David war wahrhaft strebsam. Er trat als Freiwilliger ein für Gott und Vaterland und gegen Goliath. Zum König Saul sagte er: „Dein Knecht soll hingehen und mit dem Philister streiten,” worauf er den Riesen forderte „im Namen des Herrn Zebaoth, des Gottes des Heers Israels.” Die Erfahrung dieses Schäferknaben war jedoch ähnlich wie die vieler andrer geistiger Streiter: man warf ihm einen unlauteren Beweggrund vor. Sein älterer Bruder ward zornig und sagte: „Warum bist du herabkommen? und wem hast du die wenigen Schafe dort in der Wüste gelassen? Ich kenne deine Vermessenheit wohl und deines Herzens Bosheit.” Wäre Eliab ein metaphysischer Stümper gewesen, so hätte er dem David ohne Zweifel des ehrgeizigen Strebens beschuldigt.
Mrs. Eddy schreibt auf Seite 58 von Wissenschaft und Gesundheit: „Uneigennütziges Streben, edle Lebensmotive und Reinheit — diese Bestandteile des Denkens bilden, wenn sie sich vermischen, für den einzelnen wie für die Gesamtheit, wahres Glück, wahre Stärke und Ständigkeit.” Wahre Strebsamkeit beruht auf Inspiration und wird somit vom fleischlichen Gemüt mißverstanden. Wenn Strebsamkeit richtigen Ursprungs ist und ein richtiges Ziel hat, so ist sie nicht nur erlaubt sondern geradezu notwendig zum geistigen Fortschritt. Sie läßt den regen Wunsch erkennen, für Gott zu wirken, Gott ähnlich zu sein, der sanften Stimme der Wahrheit zu gehorchen. Diese Art der Strebsamkeit ist unersättlich, weil die Treber der Materialität sie nicht befriedigen kann. Sie führt den Christlichen Wissenschafter an das Bett der Kranken und Sterbenden, macht sie zu Freiwilligen in der Kirchenarbeit, zu Kämpfern gegen den Irrtum, und veranlaßt sie, Zeit, Geld und Kräfte der Rettung der Menschheit zu widmen. Ist solche Strebsamkeit ehrgeizig? In ihrer Botschaft von 1902 an Die Mutter-Kirche schrieb Mrs. Eddy: „Macht muß nicht notwendigerweise zur Unterdrückung heranreifen; in Wirklichkeit ist das Recht die einzige Macht, und das einzig wahre Streben besteht darin, Gott zu dienen und der Menschheit zu helfen” (S. 3).
Menschen, die sich in einem Zustand geistiger Untätigkeit befinden, üben leicht abfällige Kritik an denen, die in Kirche und Staat tätig sind. Sie würden den Propheten Jesaja getadelt haben, weil er auf die Frage des Herrn: „Wer will unser Bote sein?” die Antwort gab: „Hie bin ich; sende mich!” Widerstand gegen wahre Strebsamkeit sucht diejenigen herabzuziehen, die den Berg der Verklärung ersteigen wollen. Er verhöhnte den Meister. Er machte Anschläge und Pläne gegen ihn und wies gerade dann mit dem Finger auf ihn, wenn der Glanz seiner göttlichen Botschaft ihn umgab. Er nannte ihn den Obersten der Teufel, obgleich die Stimme vom Himmel erklärte: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.”
Ehrgeiziges Streben ist seltener als man im allgemeinen denkt. Es bildet oft eine falsche Anklage gegen geistig gesinnte Menschen, deren Eifer für Gott mißverstanden wird. Der Druck geistiger Eingebung macht die Menschen zuweilen impulsiv; wer sich aber von Gott leiten läßt, folgt dem wahren Impuls. Gewissenhafte Christliche Wissenschafter, denen Gott über alles andre geht, sind ganz besonders der Beschuldigung ausgesetzt, ehrgeizige Streber zu sein. Wer will sie aber tadeln, wenn sie das Wort durch ihre Werke zur Geltung bringen? Bildet nicht diese falsche Auffassung eine geheime Verschwörung, welche der fleischliche Sinn gegen wahre Strebsamkeit, ja gegen die Wahrheit selber anzettelt? Als Kolumbus glaubte, die Welt sei rund, und danach strebte, in westlicher Richtung einen Weg nach Indien zu finden, erklärten ihn seine Zeitgenossen für wahnsinnig. Als Mrs. Eddy in den Tempel der falschen Vorstellungen eintrat, war sie genötigt, den Spieß umzudrehen und zu beweisen, daß die Vorstellungen des sterblichen Gemüts wahnsinnig sind.
Erscheint ein Mitbruder ungebührlich strebsam, so verdamme man ihn nicht, ehe man seinen Beweggrund klar erkannt hat, denn sonst läuft man Gefahr, sich gegen einen Menschen zu verschwören, der mächtig ist vor Gott, weil er danach strebt, so gesinnet zu sein, „wie Jesus Christus auch war”— weil er geistige Tätigkeit, Gehorsam, Gesinnungstreue, Intelligenz, Demut und Macht zu beweisen sucht. Auf Seite 110 von Miscellaneous Writings lesen wir: „Gibt es ein höheres Streben als in dir selber das zu pflegen, was Jesus liebte, und zu wissen, daß dein Beispiel mehr als Worte die Sittlichkeit der Menschheit fördert?”
