Für die älteren Christlichen Wissenschafter ist es immer eine Freude, zu sehen, was die Kinder durch die Christliche Wissenschaft vollbringen. Mrs. Eddy nannte sie „die Hoffnung unsres Geschlechts” (Pulpit and Press, S. 9), und wir haben allen Grund, uns zu freuen, wenn sich in unserm angeblich reiferen Bewußtsein der gleiche einfache, absolute Glaube vorfindet, der die Denkart und das Wesen des Kindes kennzeichnet.
Eine Mutter, die sich seit zwei Monaten für die Christliche Wissenschaft interessiert hatte, sagte zu ihrem kleinen Knaben, der allem Anschein nach sehr unwohl war: „Was sollen wir tun, mein Herzchen? Früher gab dir die Mama Medizin, aber das dürfen wir jetzt nicht mehr, nicht wahr?” „Nein,” antwortete der Kleine, „jetzt sind wir Wissenschafter, und du mußt mich behandeln.” „Aber ich weiß nicht wie,” erwiderte die Mutter besorgt. „Ich weiß es,” war die unerwartete Antwort. „Ich lernte es gestern in der Sonntagsschule. Du mußt immer zuerst dran denken, daß Gott Liebe ist.” Der Kleine erklärte seiner Mutter so gut er konnte, was er gelernt hatte, und lief dann hinaus, um zu spielen, völlig zufrieden. In weniger als zehn Minuten war die Krankheit überwunden.
Schreiberin dieses fand in obigem kleinen Vorfall, den ihr genannte Mutter selbst erzählte, viel Stoff zum Nachdenken. Dachte auch sie bei unharmonischen Erscheinungen zuerst daran, daß Gott Liebe ist? Täte man dies allezeit, und täte man es stets vollkommen, wäre dann nicht Harmonie das unausbleibliche Ergebnis? Auf Seite 113 von Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Das Lebenselement, das Herz und die Seele der Christlichen Wissenschaft ist Liebe. Ohne sie ist der Buchstabe nichts als der tote Körper der Wissenschaft — ohne Pulsschlag, kalt, leblos.” Dieses „Lebenselement” war es, was der Knabe so schnell erfaßt und sich zueigen gemacht hatte. Können nicht wir älteren Kinder, die wir uns so sehr nach rascheren Heilungen sehnen, etwas von diesem kleinen, sechsjährigen Praktiker lernen? Würden wir nicht wohl tun, wenn sich uns ein Problem zur Lösung bietet, uns vor allem zu fragen, ob die Schwierigkeit in irgendeinem Teil mit der Liebe und ihrem vollkommenen Gesetz in Einklang stehen kann?
Gott ist Liebe. Gott ist Alles. Folglich ist die göttliche Liebe Alles; außer ihr gibt es keine Macht, und sie allein ist gegenwärtig. Des weiteren folgt logischerweise, daß alles, was mit Liebe und ihren vollkommenen Gesetzen nicht übereinstimmt, nicht wahr ist. Es hat weder Grundlage, Prinzip, Beständigkeit, Leben, Substanz, Wesenheit noch Wirklichkeit; daher darf man nicht daran glauben. Wie schnell zergeht doch der Irrtum in sein ursprüngliches Nichts, wenn man ihn mit dem Maßstab bemißt: „Hat die Liebe es getan?” Wenn z. B. eine Sache nicht richtig ist, so ist es klar, daß die Liebe nichts damit zu tun hatte. Ist etwas nicht gerecht, so wird es von der Liebe nicht aufrecht erhalten. Ist es nicht wahr, so kann die Liebe es nicht unterstützen, denn die Liebe erhält nur das, was ihr gleich ist. Was die Liebe je unterstützt hat, wird in alle Ewigkeit von ihr unterstützt sein.
„Die Liebe höret nimmer auf.” Liegt es im Wesen der Liebe, erst etwas in Gang zu bringen und es dann sich selbst zu überlassen? Kann uns die Liebe Arbeit auftragen, ohne uns zu zeigen, wie sie zu verrichten ist? Kann uns die Liebe etwas Schönes und Gutes geben, und dann gestatten, daß es uns in dem Augenblick genommen wird, wo wir es in Empfang nehmen wollen? Kann uns die Liebe eine Strecke des Weges begleiten und uns dann an der finstersten Stelle verlassen? Kann uns die Liebe mit einem heiligen Amt betrauen und uns dann dafür büßen lassen? Wäre nicht die Liebe weniger als Liebe, wenn sie der müden Welt eine Botschaft der Hoffnung senden und dann versäumen würde, den Boten, der sie brachte, zu beschützen?
Die Schwierigkeit liegt darin, daß unsre Gotteserkenntnis beschränkt ist. Wohl sind wir bereit, mit unfern Lippen zu sagen: „Gott ist Liebe,” aber glauben wir es auch? Das „Herr, Herr,” genügt nicht, um ins Himmelreich zu gelangen. Wenn wir sagen Gott ist Liebe, so müssen wir es auch glauben; andernfalls behaupten wir etwas, an dessen Richtigkeit wir zweifeln. Glauben wir es, so müssen wir es beweisen; und der einzige Beweis, den die Christliche Wissenschaft anerkennt, ist Demonstration. Ist Gott Liebe, und ist der wahre Mensch Gottes Spiegelbild, wie die Christliche Wissenschaft lehrt, so folgt daraus, daß der einzig wahre Mensch die Wiederspiegelung, der Ausfluß, die Offenbarwerdung der Liebe ist und daher liebevoll, lieblich und liebenswert sein muß. Wieviele von uns beweisen durch Wort und Tat unsre Überzeugung von der Wahrheit dieses Satzes?
Wie schnell beweist doch ein Kind seinen Glauben durch Demonstration. Ein kleiner Knabe telephonierte einst seinem Vater, ein Eichhörnchen habe ihn gebissen. „Meine Hand tut mir sehr weh, und die andern Jungens sagen, sie werde stark anschwellen,” sagte er. Der Vater erklärte dem Knaben so einfach wie möglich, daß alle Ideen Gottes einander lieben, daß ihm das Eichhörnchen nicht weh tun wollte, daß es ihm gar kein Leid zufügen könne, denn es sei ja auch eine Idee Gottes. „Aber ich möchte dich gerne sehen,” bat der Knabe, „kannst du nicht nach Hause kommen?” Der Vater willigte ein, ermahnte ihn aber, das Gesagte nicht zu vergessen. Als er nach ungefähr einer Stunde nach Hause kam, war der Knabe verschwunden, und niemand wußte wo er war. Gegen Abend kam er zurück, und als er seinen Vater sah, rief er aus: „Ach, ich habe ganz vergessen, daß du früh nach Hause kommen würdest. Ich war draußen und suchte das Eichhörnchen; ich wollte ihm einige Nüsse bringen, um ihm zu zeigen, daß es mir leid tut, daß ich es gehaßt habe, weil es mich gebissen hat.” Und die Hand war geheilt.
O göttliche Liebe, die du das Lamm in deinen Armen trägst! Wir, die die Welt älter und klüger nennt, sollten uns freuen, wenn wir zu den Füßen eines solchen Kindes sitzen dürfen. Laßt uns in aller Demut der Worte des Meisters gedenken: „Es sei denn, daß ihr ... werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.”