Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Die Wahrheit versagt niemals

Aus der Januar 1919-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Christliche Wissenschaft weicht darin von den anderen Religionen ab, daß sie von ihren Anhängern Beweise fordert für die Wirkungsfähigkeit der Wahrheit, die sie lehrt. Sie verlangt nicht die Annahme eines Dogmas, sondern das Verständnis vom Prinzip, nicht bloß ein Glaubensbekenntnis, sondern Demonstration. Wie wahr auch an und für sich eine Lehre sein mag, so kann sie doch dem einzelnen wenig nützen, wenn er sich nicht bemüht, ihre Brauchbarkeit zu erproben. Der Christliche Wissenschafter, der bestrebt ist, solche Demonstrationen zu machen, sieht sich dabei zuweilen sogenannten Mißerfolgen gegenüber; trotzdem aber handelt es sich in solchen Fällen oft weniger um Mißerfolge, als derjenige annehmen mag, der selbst niemals Anstrengungen gemacht hat. Und kein Fehlschlag ist so unverzeihlich wie die Unterlassung eines ernsten Versuches. Jesu Lehren muß man durch geistige Erkenntnis in sich aufnehmen; nur dadurch kann man die Wahrheit seiner Worte durch Taten demonstrieren. Diese Erkenntnis muß sich dem sterblichen Gemüt allmählich entfalten, denn dem Ausspruch Jesajas zufolge „kommt Gebot auf Gebot, Gebot auf Gebot; Verbot auf Verbot, Verbot auf Verbot; da ein wenig und dort ein wenig.“ (Zürcher Bibel.) Bis also das Denken ganz und gar vergeistigt ist, wird unser Glaube zwischen Erkenntnis und Annahme, zwischen Erfolg und Mißerfolg hin und her schwanken.

Als Jesus von Nazareth vor Pilatus stand und die Worte sprach: „Ich bin dazu geboren und in die Welt kommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll,“ stellte ihm Pilatus die Frage, die durch all die Jahrhunderte zu uns herübertönt: „Was ist Wahrheit?“ Aber es wird uns nicht berichtet, daß Jesus hierauf geantwortet hätte. Drei Jahre lang hatte er diese Frage täglich beantwortet. Seit dem ersten Tage nach seiner Versuchung in der Wüste, wo er den Kampf zwischen Fleisch und Geist auskämpfte, der mit dem entscheidenden Siege des Geistes endete, hatte er den Menschen die großen metaphysischen Tatsachen verkündigt und bewiesen, die er zunächst für sich selbst erprobt hatte. Er hatte in der Tat für die Wahrheit gezeugt. Jetzt war er im Begriff, seine irdische Laufbahn mit dem größten aller Siege zu krönen. Er sollte die große Tatsache beweisen, daß der Mensch als Gottes Ebenbild eins mit Gott ist, untrennbar von Ihm, wie das Prinzip von der Idee, wie das Gemüt von seiner Offenbarwerdung untrennbar ist. Trotzdem gab es in jener Stunde seines größten Triumphes scheinheilige Spötter und anmaßende Materialisten, die zweifellos die drei Jahre seines heiligen Wirkens einen ausgesprochenen Mißerfolg nannten. Diejenigen jedoch, die geistig genug gesinnt waren, um den auferstandenen Christus wahrzunehmen, wußten, daß sein Leben kein Fehlschlag gewesen war; und wer zu irgendeiner Zeit sein Erscheinen wahrnimmt, der weiß, daß die göttliche Wissenschaft damals nicht versagte, daß sie niemals versagt hat und niemals versagen wird.

Die vier Evangelien sind reich an großen Wahrheiten, die Jesus ausgesprochen hat. Es sind Worte von solch herrlicher geistiger Bedeutung, daß die Christenheit sie beiseite legte, weil sie sie für fast zu wunderbar hielt, um verstanden zu werden. Zum Beweis der Wahrheit seiner Worte vollbrachte der Meister viele große Taten, an die die Menschheit vorgab zu glauben, deren Wiederholung sie aber für unmöglich hielt. Die Sterblichen haben seit Jahrhunderten vergebens versucht, die Frage, auf welche Jesus nichts erwiderte, mit Worten, Glaubensbekenntnissen und Dogmen zu beantworten. Es blieb Mrs. Eddy, der Entdeckerin und Begründerin der Christlichen Wissenschaft, vorbehalten, die Welt aus ihrem langen Schlafe zu erwecken. Auf Seite viii in dem Vorwort zu Wissenschaft und Gesundheit schreibt sie: „Die Frage, was ist Wahrheit, wird durch Demonstration beantwortet — durch das Heilen von Krankheit, wie von Sünde.“ Mrs. Eddy macht also einen deutlichen Unterschied zwischen der Christlichen Wissenschaft und einer bloß passiven Religionslehre, und sie legt dar, daß die Christliche Wissenschaft die wahre Lehre ist, weil sie durch Demonstration bewiesen werden kann; denn die Mission der Christlichen Wissenschaft und das Hauptbestreben der Christlichen Wissenschafter besteht darin, sowohl Krankheit als Sünde zu heilen. Wenn sich beim Streben nach diesen Demonstrationen menschliche Vorstellungen von Mißerfolgen einstellen, so erschüttert das keineswegs den Glauben des Schülers an die Unumschränktheit der Christlichen Wissenschaft, noch raubt es ihm den Mut, mit der Demonstration fortzufahren; denn wie darf einer, der nie den Versuch gemacht hat, von Mißerfolg reden?

Laßt uns zur Erläuterung dieser Sache an einen Schüler im Klassenzimmer denken. Er erhebt sich und stellt die Behauptung auf, daß das Quadrat der Hypotenuse eines rechtwinkeligen Dreiecks gleich der Summe der Quadrate der beiden anderen Seiten ist. Er spricht eine mathematische Wahrheit aus. Vielleicht ist er nicht imstande, das Gesagte sofort zu demonstrieren. Ob es ihm jemals gelingen wird oder nicht, beeinflußt jedoch nicht im geringsten die Tatsache, daß der besagte Satz richtig ist. Sodann weiß er, daß der Satz, wenn er wahr ist, bewiesen werden kann, und ist er ein tüchtiger Schüler, so wird er sich sofort ans Beweisen machen und nicht eher ruhen, als bis er es fertig gebracht hat. Sollte er keine vollkommene Lösung zustande bringen, so könnte man doch kaum sagen, daß ihm die Demonstration ganz und gar mißlungen ist, solange er zum mindesten eine Ahnung von der der Behauptung zugrundeliegenden Wahrheit bekommen hat. Jedenfalls ist ihm der Versuch nicht so vollkommen mißlungen wie dem Schüler, der da bemerkt: „Ich weiß wohl, daß es wahr ist; aber es hat in meinem Fall keinen Zweck, es beweisen zu wollen.“

Man gibt allgemein zu, daß das Christentum auf den Lehren Jesu Christi aufgebaut ist, und die Christen behaupten, an ihn und die Wahrheit seiner Worte zu glauben. Trotzdem aber hat man bis zur Zeit von Mrs. Eddys Entdeckung, die ersten drei Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung ausgenommen, keinen Versuch gemacht, die Wahrheit seiner Worte zu demonstrieren. Muß es nicht dem werktätigen Christen einleuchten, daß er ebensowohl wie der Schüler der sogenannten Naturwissenschaften die Pflicht hat, seinen Standpunkt zu beweisen? Ob es ihm sofort gelingt, eine vollkommene Demonstration zu machen, oder ob es ihm nicht gelingt — einen kleinen Lichtstrahl wird er doch erhaschen, und dieselbe Hoffnung wird ihn aufrechterhalten, von der der Psalmist singt: „Ich aber will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit; ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde.“ Er wird sich nicht mit dem Gedanken zufrieden geben, daß er dereinst jenseits des Grabes diese Gottesebenbildlichkeit verwirklichen wird, sondern wird ernstlich danach streben, zu dem Christusbewußtsein zu erwachen, das bereits die Stürme der menschlichen Annahmen beruhigt hat — wird sich über die Wogen von Krankheit und Sünde erheben.

Mrs. Eddy hat der Welt auf Seite 468 von Wissenschaft und Gesundheit die wissenschaftliche Erklärung des Seins gegeben. Diese Erklärung erkennen die Christlichen Wissenschafter als eine große metaphysische Wahrheit an; ist es aber bisher irgendeinem von ihnen gelungen, diese Wahrheit in ihrem ganzen Umfang zu demonstrieren? Wohl kaum. Das kann aber nicht im geringsten die Tatsache ändern, daß sie wahr ist, ebensowenig wird scheinbarer Mißerfolg den fleißigen Schüler der Christlichen Wissenschaft davon abhalten, doppelte Anstrengungen zu machen, um das Ziel zu erreichen. Er kann zum mindesten mit den Worten jenes anderen Schülers des großen Wegweisers sagen: „Ich schätze mich selbst noch nicht, daß ich’s ergriffen habe. Eines aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist, und jage — nach dem vorgesteckten Ziel — nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu.“ Das Erringen jenes Kleinodes bringt das Aufhören aller materiellen Schmerzen und Freuden mit sich; und nur dieses Streben ermöglicht es uns, in den Hafen geistiger Freuden einzulaufen — die völlige Demonstration der Wissenschaft des Seins zustande zu bringen.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Januar 1919

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.