an seine Wahrheit glauben. Niemand erkennt z.B., daß zweimal zwei fünf ist. Man mag es glauben oder denken, kann es aber nicht erkennen. Gott glaubt nicht. Er erkennt oder weiß alles, und alles, was Er weiß, ist Wahrheit.

Wenn Gott allmächtig ist, d.h. alle Macht hat oder die einzige Macht ist, und zugleich gut ist, dann muß alle Macht wahr und gut sein. Das Böse kann demnach keine Macht haben. Wenn das Böse oder der Irrtum nirgends gegenwärtig ist, kein Erkenntnisvermögen hat, nicht erkannt werden kann und aller Macht entbehrt, was bleibt ihm dann noch an Wirklichkeit übrig? Eine Lebensführung, die mit der Auffassung von Gott als einem vollkommenen Wesen übereinstimmt, ermöglicht es uns, allen Irrtum aufzudecken und seine Unwirklichkeit zu beweisen. Wenn wir erkannt haben, daß der Irrtum unwirklich ist, dann müssen wir unentwegt und unaufhörlich an dieser Tatsache festhalten. Auf Seite 9 von Unity of Good schreibt Mrs. Eddy: „Dadurch, daß wir die Unwirklichkeit der Krankheit, der Sünde und des Todes erkennen, demonstrieren wir die Allheit Gottes.”

Wenn Gott die alleinige Ursache und der alleinige Schöpfer alles Bestehenden ist, so müßte das Böse in Ihm seinen Ursprung haben. Daß aber Gott, der absolut gut ist, irgend etwas, was Seinem Wesen schnurstracks entgegengesetzt ist, erschaffen könnte, ist undenkbar; denn Er könnte unmöglich das zum Ausdruck bringen, was in Seinem Bewußtsein nicht existiert. Ebensowenig kann die Entlarvung des Bösen als einer Nichtsheit dadurch umgangen werden, daß man sagt, Gott lasse es zu; denn würde Er etwas gestatten, was Er zu verhüten oder zu zerstören wüßte, so wäre das ebenso schlimm, wie wenn Er es schaffen würde. Zudem müßte Er sich erst des Übels bewußt sein, ehe Er es gestatten könnte. Die Behauptung, daß etwas außerhalb des unendlichen Seins bestehe und demselben entgegengesetzt sei, ist eine offenkundige Sinnwidrigkeit.

Nun lassen sich leicht Theorien aufstellen über die Unwirklichkeit des Bösen; weit schwieriger ist es aber, diese Unwirklichkeit tatsächlich zu erkennen. Man mag einsehen, daß der Irrtum logisch unwirklich ist, und dabei doch den Fehler begehen, der jahrhundertelang begangen worden ist, nämlich, dem Macht zuzugestehen, was keine Macht hat, wodurch man es dann zur Wesenheit macht. Gibt man dem Bösen in einem Punkte Macht, so vermehrt es sich gleich hundertfach. Man mag so viele Nullen addieren oder multiplizieren wie man will, das Resultat bleibt immer null. Sobald man aber an Stelle einer Null eine Größe setzt, kennt ihre Vermehrung keine Grenzen.

So ist es auch mit dem Irrtum. Wollen wir unser Freisein von ihm sowie die auf einer Erkenntnis des Guten beruhende Erlösung beweisen, so müssen wir die Unwirklichkeit, die Nichtsheit jeder Form des Irrtums erfassen. Dies bedingt jedoch Wachsamkeit und Vorsicht, denn der Irrtum greift uns stets an unsrer schwächsten Stelle an. Wir mögen z.B. keine Furcht haben vor physischem Schmerz oder vor Krankheit, aber überaus empfindlich sein gegen das, was wir als eine unfreundliche Bemerkung, einen ungerechten Vorwurf oder eine undankbare Handlung seitens eines Freundes betrachten. Wenn wir aber gleich einsehen, daß das Unrecht nichts ist als Irrtum, der versucht, uns und denjenigen, durch den er zum Ausdruck kommt, zum Sklaven zu machen, und wenn wir erkennen, daß das Unrecht, weil es Irrtum ist, weder Wesenheit noch Macht hat, jemanden zu beeinflussen oder ihm ein Leid zuzufügen, dann erkennen wir sogleich seine Nichtsheit. Ja wir machen uns dann nicht nur selber frei, sondern sind auch in der Lage, zu vergeben und dem andern zu helfen.

Wer die Nichtsheit des Irrtums erkennt, empfindet nicht nur ein Gefühl der Freiheit und der Macht, sondern er strahlt diese Erkenntnis auch auf seine Mitmenschen aus, so daß Furcht und Sorgen von ihnen genommen und in vielen Fällen vernichtet werden. Leute, die sich sonst für die Christliche Wissenschaft nicht besonders interessieren, sprechen oft von einem Gefühl der Harmonie, das sie in der Gegenwart von Christlichen Wissenschaftern empfinden. Ohne Zweifel ist dies darauf zurückzuführen, daß der Christliche Wissenschafter die sogenannten Übel und Leiden der menschlichen Erfahrung mit weniger Scheu und Furcht betrachtet. Der Praktiker der Christlichen Wissenschaft muß sich bei der Behandlung der Kranken oder sonstiger Hilfsbedürftiger, die sich an ihn gewendet haben, vor allem über die Unwirklichkeit des Irrtums, von dem der Patient Befreiung sucht, klar sein. Mrs. Eddy schreibt auf Seite 417 von Wissenschaft und Gesundheit: „Krankheit sollte dem Arzt nicht wirklich erscheinen, denn es ist demonstrierbar, daß die Art und Weise den Patienten zu heilen darin besteht, ihm die Krankheit unwirklich zu machen.”

Man läßt sich leicht dazu verleiten, zuzugeben, daß ein Fall sehr ernst gewesen sei, in der Absicht, die Heilkraft der Wahrheit hervorzuheben oder die Leistung des Praktikers zu rühmen. Aber ist dies nicht eine schlaue Einflüsterung, daß das Übel und seine Folgen doch noch einen gewissen Anspruch auf Wirklichkeit hätten? Wie kann das, was nichts ist, verschiedene Grade aufweisen, wie kann es ernst oder weniger ernst sein? Ist eine Null mehr wert als eine andre? Wenn wir zugeben, daß der Irrtum je etwas ist, so leugnen wir die Allheit Gottes. „Ja warum aber dann den Irrtum leugnen?” mag jemand fragen; „es hat doch keinen Zweck, ein Nichts zu leugnen!” Ganz recht; aber wenn das Nichts Dasein und Macht zu haben scheint, so muß man die Scheinbarkeit leugnen, oder man wird das, was nichts ist, als etwas betrachten. Ein Herr, der auf einem Schiff mit dem Kapitän im Gespräch war, sah, wie das Schiff direkt auf einen aus dem Wasser ragenden Streifen Land zusteuerte. Als der Dampfer seinen Kurs nicht änderte, wandte sich der Herr verwundert an den Kapitän um Aufklärung. „Na, passen Sie mal auf,” sagte dieser, „da fahren wir mitten durch.” Es war eine optische Täuschung. Die scheinbare Wirklichkeit, von der die Sinne zeugten, mußte geleugnet werden, oder das Schiff hätte seinen Kurs geändert.

Nun besteht aber ein großer Unterschied zwischen dem Erkennen des Irrtums und dem Ignorieren desselben. Es gibt Leute, die sich zur Christlichen Wissenschaft hingezogen fühlen, weil diese, wie sie sagen, das lehre, was sie immer geglaubt hätten, nämlich, daß man den unharmonischen und unangenehmen Dingen dieses Lebens nicht so große Aufmerksamkeit schenken darf. Sie erklären, sie beachteten Schmerzen wenig oder gar nicht, und sie seien zu vernünftig, sich von dem, was andre Leute sagen oder denken, stören zu lassen. Ein solches Verhalten entspricht jedoch durchaus nicht der Christlichen Wissenschaft, sondern ist das gerade Gegenteil. Es ist eine apathische Denkweise, die aufgeweckt und aufgerüttelt werden muß. Die Erkenntnis der Unwirklichkeit des Irrtums muß das Verständnis dessen zur Grundlage haben, was wirklich ist.

Nun mag jemand einwenden, daß es dem Sünder doch nur zur Rechtfertigung dienen und ihn zum Weitersündigen veranlassen könne, wenn man die Sünde ein Nichts nennt. Es liegt aber auf der Hand, daß man der Sünde nur deshalb frönt, weil man glaubt, sie sei etwas. Ein jeder muß für sich selber ihre Nichtsheit erkennen lernen, und wer den Fehler begeht, das Falsche als wirklich und wahr zu betrachten, muß die Folgen tragen. Auf Seite 339 von Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Ein Sünder kann keine Ermutigung aus der Tatsache empfangen, daß die Wissenschaft die Unwirklichkeit des Bösen demonstriert, denn der Sünder möchte eine Wirklichkeit aus der Sünde machen — möchte das wirklich machen, was unwirklich ist, und so ‚Zorn auf den Tag des Zorns‘ häufen.” Wer das trügerische Wesen der Sünde kennt, wird sicherlich seine Zeit nicht damit vergeuden, daß er dem Gegenteil des Wahren und Wirklichen frönt.

Wie kann man aber den Irrtum tadeln, wenn er nichts ist? Den schärfsten Tadel, den man dem Irrtum erteilen kann, ist der, daß man seine Nichtsheit bloßlegt. Wer einen Tadel erteilt, muß jedoch auf der Hut sein, damit er den Irrtum nicht zur Wirklichkeit macht und dadurch seine Fähigkeit einbüßt, ihn zu vernichten. Wer zornig, aufgebracht, rachsüchtig ist oder Groll hegt, muß erst den Glauben an die Wirklichkeit des Irrtums in seinem eignen Bewußtsein überwinden, bevor er weitergehen kann. Erkennt er das trügerische Wesen des Irrtums, dann kann er den Schuldigen mit Güte behandeln, und falls der Mitmensch sein Betragen nicht ändert, wird er vor einem Gefühl des Grolls oder vor dem Verlangen nach Wiedervergeltung bewahrt. Das einzige Verfahren, wie wir den Irrtum unter allen Umständen erfolgreich bekämpfen können, besteht darin, daß wir erst die Wirklichkeit und Allheit der Wahrheit erkennen. Dann sind wir fähig, die Unwirklichkeit des Irrtums zu beweisen, und zwar in dem Maße, wie wir die Allheit des Guten erfassen. Nur wer durch die Erkenntnis der Wahrheit in gewissem Maße frei geworden ist von den knechtenden Freuden und Schmerzen der Sinne und die ungetrübten Freuden der Seele kennen gelernt hat, kann die Unwirklichkeit des Irrtums verstehen.


Der Heilige Geist kommt herab und erfüllet die Jünger, die in Trauern und Furcht beisammen saßen, und machet ihre Zungen feurig und zerspalten, entzündete sie, daß sie frei von Christo predigen und sich vor nichts fürchten. Da siehest du ja klar, daß es ein solcher Geist ist, der in das Herz schreibet und schaffet einen neuen Mut, daß der Mensch vor Gott fröhlich wird und danach den Leuten mit fröhlichem Gemüte dient.—

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